Fragen, die geklärt werden müssen…

Von Bischof Heinz Josef Algermissen

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Mir zeigen die Gespräche, die ich im Zusammenhang mit den am 1. Advent 2014 von mir in Kraft gesetzten “Grundsätzen für die Ausrichtung der Pastoral im Bistum Fulda” mit Gemeinden, Räten und Priestern geführt habe, deutlich: Es wird unter uns Katholiken häufig über kirchenpolitische Themen gestritten. Wir beschäftigen uns intensiv mit Fragen der Strukturen. Merkwürdig still wird es aber, wenn es um Fragen geht, die in die Tiefe unseres Glaubens reichen. Es fällt schwer, über das zu sprechen, was in der Präambel zu den Grundsätzen an erster Stelle steht: über die Berührung durch Gott, die das tragende Fundament unseres persönlichen Glaubens ist. Ohne berührende Erfahrung bleibt der Glaube nur eine Theorie. Das Sprechen über Glaubenserfahrungen fällt auch deshalb schwer, weil wir aus einer Vergangenheit kommen, in der die persönliche Erfahrung nicht so wichtig war. In volkskirchlich geprägter Zeit galt es vorrangig, einen vorgegebenen Glauben in Traditionen und Riten zu übernehmen. Damals war das passend. Heute aber setzt christlicher Glaube eine persönliche Überzeugung voraus, die immer mit Erfahrungen einhergeht.

Ein religiöser Glaube muss einsichtig sein und dem Leben einen spürbaren Grund geben. Junge Menschen fragen, was es denn “bringt”, ein Christ zu sein und zur Kirche zu gehen. Viele Eltern erleben bei ihren eigenen Kindern, dass sie eine solche Frage kaum überzeugend und verständlich beantworten können.

Ich erlebe immer wieder, dass Gespräche unter vier Augen, mit Gruppen und Räten anders verlaufen, wenn das Erschrecken und auch die Traurigkeit über diese Beobachtungen zum Thema werden. Da relativieren sich viele Struktur- und Finanzfragen. Es wird plötzlich sichtbar, dass wir ein ernsthaftes Glaubensproblem haben. Wir sind häufig nicht in der Lage, die Faszination unseres Glaubens zu vermitteln. Im Gegenteil: Unser Glaube wirkt auf viele Menschen wie ein erstarrtes Ritual aus vergangenen Zeiten. Unsere Sprache erreicht viele gar nicht mehr. Wenn die Kirchenaustritte aus unterschiedlichen Anlässen in die Höhe klettern, dann zeigt das vor allem, wie weit sich bereits viele Menschen von der Kirche entfernt haben.

Die Realität ist schwer auszuhalten und auch die eigene Ohnmacht, daran kaum etwas ändern zu können. Aber die nüchterne Wahrnehmung der Realität ist ein wichtiger Schritt, um herauszufinden, was Gott uns mit dieser Situation sagen will. Eines jedenfalls scheint mir klar zu sein: Wir können nicht einfach nur fortsetzen, was wir immer schon getan haben.

Mir stellen sich Fragen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will: Ist uns selbst eigentlich bewusst, was der christliche Glaube für unser Leben bedeutet?
Können wir das auch verständlich und nachvollziehbar für andere Menschen formulieren?
Haben wir Orte, an denen die Kraft des Glaubens erfahrbar wird?
Sind wir vertraut mit dem, was die Menschen heute bewegt?
Wissen wir was die jungen Menschen denken und was sie für ihr Leben suchen?
Sind wir offen für Menschen, die nur ab und zu mit uns in Verbindung treten wollen, weil sie in Grenzsituationen oder zu besonderen Anlässen einen Wunsch an uns richten?
Sind uns diese Menschen willkommen und tun wir alles, damit sie bei der Taufe ihrer Kinder, bei ihrer kirchlichen Trauung oder im Krankheits- und Todesfall den Zuspruch und die Begleitung finden, die sie suchen und brauchen?
Sind wir überhaupt als Christinnen und Christen erkennbar und fühlen wir uns verantwortlich, im Alltag aus unserem Glauben zu leben?
Haben wir eine Ahnung davon, dass Kirche viel mehr ist als unsere Gemeinde und Pfarrei?

Liebe Leserinnen und Leser!

Das sind bohrende Fragen in schwierigen Kirchenzeiten. So wichtig Finanzen und Strukturen in der Kirche sein mögen, viel entscheidender aber sind die Antworten auf solcherart Fragen. Was nutzen uns denn Gebäude und Strukturen, wenn kein Mensch mehr nach Gott fragt? Darum möchte ich Sie dazu ermutigen und einladen, unseren Weg der inneren Auseinandersetzung und des Gesprächs weiterzugehen, wenn wir in den nächsten Monaten nach konkreten Handlungsschritten zu den verbindlichen “Grundsätzen für die Ausrichtung der Pastoral” suchen.

Abschiede sind stets Übergänge zu etwas Neuem. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Kirche neu werden kann und muss – durch entschiedene Menschen, die vom christlichen Glauben erfüllt sind. Sie strahlen aus, haben etwas zu sagen und wecken bei anderen eine Ahnung von der alles verändernden österlichen Botschaft der Hoffnung. In der Konsequenz dessen feiern sie Gottesdienste, die berühren können. Bei ihnen finden Menschen eine Botschaft, die ihnen weiterhilft und ihre Seelen nährt.

So wollen wir versuchen, miteinander auf dem Weg Jesu als Kirche von Fulda neu zu werden. Lassen Sie uns Kirche sein für die Menschen, die zwischen Bad Karlshafen und Frankfurt, zwischen Marburg und Fulda in ihrer ganzen Vielfalt leben. Gehen wir auf die Suche nach Gott, der nicht in weiter Ferne thront, sondern im Kreuz und in der Auferstehung Jesu Christi uns seine Nähe und eine Lebensperspektive öffnet.

Im Vertrauen auf Gottes Geleit dürfen wir uns gemeinsam auf den Weg machen. Auch wenn dieser Weg steinig sein wird.

 

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