Die Familie – 17. Familie und Armut

“Wir Christen sollten den von Armut geprüften Familien immer näher kommen”

Bei der Hl. Familie in Nazaret

Generalaudienz von Mittwoch, dem 3. Juni 2015, auf dem Petersplatz

Vatican City, 3. Juni 2015, zenit.org, Staff Reporter

‘Im Folgenden veröffentlichen wir in einer eigenen Übersetzung den vollständigen Text der auf dem Petersplatz gesprochenen Katechese bei der heutigen Generalaudienz’.

In seiner Reihe der Katechesen über die Familie thematisierte der Papst heute das Thema Familie und Armut

Die Familie – 17. Familie und Armut

Liebe Brüder und Schwestern!

Im Rahmen unserer Begegnungen am Mittwoch widmen wir uns derzeit den Betrachtungen zur Familie und setzen diese auch heute fort. Die heutige Katechese bildet den Ausgangspunkt für Überlegungen zur Verletzlichkeit der Familie; zu den Lebenssituationen, die eine Prüfung für sie darstellen. Die Familie ist von zahlreichen Problemen betroffen, die sie herausfordern.

Eine dieser Prüfungen ist die Armut. Denken wir an die vielen Familien, die an der Peripherie der Grossstädte oder aber auch in ländlichen Gebieten leben… Wie gross sind das Elend und der Verfall! Die Situation erfährt an manchen Orten durch Krieg eine weitere Verschlechterung. Krieg ist immer etwas Furchtbares. Er trifft vor allem die Zivilbevölkerung, die Familien. Krieg ist wirklich “der Vater aller Armut”; er lässt die Familien verarmen, er ist ein grosser Räuber von Menschenleben, Seelen und der heiligsten und liebsten Gefühle der Zuneigung.

Trotzdem versuchen viele arme Familien, ihr tägliches Leben in Würde zu führen und vertrauen oft offen auf den Segen Gottes. Dieses Beispiel darf jedoch nicht unsere Gleichgültigkeit rechtfertigen, sondern soll vielmehr unser Beschämen angesichts der grossen Armut erhöhen! Es ist gleichsam ein Wunder, dass auch inmitten der Armut weiterhin Familien entstehen und nach besten Kräften die ihren Bindungen eigene besondere Menschlichkeit aufrechterhält. Dieser Umstand irritiert jene Wohlstandsplaner, die Gefühle der Zuneigung, die Bildung und die Bindungen der Familie als zweitrangige Variable im Verhältnis zur Lebensqualität betrachten. Sie begreifen nichts! Im Gegensatz dazu müssten wir vor diesen Familien niederknien. Sie sind eine wahre Schule der Menschlichkeit, die die Gesellschaft vor der Barbarei rettet.

Was bleibt, wenn wir uns der Erpressung von Cesar und Mammon, der Gewalt und des Geldes beugen und auch auf die Zuneigung innerhalb der Familie verzichten? Eine neue zivile Ethik wird nur dann Einzug halten, wenn die Verantwortungsträger des öffentlichen Lebens die soziale Bindung ausgehend vom Kampf gegen die perverse Spirale zwischen Familie und Armut, die uns in den Abgrund führt, neu organisieren.

Die heutige Wirtschaft ist oftmals auf den Genuss des individuellen Wohlstandes ausgerichtet, praktiziert jedoch in weiten Teilen eine Ausnutzung der familiären Bindungen. Darin besteht ein schwerwiegender Widerspruch! Die unendliche Arbeit der Familie scheint natürlich in keiner Bilanz auf! So sind Wirtschaft und Politik geizig, wenn es um diesbezügliche Anerkennung geht. Dennoch ist der Grundpfeiler der inneren Bildung der Person und des Zirkulierens der Gefühle in der Gesellschaft gerade dort zu finden. Wenn er entfernt wird, kommt alles zum Einsturz.

Es handelt sich dabei nicht nur um eine Frage des Brotes. Die Rede ist von Arbeit, Bildung und Gesundheit. Es ist wichtig, dies gut zu begreifen. Es bewegt uns immer sehr, wenn uns Bilder von unterernährten und kranken Kindern in vielen Teilen der Welt vor Augen geführt werden. Zugleich bewegt uns der glühende Blick vieler Kinder, denen es an allem fehlt und die aus dem Nichts entstandene Schulen besuchen, wenn sie stolz ihren Bleistift und ihr Heft in die Höhe halten. Mit wie viel Liebe sie ihren Lehrer oder ihre Lehrerin anblicken! Tatsächlich wissen die Kinder, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt! Er braucht auch die Zuneigung der Familie; wenn Elend herrscht, leiden die Kinder, denn sie wollen Liebe und familiäre Bindungen.

Wir Christen sollten den von Armut geprüften Familien immer näher kommen. Denkt jedoch alle an jemanden: der Vater ohne Arbeit, die Mutter ohne Arbeit… und die Familie leidet, die Bindungen werden schwächer. Das ist hässlich. Tatsächlich trifft “soziales Elend” die Familien und führt manchmal zu ihrer Zerstörung. Das Fehlen oder der Verlust der Arbeit oder eine starke Ungewissheit diesbezüglich haben schwerwiegende Folgen für das Familienleben und stellen die Beziehungen auf eine harte Probe. Die Lebensbedingungen in den am meisten benachteiligten Vierteln, die von Wohn- und Transportproblemen sowie von Kürzungen bei sozialen, sanitären und schulischen Dienstleistungen betroffen sind, führen zu weiteren Schwierigkeiten. Zu diesen materiellen Faktoren gesellen sich die durch die Massenmedien verbreiteten, auf Konsum und den Kult des Äusserlichen basierende Pseudo-Modelle, die sich auf die ärmsten Sozialschichten auswirken und die Auflösung der familiären Bindungen verstärken. Sorgt euch um die Familien, die Gefühle der Zuneigung, wenn das Elend die Familie auf die Probe stellt!

Die Kirche ist eine Mutter, sie darf dieses Drama ihrer Kinder nicht vergessen. Auch sie muss arm sein, um fruchtbar zu werden und auf so viel Leid reagieren zu können. Eine arme Kirche ist eine Kirche, die eine freiwillige Einfachheit im eigenen Leben praktiziert – in all ihren Institutionen, im Lebensstil ihrer Mitglieder – damit jede Mauer der Trennung, vor allem von den Armen, niedergerissen wird. Wir brauchen Gebete und Handlungen. Beten wir inständig zum Herrn, damit er uns wachrüttle und unsere christlichen Familien zu Hauptakteuren in dieser Revolution der nun für uns so dringend nötigen familiären Nähe macht. Aus dieser familiären Nähe besteht die Kirche seit ihren Anfängen. Vergessen wir nicht, dass das Gericht der Bedürftigen, der Kleinen und der Armen dem Urteil Gottes vorausgeht (Mt 25,31-46). Vergessen wir es nicht und tun wir unser Möglichstes, um die Familien beim Vorankommen in der Prüfung der Armut und des Elends, die die Zuneigung und die familiären Bindungen belasten, zu unterstützen. Erneut möchte ich den zu Beginn vernommenen Text aus der Bibel lesen, wobei ein jeder von uns an die von Elend und von der Armut geprüften Familien denken möge. Der Text lautet: “Mein Sohn, entzieh dem Armen nicht den Lebensunterhalt und lass die Augen des Betrübten nicht vergebens warten! Enttäusche den Hungrigen nicht und das Herz des Unglücklichen errege nicht! Verweigere die Gabe dem Bedürftigen nicht und missachte nicht die Bitten des Geringen! Verbirg dich nicht vor dem Verzweifelten und gibt ihm keinen Anlass, dich zu verfluchen” (Sir 4,1-5a).

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