“Die Ehe ist die Verbindung von Mann und Frau”
Der Urner Pfarrer, der ein Lesbenpaar gesegnet hat, soll in sein Heimatbistum Freiburg versetzt werden
Sonntags-Zeitung, 15. Februar 2015
Jetzt äussert sich der Freiburger Bischof Charles Morerod zum Fall
Herr Bischof, Pfarrer Wendelin Bucheli hat ein Lesbenpaar gesegnet und muss seine Pfarrei verlassen. Sie haben erklärt, dass Sie diese Sanktion verstehen. Heisst das, dass sie die konservativen Ansichten des Churer Bischofs, der das entschieden hat, teilen?
Ich habe gesagt, dass ich nicht weiss, ob ich anders hätte reagieren können. Es gibt Dinge, die nicht vom örtlich zuständigen Bischof abhängen: Die Ehe in der katholischen Kirche ist die Verbindung von Mann und Frau. Es ist nicht an einem Pfarrer oder einem Bischof, das infrage zu stellen. Sie wissen vielleicht, dass die Opposition des Erzbischofes von Buenos Aires, der inzwischen Papst ist, ernsthafte Spannungen mit der Regierung Kirchner ausgelöst hat. Trotzdem schliesst man daraus nicht, dass Franziskus ein schrecklicher Konservativer ist.
Im Fall Bürglen im Kanton Uri handelt es sich aber nicht um eine Trauung, sondern um eine Segnung.
Ja, aber was ich gehört habe und bisher noch nicht überprüfen konnte, ist, dass Pfarrer Bucheli diese Segnung zunächst in der Liste “Heiraten” publiziert hat.
Glauben Sie wie der Churer Bischof Vitus Huonder, dass die homosexuelle Liebe eine Sünde ist.
Wenn man die Texte der Bibel betrachtet, geht das tatsächlich daraus hervor. Wie man nun diese Schriften interpretieren muss, kann man nicht kurz beantworten. Das ist eines von vielen Themen, die an der Bischofssynode im Herbst diskutiert werden.
Man segnet Tiere, Fahrzeuge, Waffen. Verstehen Sie, dass die Leute schockiert sind, dass sich die Kirche weigert, zwei gleichgeschlechtliche Personen zu segnen, die sich lieben.
Ja, das verstehe ich. Das möchte ich vorausschicken. Man segnet Homosexuelle als einzelne Personen. Es gibt hier einfach das spezifische Problem, dass der Eindruck entsteht, dass es sich um eine Eheschliessung handelt. Es gibt eine Zweideutigkeit, die man vermeiden muss.
30 000 Personen haben eine Onlinepetition unterzeichnet zur Unterstützung von Pfarrer Bucheli. In seinem Dorf herrscht eine überwältigende Solidarität. Sollte ein Pfarrer, der Erfolg hat, nicht Vorrang haben vor allem anderen?
Ich weiss, dass Pfarrer Bucheli sehr geschätzt ist, das war er schon während seiner Zeit in Freiburg. Und ich zweifle nicht daran, dass er ein guter Pfarrer ist. Aber ein Priester muss sich auch gewisser Gesten enthalten, die dazu beitragen, ihn auf etwas übereilte Weise populär zu machen. Es ist klar, wenn man in den Medien gut dastehen will, muss man in dieser Weise handeln, weil man dann als mutig dargestellt wird. Ich glaube aber nicht, dass dies sein primäres Ziel war.
Stellen Sie Bedingungen für die Rückkehr von Pfarrer Bucheli in Ihr Bistum?
Wenn er zurückkommt, um aus seiner Kirche ein Zentrum für die Segnung von homosexuellen Paaren zu machen, wird das ein Problem sein. Das muss ich ihm sagen.
Einige beschreiben Sie als einen Konservativen hinter einer harmlosen Fassade. Erkennen Sie sich darin wieder?
Es ist schwierig, wenn man den Leuten ein Etikett aufklebt, das sie festlegt. Ich habe zum Beispiel meinen Wunsch nicht verborgen, dass die Kirche ein Gebäude für Asylsuchende zur Verfügung stellt. Diese Position wurde von einigen kritisiert, die mir vorwarfen, zu links zu sein.
Aber diese Erklärung bringt Sie in Ihrer Kirche nicht in eine schwierige Situation.
Ich habe akzeptiert, Bischof zu werden, weil ich das glaube, was die Kirche glaubt. Sonst wäre das unehrlich gewesen. Oder ich hätte sagen müssen: “Wählen Sie nicht mich, weil ich mit diesem und jenem Punkt nicht einverstanden bin.”
Werden Sie am “Marsch für das Leben”, einer Kundgebung der Abtreibungsgegner im September, teilnehmen?
Nein. Ich war eingeladen, aber weil ich eine Konfirmation an diesem Tag habe, werde ich nicht teilnehmen können.
Die Entlassung von zwei Mitarbeitern des Generalsekretariats der Bischofskonferenz hat empörte Reaktionen hervorgerufen. Sie haben zwei Wochen Zeit zu packen. Haben sich Bischöfe in gnadenlose Vorgesetzte gewandelt?
Anders als behauptet wurde, haben wir diesen Mitarbeitern nicht zwei Wochen Zeit gelassen, sondern sechs Monate. Wir haben klargemacht, dass sie früher gehen können, wenn sie eine andere Stelle finden. Der Entscheid, diese beiden Mitarbeiter zu entlassen, ist das Resultat einer Analyse des Sekretariatsbetriebs, die Professor Bürki von der Universität Freiburg durchgeführt hat. Er hat festgestellt, dass die Bischofskonferenz wenig bekannt ist, vor allem in der Romandie und im Tessin. Wir brauchen eine französischsprachige Person, die eine Marketing-Ausbildung hat. All das unter dem Blickwinkel der politischen Haltung von Simon Spengler (Sprecher und Sekretär der Medienkommission, Anm. d. Red.) zu betrachten, ist etwas limitiert.
Sind Sie einverstanden mit der von Simon Spengler vertretenen Linie der Transparenz?
Transparenz ist absolut notwendig. Aber wir haben uns die Frage gestellt, welche Rolle eine Kommunikationsstelle hat: Besteht sie darin, auf Distanz zu gehen zu bestimmten Handlungen der Bischöfe, wie das ein Journalist tun würde, was Spengler früher war?
Aber Leute so zu entlassen ist doch nicht sehr christlich.
Wir haben die Stärken und Schwächen dieses Sekretariats evaluiert, wir mussten gemäss unseren Erkenntnissen handeln. Das ist ein Problem, das wir in der Kirche manchmal haben. Weil man gut und lieb sein will, belässt man Personen an Stellen, wo sie nicht sein sollten. Simon Spengler ist anerkanntermassen kompetent. Aber etwas fehlte in seinem Profil.
Muss sich die Kirche verändern, um sich der aktuellen Gesellschaft anzunähern?
Das musste sie stets tun, in einem gewissen Mass. Im 18. Jahrhundert kehrte Aristoteles in die Kultur zurück. Das hat zu tiefgreifenden Veränderungen in der Theologie geführt, ohne dass dies den Glauben fundamental modifiziert hat. Wir befinden uns in einer ähnlichen Situation. Aber es braucht Zeit, um zu verstehen, wie man diese Veränderungen vornimmt.
Könnte das, unter anderem, auch beinhalten, dass sich zwei gleichgeschlechtliche Menschen vor Gott vereinen?
Es geht nicht darum, allen modischen Ideen zu folgen. In den USA gibt es eine Vielzahl von christlichen Kirchen. Man kann beobachten, dass jene, die sich der gesellschaftlichen Entwicklung weitgehend anpassen, verschwinden. Und schliesslich, wenn ich in der Kirche nur mich selber und meine eigenen Ideen wiederfinde, kann ich genauso gut zu Hause bleiben.
In der Kirche sucht man auch einen Anderen.
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