Die Handschrift des Teufels
‘Menschen sind in keinem Stadium ihres Lebens Eigentum eines anderen’
Die Tagespost, 27. Juli 2015
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Von Stefan Rehder
Ob Planned Parenthood, der grösste Anbieter vorgeburtlicher Kindstötungen in den USA, bei der Vermittlung fötalen Gewebes an Forscher nun gegen Gesetze verstösst oder nicht (DT vom 25.7.), ist letztlich allenfalls zweitrangig. Denn Gesetze, die es Frauen erlauben, die Leichen ihrer abgetriebenen Kinder oder deren Teile der Wissenschaft zu “spenden”, gehören abgeschafft. Der Grund: Menschen sind in keinem Stadium ihres Lebens Eigentum eines anderen. Zwar können Leibeigenschaft und Sklaverei noch längst nicht überall als überwunden gelten, sind jedoch international geächtet und werden vielerorts auch tatsächlich bekämpft. Auch der Leichnam eines Toten “gehört2 nicht den Hinterbliebenen, sondern wird lediglich ihrer Sorge anvertraut. Über ihn nach Belieben zu verfügen, gilt als unstatthaft. Augenfällig wird dies regelmässig bei Beerdigungen. Nach allgemeinem Dafürhalten ist der Bestattungswunsch eines Verblichenen nämlich auch dann zu respektieren, wenn er sich nicht mit den legitimen Wünschen der Angehörigen nach der Möglichkeit eines würdigen Gedenkens in Einklang bringen lässt. Dem letzten Wunsch eines Verstorbenen nicht nachzukommen, wird daher gewöhnlich als Form postmortaler Gewalt betrachtet. Einen Körper nach dem Tod der Wissenschaft zu überantworten – das sollte daher auch niemand anderes verfügen dürfen als der Betreffende selbst. Gerade in Gesellschaften, in denen die Selbstbestimmung des Einzelnen vorgeblich einen derart grossen Stellenwert besitzt, wie in denen westlicher Prägungen, müsste dies eine Selbstverständlichkeit sein. Dass davon keine Rede sein kann, sollte auch denen zu denken geben, die im Menschen kein Ebenbild Gottes zu erblicken vermögen.
Einer Mutter die Möglichkeit zu geben, ein Kind, das anzunehmen sie nicht die Kraft aufbringt, nicht nur töten zu lassen, sondern seine Leiche anschliessend der Forschung zur Verfügung zu stellen, ist ein besonders perverser Versuch, vorgeburtliche Kindstötungen zu verharmlosen. Suggeriert die “Spende” des Leichnams des zuvor getöteten wehrlosen und unschuldigen Kindes doch, die Mutter könne, nachdem sie dessen Todesurteil unterschrieben hat, dieses “abscheuliche Verbrechen” (II. Vatikanum) mit einer weiteren Unterschrift noch einem guten Zweck zuführen, umwidmen oder wenigstens die auf sich geladene Schuld minimieren. Es bedarf keiner mystischen Gaben, um zu erkennen, dass die Idee, das Gewissen so beruhigen zu wollen, eine klare Handschrift trägt. Sie gehört dem “Vater der Lüge” und verfolgt letztlich vor allem einen Zweck: Sie soll verhindern, dass die Mutter – die nach dem Kind immer das zweite Opfer einer Abtreibung ist – ihre Entscheidung bereut und das Erbarmen Gottes sucht.
Wer weiss, wie sehr Frauen unter der nicht selten jahrzehntelang verdrängten Schuld leiden können, dem fällt es schwer zu verstehen, das die Kirche in Deutschland keine konzertierten Aktionen startet, um sie von dieser Last zu befreien und mit Gott und sich selbst zu versöhnen. Menschen schon auf Erden die Hölle zu bereiten, scheint dem Teufel besonderes Vergnügen zu bereiten. Ihn dabei zu stören ist eine Aufgabe, die jedem Priester am Herzen liegen müsste. Zu jeder Zeit, aber ganz besonders in dem demnächst beginnenden “Jahr der Barmherzigkeit”.
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