Vertrauliche Geburt

‘Ersatz für Babyklappen und -fenster sowie andere Formen der “anonymen Geburt”‘

Stefan RehderVon Stefan Rehder

Die Tagespost, 30. April 2015

Dass Nachrichten über die Geburt von Kindern den Weg in die “Tagesschau” schaffen, kommt selten vor. Wenn doch, sind die Eltern meist von königlichem Blut. In dieser Woche war das einmal anders. Da fanden die Geburten von 95 Kindern den Weg in die Hauptnachrichten, deren Eltern, glaubt man Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), aus allen Schichten der Gesellschaft kommen und deren Mütter in den vergangenen zwölf Monaten die von Schwesigs Amtsvorgängerin Kristina Schröder (CDU) auf den Weg gebrachte rechtliche Möglichkeit einer “vertraulichen Geburt” nutzten. Erdacht wurde die am 1. Mai 2014 in Kraft getretene “vertrauliche Geburt” als Ersatz für Babyklappen und -fenster sowie andere Formen der “anonymen Geburt”, die sich, das lässt sich nicht bestreiten, in einer rechtlichen Grauzone bewegen.

Während Babyklappen eingerichtet wurden, um heimlich geborene Kinder davor zu bewahren, dass sie von überforderten Müttern ausgesetzt oder – schlimmer noch – getötet werden, ermöglicht die “anonyme” Geburt eine medizinische Versorgung von Mutter und Kind vor, während und nach der Geburt sowie auf Wunsch auch eine psychosoziale Beratung der Frau. In fünf der 95 Fällen soll diese dazu geführt haben, dass die Mütter ihr Kind nicht zur Adoption gaben, sondern Wege fanden, es selbst grosszuziehen. Ein weiteres Plus: Wie die Formen der “anonymen Geburt“ wahrt auch die “vertrauliche Geburt“ die Anonymität der Mutter nach aussen, eröffnet dem Kind aber die Chance, später zu erfahren, wer seine Mutter ist. Mit Beginn des 16. Lebensjahrs kann es beim “Bundesamt für Familien” die Daten anfordern, die seine Mutter dort in einem verschlossenen Umschlag hinterlegen liess und – sofern die Mutter zustimmt – Kontakt mit ihr aufnehmen.

Leider ist die Gefahr gross, dass – wie schon in der Vergangenheit – nun versucht werden wird, das rechtlich geregelte Angebot der “vertraulichen Geburt” gegen die rechtlich ungeregelten Angebote der anonymen Geburt auszuspielen. Dabei lässt sich nicht bestreiten, dass eine vertrauliche Geburt für Mutter und Kind wesentliche Vorteile besitzt und einer anonymen vorzuziehen ist. Tatsache ist auch, dass die Überprüfung der Betreiber von Babyklappen in einigen Fällen Missstände offenbart hat, die behoben gehören. Ungeklärt ist hingegen, ob das Angebot der “vertraulichen Geburt” das der anonymen zu ersetzen vermag. Gegner von Babyklappen hatten damals argumentiert, mit diesen liessen sich in Panik geratene Mütter, die Neugeborene aussetzten oder selbst töten, gar nicht erreichen. Das mag sein, bleibt aber Spekulation. Denn Mütter, die so etwas tun, nehmen anschliessend nicht an Studien zur Motivforschung teil. Auch wer den Weg der “anonymen Geburt” wählt, kann später nicht befragt werden, ob er auch in eine vertrauliche eingewilligt hätte. Ethisch ist die Sache ohnehin klar. Eine rechtlich ungeregelte und insofern illegale Geburt ist einer rechtlich geregelten und insofern legalen Abtreibung stets vorzuziehen. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung kann nicht über das auf Leben gestellt werden. Dass Politiker, die verdrängen, dass vorgeburtliche Kindstötung in der Regel zwar straffrei, aber rechtswidrig sind, dies nicht leicht einsehen, lässt sich nachvollziehen, offenbart aber nur ein anderes Problem.

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