Kann unsere Ehe noch gerettet werden?

Antwort von P. Ivan Fuček SJ, Professor im Ruhestand an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom

Mann und Frau: KBWN

Rom, 5. Januar 2015, zenit.org, P. Ivan Fuček SJ

Es sieht so aus, dass uns eine Ehescheidung bevorsteht, genau wie es auch andere tun. Wir heirateten vor fünf Jahren. Wir haben eine schöne Wohnung und jeder von uns sein Auto. Wir arbeiten beide. Unser Kind, ein Junge, ist wunderbar, aber er zeigt einige besorgniserregende Symptome: er reagiert auf den kleinsten Lärm, er fürchtet sich vor der Dunkelheit und Ähnlichem. Er ist erst neun Monate alt. Die Geburt war schwierig. Mein Ehemann möchte noch weitere Kinder haben, ich aber nicht.Wir streiten oft. Wir machen uns gegenseitig Vorwürfe: wegen der Eltern – ich kann seine Eltern nicht leiden, und er die meinen nicht. Ich werfe ihm andere Beziehungen vor, und auch er wirft mir in Eifersucht andere Beziehungen vor, die ich nicht habe.

Vor der Ehe liebten wir uns sehr. Jetzt sind wir zueinander kalt, in manchen Augenblicken bis zum Hass. Können wir das alles vermeiden? Kann unsere Ehe noch gerettet werden?

Andrea

*

Leider, meine Dame, sind in der heutigen Zeit viele Ehen in eine solche Situation geraten. Sie sind nur ein Fall unter vielen. Und ist nicht gerade Ihre Ehe das größte Geschenk, das Sie haben? Das Ehesakrament birgt in sich Unauflöslichkeit. Sie können nicht mehr zurück. Die Ehe ist der Imperativ Ihres irdischen Glücks, des Lebens eines Menschen, der würdig und ein vollwertiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft ist. Und deshalb muss man alles unternehmen, damit die Ehe bestehen bleibt, und dass sie sich zu einer wahren Familienliturgie entfaltet, in der Mann und die Frau nicht allein sind, denn Sie haben bereits Konzelebranten neben sich: Kinder. Traurige Ruinen entstehen dann, wenn jeder vom Egoismus geführt wird und nur für sich selbst lebt, und nicht für den anderen und gemeinsam für gemeinsame Kinder sorgt.

In wenigen Jahren haben Sie viel geschafft, aber häufige Streitereien… Gehören nicht zur Vollständigkeit der Ehe auch verschiedene Schwierigkeiten, Missverständnisse und Krisen? Die Lösung liegt nicht in der Scheidung, in der Flucht, in Eifersucht, im Hass, in der Kälte, in der Interessenlosigkeit füreinander. Die Krisen müssen bewältigt und Schwierigkeiten in einem ruhigen Dialog gelöst werden. Nach stürmischen Tagen kommen heitere! Das Leben bringt mit sich Kreuz, besser gesagt, wir sind der Grund des Kreuzes und des Leidens. Aber wenn Sie auf die Gnade, die aus dem Ehesakrament fließt, hoffen, wird sich Ihr Kreuz zur Quelle des Heils und der Heiligung verwandeln.

Aus Ihrer Liebe ist ein Kind auf die Welt gekommen, obwohl vielleicht etwas spät. Das bedeutet einen Segen Gottes, Freude Ihrer Liebe, Verbindung, die Sie eint. Selbstverständlich bedeutet es auch Sorge, aber eine liebe Sorge. Dafür haben Sie einander geheiratet. Die Eltern müssen nicht nur Kinder gebären, sondern sie auch erziehen. Ihr Sohn darf nicht ein Einzelkind bleiben. Sein Leben würde sich schnell mit Komplexen anfüllen. Er würde das Schicksal vieler Einzelkinder teilen, die modernste Wohnungen bewohnen, sich aber darin allein und einsam fühlen, während die Eltern arbeiten und keine Zeit für das Kind haben. Die Wände können aus Gold sein, aber das Kind fühlt sich drin verlassen, entfremdet, und wenn es das Vorjugendalter (vom 12. bis 14. Lebensjahr) und besonders das Jugendalter (ab dem 14. Lebensjahr) erreicht, flieht es von zu Hause, sucht nach Drogen, Sex, und das alles wegen Entfremdung, weil es einsam ist und keine guten Kontakte zu den Eltern hat (die Eltern haben keine Zeit für ihn).

Ihr Junge dürfte die Streitereien der Eltern nicht mitbekommen: das könnte zu schweren Traumen führen, sogar vor dem fünften Lebensjahr. Ihr ganzes Benehmen hinterlässt Spuren am Kind. Wenn das Kind bereits jetzt solche Symptome, wie Zucken und Angst zeigt, könnte dies nicht die Folge von dem einen oder dem anderen scharfen Wort oder erhöhtem Ton sein, von etwas, was die Psyche des Kindes aufgenommen hat? Von Geburt bis zum fünften Lebendjahr entstehen gute oder verkommene Menschen, sagen Fachleute, und das alles wegen des Vorgehens der Eltern und der Umgebung! Diese Ablagerungen bestimmen das spätere Leben.

Warum streiten Sie? Weil Sie die Grundlektion nicht gelernt haben, damit die Ehe fest und glücklich werde: Sie haben nicht gelernt, sich zusammenzunehmen. Vieles in der Ehe, wie auch im Übrigen Leben, muss man verschweigen, auf die Zunge beißen, als hätte man nichts gesehen, nichts gehört. In vielen Fällen muss man auf seinen Stolz und seinen Egoismus verzichten. In keinem Fall dürfte man so reagieren, dass der Ehepartner traurig gestimmt wird. Das erfordert die eheliche Gemeinschaft: nur so kann sie bewahrt werden, nur so kann sie sich entfalten. Die rechte positive Erfahrung sagt uns, dass eine Ehe wunderbar sein kann, wenn die Ehepartner es verstehen, auf Rechthaberei zu verzichten, sich selbst zu verleugnen, sich zusammenzunehmen in Freude – indem sie einander verzeihen – und so zusammen weitergehen.

Es gibt unter Ihnen Dinge, die man bis auf den Grund anschauen und zu lösen muss versuchen, in gegenseitiger Liebe und im gegenseitigen Verständnis. Vor allem muss den Eltern gegenüber eine neue Haltung eingenommen werden, wenn die bisherige aus irgendeinem Grund negativ war. Das Evangelium lehrt uns, zu vergeben, selbst unseren Feinden. Aber nicht nur abstrakt vergeben, sondern konkret und positiv zeigen, dass wir die Eltern liebhaben und dass sie uns nahe stehen, besonders die Eltern des Ehepartners. Wenn die Feindschaften weiter andauern, wenn die Vorwürfe zum täglichen Brot werden, und wenn die Kinder unangemessene Ausdrücke und Fluch hören, was wird aus ihrer Erziehung werden? Und was wird aus Ihrer ehelichen Einheit werden, wenn die Probleme nicht gelöst werden? In diesen Dingen wird es notwendig sein, sich zu überwinden, sich zu übertreffen, nach den Worten des Evangeliums: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Mt 5, 39)!

Mit anderen Worten, zwischen Ihnen und den Eltern sollen Friede, Freude, Verständnis und alles, was sich auf den Geist des Evangeliums, auf eine frische und christliche Art des Miteinanders bezieht, herrschen. Es handelt sich um Selbstbeherrschung, um großzügige Vergebung, es handelt sich darum, dass Sie die unangenehme Seite des Lebens umblättern und verschwinden lassen und etwas Neues, Christliches, Göttliches beginnen. Nur ein solches Vorgehen in allen Bereichen, wo Sie sich nicht einig sind, wo die Probleme entstehen und nicht entstehen dürften, wird Ihnen beiden eine Lösung bringen.

Sie werfen einander „andere Beziehungen“ vor. Es handelt sich also um andere konkrete Personen, um konkrete unordentliche Verhaltensweisen diesen Personen gegenüber, beziehungsweise um ein falsches Verhalten dem Ehepartner gegenüber wegen dieser Personen. Es ist klar, dass es so etwas nicht geben darf, denn das verdirbt Ihre Ehe in ihrer Wurzel. Es ist auch klar, dass jede Gelegenheit, die Anlass für Zweifel und Eifersucht bietet und die begründet sein könnte, beseitigt werden muss. Ein Feingefühl des einen zum anderen soll Ihre Kompassnadel sein, die ständig zeigt, wie man sich anderen Personen am Arbeitsplatz oder denen, die in die Wohnung kommen, oder denen, die man sonst trifft, gegenüber verhalten muss.

Wenn dieses Feingefühl nicht ausreichend sein sollte, soll man das gesunde Urteil von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des bestimmten Verhaltens anderer Personen, die unparteiisch urteilen, annehmen. Es besteht immer die Gefahr, dass die Gefühle sich verirren und zu einer Person hinfliegen, mit der man Tage, Wochen oder Jahre lang am gleichen Arbeitsplatz zusammen arbeitet, die anziehende Qualitäten besitzen kann, die größer sind als diejenigen des Ehepartners, die dann als trennender Faktor auf die Ehepartner wirken können. Auf diese Weise zerbrechen viele Ehen. Es besteht die Gefahr, wenn die Ehepartner nicht rechtzeitig ihre Gefühle richtig steuern, dass sie affektiv unreif den Weg der Untreue gehen. Da es sich hier um einen sehr empfindlichen Bereich handelt, dürfen keine Schatten erlaubt werden, auch wenn viel Verzicht erforderlich sein sollte.

„Früher liebten wir uns sehr.“ Nun, es ist erforderlich, diese Liebe zu erneuern, nicht nur oberflächlich, sondern so, dass man radikal einander annimmt. Sich so verhalten, dass man einander zur Freude wird, dass sich jeder freut, vom Arbeitsplatz nach Hause zurückzukommen. Man muss einander unterstützen, erfreuen, einander helfen, sein Lebenskreuz zu tragen, einander in allem verstehen. Sich über jeden Erfolg des anderen freuen, im Leiden miteinander fühlen und trauern. Auf diese Weise wird es kein Problem sein, mit einander lange zu reden über alles – als Freunde, die sich verstehen. Sie werden lernen, einander zuzuhören und Lösungen der Probleme zu suchen. Bis jetzt haben Sie nicht gelernt, einander ruhig zuzuhören, zu versuchen, sich in den anderen hineinzuversetzen und ihn zu verstehen.

Ihre Ehe und Ihre Familie sind christlich, und das müssen sie bleiben. Sie sollten nicht nur ab und zu in die hl. Messe gehen und Sakramente empfangen, sondern regelmäßig in die Messe gehen und oft die Sakramente empfangen. An dieser Quelle werden Sie Kraft und wahre Freude schöpfen. Und Familiengebet? Gelebtes Gebet mit der Bibel in der Hand, ganz spontan! Haben Sie eine solide Erneuerung des Geistes, der ehelichen Treue und Liebe gesucht, wie das andere tun? Mit etwas Mühe und etwas gutem Willen würde Ihr Ehe- und Familienleben eine ganz andere Farbe bekommen, eine andere Dimension, Schönheit und Anziehungskraft, und Sie könnten eine Verkündigung und ein Zeugnis für andere Eheleute sein. In jedem Fall, Gottes Plan mit Ihnen besteht nicht darin, dass Ihre Ehe zerstört, sondern dass sie zur Vollkommenheit geführt wird.

(Quelle: Ivan FUČEK, Moral-Geistliches Leben, Band Vier: Die voreheliche Liebe – Die eheliche Liebe, Split, 2005, Seiten 399-402)

Ivan Fuček ist Jesuitenpater, Professor im Ruhestand an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und Theologe an der Apostolischen Pönitentierie.

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