Bischofssynode 2015

II. Teil: Die Unterscheidung der Geister im Hinblick auf die Berufung der Familie

I. Kapitel

Quelle

Familie und göttliche Pädagogik

Der Blick auf Jesus und die göttliche Pädagogik in der Heilsgeschichte

37. (12) Wenn wir “wirklich unsere Schritte auf dem Terrain der zeitgenössischen Herausforderungen verifizieren wollen, dann besteht die entscheidende Bedingung darin, den Blick fest auf Jesus Christus gerichtet zu halten, in der Kontemplation und Anbetung seines Antlitzes zu verweilen […].Denn jedes Mal, wenn wir zur Quelle der christlichen Erfahrung zurückkehren, dann öffnen sich neue Wege und ungeahnte Möglichkeiten” (Papst Franziskus, Ansprache am 4.Oktober 2014). Jesus hat mit Liebe und Zärtlichkeit auf die Männer und Frauen geblickt, die ihm begegneten; als er die Erfordernisse des Gottesreiches verkündete, hat er ihre Schritte mit Wahrheit, Geduld und Barmherzigkeit begleitet.

Das Wort Gottes in der Familie

38. Den Blick auf Jesus zu richten heißt vor allen Dingen, auf Sein Wort zu hören: die Lesung der Heiligen Schrift, nicht nur in der Gemeinschaft, sondern auch in den Häusern, erlaubt es, die Zentralität des Paares und der Familie im Plan Gottes herauszustellen und anzuerkennen, wie Gott in die Konkretheit des Familienlebens eintritt, es schön und lebendig macht.

Ungeachtet verschiedener Initiativen ist jedoch in den katholischen Familien immer noch ein Mangel an direktem Kontakt mit der Bibel festzustellen. In der Familienpastoral ist der zentrale Wert der Begegnung mit Christus zu unterstreichen, die dann wie von selbst entsteht, wenn man in der Bibel verankert ist. Es ist daher vor allem wünschenswert, dass in den Familien zu einem lebendigen Verhältnis zum Wort Gottes ermutigt wird, und zwar dergestalt, dass es zu einer echten personalen Begegnung mit Christus führt. Als Weg, sich der Schrift zu nähern, wird die „lectio divina“ empfohlen. Sie stellt eine betende Lektüre des Wortes Gottes dar und ist Quelle der Inspiration für das tägliche Handeln.

Die göttliche Pädagogik

39. (13) Weil die Schöpfungsordnung von der Orientierung auf Christus hin bestimmt ist, müssen wir die verschiedenen Grade unterscheiden, durch die Gott der Menschheit die Gnade seines Bundes vermittelt, ohne sie voneinander zu trennen. Auf Grund der göttlichen Pädagogik, entsprechend der sich die Schöpfungsordnung in aufeinander folgenden Schritten in die Erlösungsordnung verwandelt, muss das Neue am christlichen Ehesakrament in Kontinuität mit der natürlichen Ehe des Anfangs verstanden werden. Auf diese Weise erkennt man die Art des Heilshandelns Gottes, sowohl in der Schöpfung, als auch im christlichen Leben. In der Schöpfung: weil alles durch Christus und auf ihn hin geschaffen wurde (vgl. Kol 1,16), spüren die Christen «mit Freude und Ehrfurcht […] die Saatkörner des Wortes auf, die in ihr verborgen sind. Sie sollen aber auch den tiefgreifenden Wandlungsprozess wahrnehmen, der sich in diesen Völkern vollzieht» (AG, 11). Im christlichen Leben: Insofern der Gläubige, vermittelt durch jene Hauskirche, die seine Familie ist, durch die Taufe in die Kirche eingefügt wird, tritt er ein in jenen «dynamischen Prozess von Stufe zu Stufe entsprechend der fortschreitenden Hereinnahme der Gaben Gottes» (FC, 9), durch die beständige Umkehr zur Liebe, die von der Sünde erlöst und die Fülle des Lebens schenkt.

Naturehe und sakramentale Fülle

40. Insofern als die natürlichen Gegebenheiten im Licht der Gnade verstanden werden müssen, darf nicht vergessen werden, dass die Erlösungsordnung die Schöpfungsordnung erleuchtet und vollendet. Die Naturehe ist daher im Licht ihrer sakramentalen Vollendung voll zu erfassen; nur, wenn der Blick auf Christus gerichtet bleibt, kann man die Wahrheit der menschlichen Beziehungen wirklich ergründen. «Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. […]Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung» (GS, 22). In dieser Perspektive ist es besonders angemessen, die reichen und vielfältigen natürlichen Eigenschaften der Ehe christozentrisch zu verstehen.

Jesus und die Familie

41. (14) Jesus selbst bestätigt unter Bezugnahme auf die ursprüngliche Absicht hinsichtlich des menschlichen Paares die unauflösliche Verbindung von Mann und Frau, auch wenn er sagt: «Nur, weil ihr so hartherzig seid, hat Mose erlaubt, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so» (Mt 19,8). Die Unauflöslichkeit der Ehe („Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ Mt 19,6) ist nicht vor allem als ein dem Menschen auferlegtes „Joch“ zu verstehen, sondern als ein „Geschenk“ für die in der Ehe vereinten Menschen. Auf diese Weise zeigt Jesus, wie Gottes Entgegenkommen den Weg der Menschen immer begleitet, die verhärteten Herzen mit seiner Gnade heilt und verwandelt und sie über den Weg des Kreuzes auf ihren Ursprung hin ausrichtet. Aus den Evangelien geht klar das Beispiel Jesu hervor, das für die Kirche ein Paradigma ist. So hat Jesus eine Familie angenommen, hat seine Zeichenhandlungen bei der Hochzeit in Kana begonnen, hat die Botschaft von der Bedeutung der Ehe als Vollendung der Offenbarung verkündet, die den ursprünglichen Plan Gottes wieder herstellt (vgl. Mt 19,3). Doch gleichzeitig hat er die verkündigte Lehre in Taten umgesetzt und so die wahre Bedeutung der Barmherzigkeit dargelebt. Das geht deutlich aus den Begegnungen mit der Samaritanerin (vgl. Joh 4,1-30) und der Ehebrecherin (vgl. Joh 8,1-11) hervor, in denen Jesus in einer Haltung der Liebe gegenüber dem sündigen Menschen zu Reue und Umkehr führt („geh und sündige von nun an nicht mehr“), den Bedingungen für die Vergebung.

Die Unauflöslichkeit als Gabe und Aufgabe

42. Das Zeugnis von Paaren, welche die christliche Ehe in ihrer Fülle leben, rückt den Wert dieser unauflöslichen Verbindung ins Licht und erweckt das Verlangen, immer neue Wege der ehelichen Treue zu beschreiten. Die Unauflöslichkeit stellt die Antwort des Menschen auf das tiefe Verlangen nach gegenseitiger und dauerhafter Liebe dar: eine Liebe „für immer“, die zur Erwählung und Selbsthingabe wird, sowohl der Eheleute aneinander, als auch des Ehepaares an Gott selbst und an diejenigen, die Gott ihnen anvertraut. In dieser Hinsicht ist es wichtig, in der christlichen Gemeinschaft die Jahrestage der Ehen zu feiern, um daran zu erinnern, dass es in Christus möglich und dass es schön ist, für immer zusammen zu leben.

Das Evangelium der Familie stellt ein Lebensideal dar, das die Empfindungen unserer Zeit und die tatsächlichen Schwierigkeiten berücksichtigen muss, Verpflichtungen für immer aufrecht zu erhalten. Hier ist eine Verkündigung angebracht, die Hoffnung gibt und nicht erdrückt: jede Familie soll wissen, dass die Kirche sie auf Grund der «unauflöslichen Verbindung der Geschichte Christi und der Kirche mit der Geschichte der Ehe und der Menschheitsfamilie» nie aufgibt (Franziskus, Generalaudienz, 6.Mai 2015).

Der Stil des Familienlebens

43. Von verschiedenen Seiten wird die Einladung vorgebracht, eine Moral der Gnade zu fördern, welche die Schönheit der Tugenden, die dem Eheleben eigen sind, entdecken lässt und zur Entfaltung bringt. Dazu gehören: wechselseitiger Respekt und Vertrauen, gegenseitige Annahme und Dankbarkeit, Geduld und Vergebung. Auf der Eingangstür zum Familienleben, so sagt Papst Franziskus, «stehen drei Worte geschrieben, die ich schon mehrmals erwähnt habe. Und diese Worte lauten: „bitte“, „danke“, „Entschuldigung“. Denn diese Worte öffnen den Weg zu einem guten Familienleben, um in Frieden zu leben. Es sind einfache Worte, aber sie sind nicht einfach zu praktizieren! Sie beinhalten eine große Kraft: die Kraft, das Haus zu schützen, auch durch zahlreiche Schwierigkeiten und Prüfungen hindurch; ihr Fehlen dagegen öffnet nach und nach Risse, die es sogar zum Einsturz bringen können» (Franziskus, Generalaudienz, 13.Mai 2015). Zusammenfassend: das Sakrament der Ehe eröffnet eine Dynamik, welche die Zeiten und die Prüfungen der Liebe, die einer durch die Gnade genährten schrittweisen Reifung bedürfen, einbezieht und unterstützt.

Die Familie im Heilsplan Gottes

44. (15) Die Worte des ewigen Lebens, die Jesus seinen Jüngern hinterlassen hat, schließen die Lehre über Ehe und Familie ein. Diese Lehre Jesu lässt uns den Plan Gottes im Hinblick auf Ehe und Familie in drei grundlegenden Abschnitten erkennen. An seinem Beginn steht die Familie des Anfangs, als der Schöpfergott die ursprüngliche Ehe zwischen Adam und Eva als feste Grundlage der Familie stiftete. Gott hat den Menschen nicht nur als Mann und Frau geschaffen (vgl. Gen 1,27), sondern er hat sie auch gesegnet, damit sie fruchtbar seien und sich vermehren (vgl. Gen 1,28). Deshalb «verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau und sie werden ein Fleisch» (Gen 2,24). Diese Einheit wurde durch die Sünde beschädigt und wurde zur historischen Form der Ehe im Volk Gottes, dem Mose die Möglichkeit gab, einen Scheidungsbrief auszustellen (vgl. Dtn 24, 1ff). Dies war in der Zeit Jesu die übliche Praxis. Mit seiner Ankunft und mit der durch seinen Erlösertod bewirkten Versöhnung der gefallenen Welt ging die von Mose eingeleitete Ära zu Ende.

Einheit und Fruchtbarkeit der Eheleute

45. Es wurde unterstrichen, dass die Wertschätzung der in der Heiligen Schrift enthaltenen Lehre eine Hilfe sein könnte um zu zeigen, wie Gott, vom Bericht der Genesis an, sein Bild und Gleichnis dem Menschenpaar eingeprägt hat. In diesem Sinne hat Papst Franziskus daran erinnert, dass «nicht nur der Mann als Einzelner betrachtet das Abbild Gottes ist, dass nicht nur die Frau als Einzelne betrachtet das Abbild Gottes ist, sondern dass auch Mann und Frau als Paar Abbild Gottes sind. Der Unterschied zwischen Mann und Frau dient nicht dem Gegensatz oder der Unterordnung, sondern der Gemeinschaft und der Fortpflanzung, stets als Abbild Gottes, ihm ähnlich» (Generalaudienz, 15.April 2015). Einige heben hervor, dass im Schöpfungsplan die Komplementarität des Vereinigungscharakters der Ehe mit dem Fruchtbarkeitscharakter eingeschrieben ist: der Vereinigungscharakter, Frucht eines freien, bewussten und überlegten Konsenses, bereitet auf die Verwirklichung des Fruchtbarkeitscharakters vor. Darüber hinaus muss der Zeugungsakt in der Perspektive der verantwortlichen Elternschaft und der Verpflichtung verstanden werden, sich mit Treue der Kinder anzunehmen.

Die Familie, Bild der Dreifaltigkeit

46. (16) Jesus, der alles in sich versöhnt hat, hat Ehe und Familie zu ihrer ursprünglichen Form zurückgeführt (vgl. Mk 10,1-12). Christus hat Ehe und Familie erlöst (vgl. Eph5,21-32) und nach dem Bild der Heiligsten Dreifaltigkeit, dem Geheimnis, aus dem jede Liebe entstammt, wieder hergestellt. Der eheliche Bund, der in der Schöpfung grundgelegt und in der Heilsgeschichte offenbart wurde, erhält die volle Offenbarung seiner Bedeutung in Christus und in seiner Kirche. Ehe und Familie empfangen von Christus durch die Kirche die notwendige Gnade, um Gottes Liebe zu bezeugen und ein gemeinsames Leben zu leben. Das Evangelium der Familie zieht sich durch die Geschichte der Welt, von der Erschaffung des Menschen nach dem Bild und Gleichnis Gottes (vgl. Gen 1, 26-27) bis zur Erfüllung des Geheimnisses des Bundes in Christus am Ende der Zeit mit dem Hochzeitsmahl des Lammes (vgl. Offb19,9; Johannes Paul II, Katechesen über die menschliche Liebe).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel