Ecuador: Parallelen zwischen “Laudato sì” und Verfassung
Correa zieht Parallelen zwischen “Laudato sì” und Verfassung
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Es war Franziskus’ Appell für gesellschaftliche Inklusion und Teilhabe in Ecuador, die den ecuadorianischen Präsidenten am meisten beeindruckt hat. Das sagte Rafael Correa am Mittwochabend (Ortszeit) im Interview mit Radio Vatikan in Ecuador: “Für mich war die wichtigste Papstrede die (Ansprache des Papstes an Vertreter der Politik und Gesellschaft in Ecuador) in der Kirche des heiligen Franziskus, als der Papst über die Unentgeltlichkeit und davon sprach, dass wir alles als Gabe empfangen haben und dass man deshalb unentgeltlich geben soll. Er hat über die Ausgeschlossenen in der Gesellschaft gesprochen, über die Armut und einen Reichtum, den man teilen muss. Das war sehr wichtig.”
Unentgeltlichkeit ist “keine Ergänzung, sondern die notwendige Voraussetzung für die Gerechtigkeit”, hatte der Papst vor den politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsträgern des Landes betont: “Das, was wir sind und haben, ist uns anvertraut, damit wir es in den Dienst der anderen stellen. Unsere Aufgabe besteht darin, es Frucht bringen zu lassen in guten Werken”, so Franziskus: “Die Güter sind für alle bestimmt, und auch wenn einer ihren Besitz vorweist, lastet auf ihnen eine soziale Hypothek.”
Nach Ansicht des Politikers hat der Papst in Ecuador “sehr starke und sehr wichtige Botschaften” lanciert. Die Bezugnahme des Papstes auf die Naturschätze der Region und seinen Appell zum Schutz der Umwelt wertet Correa etwa als Ermutigung für sein Land, die natürliche Vielfalt der Amazonas-Region zu verteidigen. Schliesslich habe man diesbezüglich in Ecuador schon viel getan, bekräftigt der Präsident: “Wir müssen Papst Franziskus für seine Enzyklika ‘Laudato sì‘ danken; es gibt vor Hintergrund dessen, was wir in Ecuador und mit unserer Verfassung umsetzen, viele gemeinsame Punkte. Die Verfassung Ecuadors ist die erste in der Geschichte der Menschheit, die die Rechte der Natur anerkennt.”
Ecuadors Verfassung von 2008 gesteht der Natur erstmals Eigenrechte zu; sie wird als Rechtssubjekt begriffen. Der Papst hatte sich in seiner Ansprache vor Politik und Gesellschaft konkret gegen die Abholzung des Amazonas-Gebietes zwecks Bodennutzung gewandt. Ecuadors Wirtschaft ist abhängig von Bodenschätzen, die gerade im Amazonasgebiet liegen – ein Spannungsfeld, mit dem das Land umgehen muss.
Auf diesen Punkt geht der Präsident im Interview mit Radio Vatikan nicht ein. Er betont dagegen Parallelen zwischen der Umwelt-Enzyklika “Laudato sí” und der Verfassung Ecuadors: “Zum Beispiel bekräftigt der Papst in seiner Enzyklika das Recht des Menschen auf Wasser: In unserer Verfassung steht genau dasselbe. Wir arbeiten also mit grossem Einsatz in diesem Bereich. Ich glaube, dass die Enzyklika ein Dokument von grosser Bedeutung für die kommende Umweltkonferenz von Paris ist.”
Dass die Kirche in Fragen des Umweltschutzes ihre Stimme erhebt, begrüsst der Präsident. Die “moralische Autorität” des Papstes könne sicherlich Einiges bewirken, denkt Correa. Einfach werde dieser Kampf aber nicht, fährt der Politiker fort. Es sei hier durchaus mit Widerstand zu rechnen: “Es sind die Mächtigen, die die Erde vergiften und die armen Länder, die die Natur wieder säubern müssen, wenn man das so sagen will. Sie (die Industrieländer der nördlichen Hemisphäre) werden sich dagegen wehren, ihre Schulden zu zahlen und sich ihrer Verantwortung zu stellen. Der Papst hat jedoch mit Nachdruck den Lebensstil der reichen Länder angeklagt und ihn als ‘unmenschlich‘ und ‘nicht nachhaltig‘ definiert.”
Correa hatte während des Papstbesuches in Ecuador ein Umdenken in der globalen Wirtschaftspolitik gefordert. Politik und Wirtschaft müssten sich “in den Dienst des menschlichen Lebens stellen”, sagte der Politiker in einer Rede vor Franziskus auf dem Flughafen von Quito. Derzeit würden die Märkte von reichen Staaten aus dem Norden dominiert, die überwiegend christlich geprägt seien – sie diktierten die Bedingungen.
Rafael Correa ist seit 2007 Präsident Ecuadors. Sein Amt kann er bis heute bekleiden, weil das Verfassungsgericht des Landes 2014 die – demokratiepolitisch fragwürdige – unbegrenzte Amtszeit aller Mandatsträger im Staatsdienst zuliess.
rv 09.07.2015 pr
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