“Medien gehen mit Pegida indiskutabel um”

‘Schleichender Vertrauensverlust in die Medien’

Christus-im-Sturm-auf-dem-See-Genezareth-von-Rembrandt-van-Rijn-14127Die Tagespost, 21. Januar 2015

Von Oliver Maksan

Der Medienwissenschaftler Hans Mathias Kepplinger von der Universität Mainz meint, führende Journalisten stehen links von weiten Teilen der Bevölkerung.

Herr Professor Kepplinger, im Umfeld von Pegida-Demonstrationen taucht immer wieder der Ausdruck “Lügenpresse” auf den Plakaten auf. Kürzlich wurde er zum Unwort des Jahres gekürt. Ist dieser Vorwurf gegen die Mainstream-Medien begründet?

Der Vorwurf ist sachlich falsch, verweist aber auf ein ernstes Problem. Wir erleben in Deutschland seit den siebziger Jahren einen schleichenden Vertrauensverlust in die Medien. Schon damals ist innerhalb von 15 Jahren der Anteil der Menschen, die der Überzeugung sind, dass das Fernsehen “wahrheitsgetreu“ berichtet, von 56 auf 20 Prozent zurückgegangen. Der Anteil der Menschen, die glauben, dass die Zeitungen dazu beitragen, dass “man die Sorgen und Probleme anderer Menschen kennenlernt“, ist im gleichen Zeitraum von 43 Prozent auf 36 Prozent gesunken. Dieser generelle Trend hat sich fortgesetzt, beschleunigt durch das Internet. Damit verbunden ist das Gefühl, die Medien seien zu mächtig. So stimmen 55 Prozent der Bevölkerung der These zu, “Journalisten (sind) mächtiger als Politiker”. Das sehen die Bundestagsabgeordneten und die Hauptstadtkorrespondenten ähnlich. Dazu passt die Beobachtung, dass die deutschen Medien in den letzten Jahren zwei Bundespräsidenten und zwei katholische Bischöfe aus dem Amt gekippt haben. Hinzu kommt bei vielen Menschen das Gefühl, dass ein Teil der Medien Kampagnen- und Sensationsjournalismus betreibt.

Was meinen Sie damit?

In den vergangenen Jahren sind auch Qualitätsmedien diesen Weg gegangen, zum Beispiel die FAZ. Unter dem verstorbenen Herausgeber Schirrmacher hat das Feuilleton des Blattes den Spiegel als effektivsten Skandalisierer abgelöst – angefangen bei den Antisemitismusvorwürfen gegen Martin Walser, über die ähnlich gelagerte Verdächtigung von Thilo Sarrazin bis zu den gezielten Charakterdemontagen von Bundespräsident Wulff und Bischof Tebartz-van Elst. Nehmen Sie als Beispiel die Causa Wulff. Die Mehrheit der Bevölkerung ist den Medien in den beiden ersten Wochen nicht gefolgt. Erst nachdem sie hunderten verdächtigenden Berichten in Presse, Hörfunk und Fernsehen ausgesetzt war, ist sie nach etwa drei Wochen auf deren Linie eingeschwenkt. Und später musste sie feststellen, dass der zentrale Vorwurf, der seinen Rücktritt auslöste, vor Gericht keinen Bestand hatte. Das sind urteilsbildende Erlebnisse, die bei Teilen der Bevölkerung den Eindruck erwecken, es gäbe mediale Kampagnen. So zerstört man Vertrauen. Das gilt in ähnlicher Weise für die Berichte über den angeblichen “Protzbischof” Tebartz-van Elst, in der man unschwer eine Kampagne zur Vernichtung seiner Existenz als Bischof erkennt.

Die Pegida-Demonstranten werfen der Presse mit dem Wort “Lügenpresse” ja vor, sie würden wissentlich unwahr über die Bewegung und ihre Ziele berichten, aber auch grundsätzliche Missstände im Land verschweigen. Gibt es dafür Belege?

Die Berichterstattung der meisten Medien über Pegida war von Beginn an journalistisch indiskutabel. Nahezu kein Medium setzte sich seriös mit den Argumenten und Forderungen auseinander. Verweigert wurde das mit dem Hinweis, dass die Ängste der Pegida-Anhänger unbegründet und diffus seien. Das trifft vermutlich weitgehend zu. Mit dem gleichen Argument könnte man aber auch die Ängste vor BSE, der Vogelgrippe und der Kernkraft diskreditieren und mit einem Tabu belegen. Diese Diskussionsverweigerung ist eine der Ursachen, warum die Bewegung immer mehr Zulauf erhält. Nur so können die – zu Recht oder zu Unrecht – Verängstigten ihre Sorgen artikulieren.

Aber andererseits haben bislang die Pegida-Organisatoren und viele Anhänger ihrerseits Interviews abgelehnt. Damit macht man es der Presse ja auch nicht leicht, ihre Arbeit zu tun.

Ja, das stimmt. Aber das geschieht vor allem, weil die Pegida-Anhänger mit verschiedenen Medien schlechte Erfahrungen gemacht haben. Es wäre die Aufgabe der Leitmedien, den Ängsten und Forderungen der Menschen mit Fakten zu begegnen und nicht mit ihrer Ausgrenzung. Uns fehlt eine offene Diskussion der Fragen, die weite Teile der deutschen Bevölkerung bewegen.

Aber woran liegt das? Weil die meinungsmachenden Journalisten links von weiten Teilen der Bevölkerung stehen und beispielsweise keine einwanderungskritische Diskussion wollen?

Das hat zweifellos damit zu tun. Umfragen unter Journalisten belegen, dass linke Positionen bei ihnen wesentlich stärker vertreten sind als bei der sonstigen Bevölkerung. Das ist aber nicht der einzige und vielleicht nicht der entscheidende Grund. Hinzu kommt die extreme Koorientierung im Journalismus – die Orientierung an dem, was die Kollegen denken und die Konkurrenz präsentiert. Hinzu kommt ferner eine rechthaberische Abschottung gegen Kritik von aussen. Thilo Sarrazin hat beispielsweise in seinem Buch “Der neue Tugendterror” auf über siebzig Seiten dokumentiert, wie ihm unter anderem in Rezensionen seines Buches “Deutschland schafft sich ab” das Wort im Munde herumgedreht wurde. Diese substanzielle Kritik an den Medien wurde in keiner Besprechung seines neuen Buches seriös diskutiert, sondern, wenn sie überhaupt erwähnt wurde, als “Medienschelte” abgetan. Ähnlich verhält es sich mit der Kritik an den Medien in den Büchern von Christian Wulff und Susanne Gaschke über ihre Skandalisierung. Die Medien sind nicht bereit, ihre eigenen Fehler öffentlich zu diskutieren. Das führt zu einer weit überzogenen Kritik an der Presse, die natürlich keine Lügenpresse ist.

Manche ehemalige Mainstream-Journalisten wie der frühere FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte gehen noch weiter und behaupten, führende Journalisten seien von der Wirtschaft oder der Politik gekauft. Sein Buch “Gekaufte Journalisten” steht seit Wochen oben auf der Spiegel-Bestsellerliste. Sind unsere Medien käuflich?

Ich halte das Buch nicht für überzeugend. Ulfkotte präsentiert für seine sehr weitgehenden Manipulationsvorwürfe völlig unzureichende Belege. Solche Vorwürfe dürfte er nur dann erheben, wenn er substanzielle Beweise – etwa anhand von konkreten Berichten – hätte. Der Erfolg des Buches belegt aber das weit verbreitete Misstrauen gegenüber den Medien, von dem wir eingangs gesprochen haben.

Welche Rolle hätten den Medien idealerweise in der demokratischen Gesellschaft?

Sie sollten die wichtigen Probleme ernsthaft und für alle Argumente offen diskutieren und sich nicht a priori auf eine Seite schlagen. Man kann nicht, wie es in den letzten Jahren geschehen ist, so tun, als ob es in Deutschland keine Probleme mit dem Islam und der Einwanderung gäbe, zugleich aber in den Nachrichten – aufgrund der Ereignislage durchaus zu Recht – genau diesen Eindruck verbreiten. Diesen vielleicht nur scheinbaren Widerspruch nehmen ihnen die Menschen irgendwann nicht mehr ab. Die Medien können nur dann Anker der demokratischen Meinungsbildung bleiben, wenn sie ihre Arbeit seriös, offen und unaufgeregt machen und dabei auch ihre eigene Rolle reflektieren. Vor allem die grossen Medien haben eine enorme Leistungskraft, was Recherche und Analyse anlangt. Sie sind für eine demokratische Gesellschaft unverzichtbar. Niemand kann das ersetzen, was sie für die Gesellschaft leisten. Man kann deshalb nur hoffen, dass die Medien sich auf ihre eigentliche Rolle besinnen, seriös Informationen zu liefern und Argumente zu wägen. Sie müssen damit aufhören, auf Gesinnung und Sensation zu setzen.

Der Chef des deutschen Zeitungsverlegerverbandes Heinen hat jetzt Pegida und die Pariser Terroristen kurzgeschlossen. In einer vom Verband veröffentlichten Karikatur sagen die “Charlie-Hebdo”-Attentäter mit Blick auf die Pegida-Leute, die “Lügenpresse”-Plakate in Händen halten, dass sie etwas täten, während die Pegida-Leute nur redeten. Infam oder den Nagel auf den Kopf getroffen?

Heinen bestätigt damit im Grunde die übelsten Befürchtungen von Pegida. Ein Offenbarungseid.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel

  • Asien/Syrien

    Letzter in Homs lebender Christ ermordet, Jesuitenkloster beschädigt Homs, Fidesdienst, 31. Oktober 2012 Der letzte […]

  • Solarstrom und Frieden

    Umweltschutz aus Vatikansicht: Solarstrom und Frieden Der Vatikan befürwortet einen Ausbau der Solarstrom-Technologie in Afrika […]

  • Der Herr der Welt UPDATE

    Der Klassiker unter den christlichen “Endzeit-Romanen”! Ungekürzte gebundene Ausgabe 2014 Gebundene Ausgabe 1990 Gebundene Ausgabe […]

  • Ostern 2021 – Vatikan stellt Programm vor

    Vatikan stellt Programm vor: So begeht Papst Franziskus die Karwoche 2021 Quelle Vatikan Heilige Woche […]

  • Herzstück der Verkündigung

    Die Vertiefung der Lehre über Ehe und Familie ist das bleibende Vermächtnis von Papst Johannes […]