Predigt auf Leinwand

Zum Tod von Monsignore Sieger Köder

Hl. Pfarrer von ArsQuelle

Der Maler und Pfarrer Sieger Köder † : Bibel-Pfadfinder mit Form und Farbe

Vogelscheuchen malt er am liebsten – privat. Doch dazu kommt Sieger Köder, der am 3. Januar 85 Jahre alt wurde, selten. Der Pfarrer und Maler aus Ellwangen auf der Schwäbischen Ostalb gibt geistlich-künstlerischen Aufträgen den Vorzug. Er predigt mit Bildern, wie er selbst sagt. Propheten und biblische Szenen, Rosen als Zeichen der Ewigkeit und Clowns als Inbegriff des unbeirrt glaubenden Menschen kommen in Sieger Köders leuchtend farbigen Bildern, Kirchenfenstern, Altartafeln und Plastiken vor. Biblischen Gehalt hat für ihn selbst sein Favoritenmotiv: “Im Innern einer jeden Vogelscheuche steht ein Kreuz – sonst gäbe es sie nicht”, begründete Köder einmal seine Vorliebe für die stummen Ernteverteidiger.*

Die Werke des weisshaarigen Meisters, der ob der Farbigkeit seiner Bilder auch als “schwäbischer Chagall” bezeichnet wird, finden sich in allen Gegenden Deutschlands, aber auch in Rom und in Paris. Knapp wie es knapper nicht geht, stellt sich Köder vor: “Ich bin Schwabe, ich bin Pfarrer, ich male Bilder.” Erst im Alter von 40 Jahren, in dem bekanntlich die Schwaben erst gescheit werden, begann der knorrige Ostälbler mit dem Studium der Theologie und liess sich 1971 zum Priester weihen. Davor lehrte er Kunst und Englisch an einem Gymnasium. Spass habe ihm das gemacht, “aber die Theologie hat mich halt auch interessiert”. 20 Jahre Pfarrer am selben Ort, in den Ostalb-Dörfern Rosenberg und Hohenberg, schaffte Köder dort – heute tut er es in der Stadt Ellwangen – unermüdlich an seinen Werken.

Als sein bekanntestes Bild gilt das “Mahl mit den Sündern”, das im Jesuitenhaus San Pastore bei Rom hängt: Zwei offene Hände mit Wundmalen bieten einer bunt gemischten Runde Brot an; ein verkrüppelter schwarzer Mann sitzt am Tisch, eine Prostituierte, aber auch eine reiche Frau, ein Narr – die ganze Welt beim Mahl mit dem Heiland. Dieses Bild mit dem Ewigkeits-, Schönheits- und Lebenssymbol der Rose in der Tischmitte gilt als Markenzeichen für Köders Malerei und für seine Theologie.



Als kleinen Propheten, “der halt nicht sprechen kann, sondern malen”, bezeichnet sich der Künstler. Halt, den Begriff “Künstler” lehnt der an der Stuttgarter Kunstakademie ausgebildete Jubilar für sich ab. “Maler und Pfarrer” bevorzugt er als Berufsbezeichnung. Nie hat jemand SK, so zeichnet Köder seine Werke, grosse oder eitel-elitäre Worte machen hören. Das Zweite Vatikanische Konzil und die Gestalt Papst Johannes XXIII. gaben dem Spätberufenen vor 30 Jahren den letzten Anstoss zu Theologiestudium und Priestertum.



Die Rose ist gewissermassen Köders Visitenkarte. Die Blume, die selbst in gebrochenem Zustand noch schön ist und den Meister zu der Vorstellung verleitet, dass man ihre Blätter immer weiter und weiter pflücken könne. “Das ist für mich ein Symbol für die Ewigkeit.” Oder eben die Vogelscheuche. Seine Kirchengemeinde schenkte ihm 1985 eine. Köder hängte sie in seinem Kirschbaum auf und beobachtete, wie sie mit den Jahren vom Wind zerfleddert wurde und ihr Gerüst preisgab. Da sei ihm der Gedanke gekommen, dass Jesus so am Kreuz gehangen sein musste. “Dieses Bild kam mir immer wieder; für mich ist das Golgotha.”

Die Werke Köders, dem der Papst 1985 den Titel Monsignore verlieh, sind gefragt. Von seiner Bibel, die er 1992 schuf, wurden Zehntausende verkauft, wie seine Verlagsleute versichern. Alle bisher verkauften Exemplare der Köder-Bibel mit ihren 107 Bildern aufeinander gestapelt würden den 161 Meter hohen Turm des Ulmer Münsters deutlich übersteigen. Rund 50 Kirchen gestaltete der Künstler seit 1953, mehr als 60 Bücher und Bände sind von ihm erschienen, viele hundert Gemälde entstanden.

Einen knitzen Humor beweist der Ostälbler im Gespräch und in seinen Bildern. Zuletzt schuf er ein Deckengemälde für die St. Clemens-Kirche in Primisweiler bei Wangen im Allgäu. Und das kam so: Ein Freund von ihm meinte, dort müsse unbedingt ein echter Köder rein. Und Köder kam. Vier auf drei Meter misst das Gemälde. Es zeigt ein Schiff, dessen Segel Papst Clemens, der zweite in der Reihe der Päpste, mit ganzer Kraft hält. Mit an Bord weitere Päpste, Mutter Teresa, ein afrikanische Mutter mit Kind – und jener Impuls gebende Freund, ein inzwischen verstorbener Mitbruder im Pfarrdienst. Die unter Hälfte des ovalen Bildes zeigt Kirchen aus verschiedenen Epochen: römische Katakomben, die Kirche San Clemente in Rom, den Petersdom – und die Kirche St. Clemens des Dörfchens Primisweiler.

So gewinnt Sieger Köder mit seinen handfesten Motiven voller Geschichte und Geschichten – am besten bei den Kindern in der Schule. “Je höher die akademischen Grade sind, desto weniger komme ich an.” Er predige eben mit Bildern. So habe er schon mal eine Predigt gehalten mit Hilfe eines Bildmotivs, das er zwar schon im Kopf, aber noch nicht auf Leinwand hatte. “Mir geht es nicht darum, mich als Künstler zu verwirklichen, sondern als Priester den Menschen die Bibel und den Glauben zu erschliessen.” Diese Botschaft hat auch Bischof Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg getroffen. Ihm haben es besonders jene Köder-Werke angetan, “in denen Gott den Menschen buchstäblich den Kopf verdreht”.

Bild und Text: Uwe Renz

* Sieger Köder verstarb am 9. Februar 2015.

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