Fasnacht

“An der Fasnacht darf man über die Kirche scherzen. Aber nicht in der Messe”

Sonntag, 6. Februar 2011 / Nr. 6 Zentralschweiz am Sonntag

Pascal Imbach sprach mit Giuseppe Gracia

Dieses Jahr wird der frisch gewählte Bischof von Basel, Felix Gmür, am Schmutzigen Donnerstag als Ehrengast der Zunft zu Safran an der Luzerner Fasnacht mitmischen. Letztes Jahr sorgte sein Amtskollege Vitus Huonder, Bischof von Chur, hingegen für Aufsehen, als er in den Medien die Narrenmesse in Schwyz kritisierte. Wie stehts denn nun mit der Fasnacht und der Kirche? Wir haben einen gefragt, der es wissen muss: Giuseppe Gracia.

Der 43-Jährige ist Medien- und Kommunikationsverantwortlicher des Bistums Chur, somit Bischofssprecher, und wirkte vorher jahrelang in gleicher Funktion im Bistum Basel.

Giuseppe Gracia, der Bischof von Basel scheint fasnächtlicher zu sein als der Bischof von Chur …

Giuseppe Gracia: Wie fasnächtlich die beiden Bischöfe sind, weiss ich nicht.
Aber Bischof Huonder ist eindeutig ein sehr humorvoller Mensch mit viel Lebensfreude. Er ist sogar ein witziger Typ. Ein Mittagessen oder ein Glas Wein mit ihm ist oft sehr unterhaltsam.

Wieso hat er dann die Schwyzer Narrenmesse kritisiert?

Gracia: Die Fasnacht war eigentlich gar nicht das Thema. Es geht Bischof Huonder viel mehr um die Begegnung des Menschen mit dem Göttlichen, dem Heiligen. Dieses muss geschützt werden, es soll heilig bleiben – im Gegensatz zum rein Weltlichen. Diese Trennung ist von zentraler Bedeutung, sonst verlieren wir etwas Lebenswichtiges.

Was meint er damit konkret?

Gracia: Wir glauben daran, dass der Mensch nicht nur die Welt braucht, sondern auch das Göttliche. Dafür braucht es Schutzräume des Heiligen und Ewigen, die man schützen muss – wie eben die Kirche. Ich erlebe es manchmal, dass man in der Kirche Sachen inszeniert, die auch die Welt draussen schon bietet. So wird aus einer Messe manchmal eine Aufführung von Gutmenschen, die es pädagogisch besonders wertvoll oder – wie an der Fasnacht – eben besonders lustig meinen. Um Gott geht es dabei nicht mehr, sondern nur noch um die Ideen dieser Leute. Sich an einer heiligen Messe zu maskieren, ist zum Beispiel etwas, was in diese Richtung geht.

Ist es denn so schlimm, an der Fasnacht maskiert in die Kirche zu gehen?

Gracia: Ja. Denn nach katholischem Glauben ist Jesus Christus an einer Messe real präsent, durch das gewandelte Brot. Er befindet sich also – wenn auch unsichtbar – mitten unter den Gläubigen. Wie kann man da das Bedürfnis haben, sich fasnächtlich zu maskieren, sich zu verstecken? Stellen Sie sich vor, Jesus Christus wäre sichtbar.
Da stelle ich mich doch nicht mit einer Maske vor ihn und verberge mein Gesicht, meine Identität vor ihm!

Wäre Jesus Christus an der Fasnacht, würde er Leute sehen, die als Nonne, Pfarrer oder Papst verkleidet durch die Gassen wanken – nicht selten mit Bier in der Hand, Zigarette im Mund und laut grölend …

Gracia: Ja, das gehört halt dazu. An der Fasnacht werden Kirchenvertreter genauso durch den Kakao gezogen wie Manager, Banker oder Politiker. Es ist doch gut, wenn Satire kritisch ist und nicht nur die billige Gaudi sucht. Ich kann auch über Kirchenwitze lachen. Über das “Bodenpersonal Gotte” darf man sich jederzeit lustig machen. Über den Glauben aber nicht!

Wo liegt da die Grenze?

Gracia: Da, wo man Menschen in ihrem Glauben verletzt. Für viele ist der Glaube etwas Persönliches, Lebenswichtiges. Er gibt Halt, hilft ihnen, mit Gott zu kommunizieren oder Probleme zu meistern. Darüber sollte sich niemand lustig machen, gerade wenn man für seine eigenen Überzeugungen auch Respekt erwartet. Kirchenwitze sind trotzdem okay. Oder wenn jemand an der Fasnacht als Papst herumläuft und über die Stränge schlägt: Warum verbieten? Primitiv wird es nur, wenn Fasnächtler ausschliesslich Klischees nachäffen, anstatt wirklich Humor zu haben.

Die närrischen Tage sind der Kirche also kein Dorn im Auge.

Gracia: Wenn daneben auch die Fastentage ihren Platz haben: überhaupt nicht. An der Fasnacht kommen Leute zusammen, Freunde treffen sich, Fremde lernen sich kennen, feiern gemeinsam, habens lustig. Das ist doch was ausgesprochen Gutes! Auch Jesus hat nicht nur gefastet, sondern auch gerne getrunken und gefeiert.

Zurück zu den Fasnachtsmessen. Gibt es da vom Bistum konkrete Weisungen oder Richtlinien im Zusammenhang mit eventuellen fasnächtlichen Konflikten?

Gracia: Mir sind keine offiziellen Richtlinien bekannt – wir setzen auf Einsicht. Die Verantwortlichen vor Ort wissen, was eine heilige Messe sein soll. Dass man sich während einer Eucharistiefeier nicht maskiert, dürfte für den Pfarrer selbstverständlich sein. Falls nötig macht er die Kirchgänger eben darauf aufmerksam.

Und wenn sich ein Pfarrer nicht daran hält, muss er dann mit einer bischöflichen Rüge rechnen?

Gracia: Wir würden bestimmt aktiv, wenn irgendwo etwas tatsächlich aus dem Ruder liefe. Aber wir würden dies nicht schriftlich tun, sondern das Gespräch suchen. Im Dialog können Missverständnisse oder Meinungsverschiedenheiten am besten ausgeräumt werden. Nicht nur in der Kirche übrigens.

Ist es denkbar, dass auch Bischof Vitus Huonder mal an die Fasnacht geht?

Gracia: Ich kenne seinen Terminkalender nicht im Detail. Aber ich werde ihn beim nächsten Glas Wein mal fragen.

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