Die Kirche als “Labor”
‘Papstbesuch im Zeichen der Versöhnung’
Reiseplan des Papstes
Ist Jesus Gott?
Noch leidet Sri Lanka unter dem Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilien – Papstbesuch im Zeichen der Versöhnung.
Von Guido Horst
Colombo, Die Tagespost, 11. Januar 2015
Die Aussichten sind gut, dass der heute beginnende Besuch von Papst Franziskus in Sri Lanka unter den Vorzeichen der nationalen Befriedung und Versöhnung stehen wird. Wochenlang hatte der Präsidentschaftswahlkampf leichte Schatten auf die gut zwei Tage geworfen, die das Oberhaupt der katholischen Kirche auf der Insel verbringt.
Zum ersten Mal wird dabei ein Papst den – vom langjährigen Bürgerkrieg besonders betroffenen – tamilischen Norden besuchen, wenn Franziskus morgen Nachmittag im Marienheiligtum Madhu einer Gebetsfeier vorsteht. 1995, als der Bürgerkrieg zwischen Tamilen und Singhalesen noch in vollem Gange war, hatte Johannes Paul II. seinen Pastoralbesuch auf einen Aufenthalt in der Hauptstadt Colombo beschränkt.
Doch in den letzten zwanzig Jahren hat sich die Lage gewandelt. Die Präsidentschaftswahlen sind am vergangenen Donnerstag mit einem klaren Sieger zu Ende gegangen. Überraschend hat sich der Kandidat der Opposition, der 63 Jahre alte Maithripala Sirisena, gegen den bisherigen Amtsinhaber Mahinda Rajapaksa (69) durchgesetzt und wird heute mit dem Papst seinen ersten Staatsgast begrüssen. Der Wahlverlierer gestand seine Niederlage ein und versprach eine reibungslose Übergabe der Macht. Wahlbeobachter sprachen von einem weitgehend geordneten Verlauf der Abstimmung und die katholischen Bischöfe begrüssten den Wahlausgang: Nun gebe es begründete Hoffnung auf einen Neuanfang, meinte Bischof Vianney Fernando von Kandy am Freitag gegenüber dem vatikanischen Pressedienst Fides. Einer Bischofsdelegation habe Sirisena vor der Wahl sein Regierungsprogramm erklärt, so der Bischof. Dieses sehe den Kampf gegen Korruption, eine intensivere Entwicklungspolitik und die Versöhnungsarbeit in dem ehemaligen Bürgerkriegsland vor.
Bedenken vor der Visite haben sich gelöst
Als Ende November im Land Wahlplakate auftauchten, die den nun abgelösten Rajapaksa zusammen mit Franziskus zeigten, warnten kirchliche Gruppierungen vor einer Instrumentalisierung des Papstbesuchs, manche empfahlen sogar einen Verzicht auf die Visite. Doch diese Bedenken haben sich aufgelöst, wenn Franziskus noch heute Nachmittag dem neuen Hausherrn im Präsidentenpalast einen Besuch abstatten wird.
Stattdessen geht es nun um die Aufarbeitung einer Vergangenheit, die mit dem Bürgerkrieg zwischen 1983 und 2009, mit Massakern der Armee im tamilischen Norden, mit Vergeltungsakten der Rebellen und mit einer anhaltenden Unterdrückung der Tamilen durch die singhalesische Mehrheit nicht nur Narben, sondern auch offene Wunden hinterlassen hat. Angesichst dieser Herausforderung kann die kleine Minderheit der katholischen Christen dennoch eine bedeutende Rolle spielen. Die katholische Kirche des Landes ist ein “Sri Lanka im Kleinen“: Von den 21 Millionen Einwohnern der Insel sind etwa siebzig Prozent Buddhisten – in der Regel die Singhalesen –, zwölf Prozent sind Hinduisten – und zumeist Tamilen –, zehn Prozent der Ceylonesen sind Muslime und acht Prozent grösstenteils katholische Christen. Ethnisch gesehen sind 75 Prozent der Einwohner Sri Lankas Singhalesen, fünfzehn Prozent Tamilen und zehn Prozent sind Moors, die sich weitgehend zum Islam bekennen. Die Besonderheit der katholischen Kirche ist die, dass sie Angehörige aller Ethnien in ihren Reihen hat. So besteht die Hauptstadtdiözese Colombo, wo Kardinal Malcolm Ranjith Erzbischof ist, zu zwei Dritteln aus Singhalesen und zu einem Drittel aus Tamilen. Was dann auch heisst, dass man nicht immer einer Meinung ist. Tamilische Geistliche im Norden wie Joseph Rayappu, Bischof von Mannar, treten seit Jahren für die Rechte der Tamilen ein und fordern eine internationale Untersuchung der Kriegsverbrechen.
Für Kardinal Ranjith ist das hingegen eine heikle Frage. Eine internationale Untersuchung der Kriegsverbrechen würde die Mehrheit der Singhalesen als “Kampagne christlicher Länder gegen Sri Lanka“ empfinden, wie er kurz vor Weihnachten dem Pressedienst “Eglises d’Asie“ sagte. Als Oberhaupt einer religiösen Minderheit fügte er hinzu: “Wir katholischen Sri Lankaner müssen mit den Buddhisten zusammenleben und dürfen nicht riskieren, von ihnen als Verräter behandelt zu werden.“ Andererseits, meinte Ranjith weiter, sei das Leid der Tamilen Realität. “Wir alle wissen, dass eine Autonomie die institutionelle Lösung ist, die wir anstreben sollten.” Es sei aber weder Sache der internationalen Gemeinschaft noch der Sri Lankaner in der Diaspora, “uns unsere Zukunft zu diktieren“.
Der abgewählte Präsident Rajapaksa, ein Buddhist, der den Bürgerkrieg 2009 mit einer blutigen Offensive beendete, hat sich eine gewisse Haltung seiner Glaubensgenossen zueigen gemacht, die Vergangenheit, auch ihre Schrecken und Konflikte, lieber zu vergessen als “aufzuarbeiten“. Das werden die Tamilen nicht mit sich machen lassen und die beiden Haltungen gehen quer durch die Bischofskonferenz und die Masse der Gläubigen. Ob Papst Franziskus am ersten Besuchstag mit den Vertretern der Religionen zusammentrifft oder sich bei den Gottesdiensten an die katholischen Gläubigen wendet – er wird Akzente setzen können, die dem Land helfen sollen, zu Einheit und befriedeten Verhältnissen zurückzufinden. Das war auch das Thema eines Hirtenbriefs der Bischöfe Sri Lankas im Dezember 2013. Darin forderte die Bischofskonferenz, deren Vorsitzender Kardinal Ranjith ist, für die “Versöhnung und den Wiederaufbau unserer Nation“ grundlegende Reformen und eine Rückkehr zur “Herrschaft des Rechts“. So machten sie etwa den Vorschlag, in Schulen und Universitäten drei offizielle Sprachen einzuführen: Singhalesisch, Tamilisch und Englisch. Ohne den Namen des damals noch regierenden Präsidenten zu nennen, formulierten sie eine vernichtende Kritik seiner Politik seit dem Ende des Krieges. Nach dem Machtwechsel im Präsidentenpalast und mit Blick auf den Papstbesuch hoffen die Bischöfe nun auf einen Neubeginn.
Der grosse geistliche Höhepunkt der Papstreise nach Sri Lanka wird aber die Heiligsprechung des grossen “Apostels von Ceylon” und Oratorianer-Missionars Joseph Vaz am morgigen Vormittag in der Parkanlage “Galle Face Green” direkt am Strand von Colombo sein. 1651 in Goa geboren und dort auch zum Priester geweiht, verspürte der junge Joseph den dringenden Wunsch, als Missionar nach Ceylon zu gehen, wo bereits ab dem fünften Jahrhundert Missionare aus Persien und später Ordensleute der Franziskaner, Jesuiten, Dominikaner und Augustiner den katholischen Glauben verbreitet hatten. Aber mit der niederländischen Kolonialherrschaft wurde alles Katholische unterdrückt und protestantische Prediger wurden gefördert. In dieser Lage spielte der Missionar Joseph Vaz, der vor seiner endgültigen Übersiedelung nach Ceylon im Jahr 1687 noch einen schwierigen kirchendiplomatischen Konflikt in Goa zu lösen hatte, eine wichtige Rolle für das Überleben der katholischen Kirche in Sri Lanka. Die Briten stellten ab 1796 die Religionsfreiheit wieder her und ermöglichten Ordensleuten aus Europa, wieder auf der Insel Fuss zu fassen.
Ein Missionar als zweiter Kirchengründer
Die erste katholische Diözese wurde 1834 gegründet. Mit ihren Schulen, Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen, die nicht nur Katholiken offen stehen, hat sich die Kirche Ansehen in der Mehrheitsgesellschaft erworben – aber auch Anfeindungen extremistischer Buddhisten, die den Anspruch erheben, dass Sri Lanka ein buddhistisches Land sei.
In einer dunklen Zeit hatte Joseph Vaz eine Art Brückenfunktion, im Untergrund half er der Kirche, zu überleben. Bei seiner Seligsprechung 1995 in Colombo sagte Johannes Paul II. in seiner Predigt, dass dieser Missionar “zu Recht als der zweite Gründer der Kirche eures Landes betrachtet werden kann“. Joseph Vaz, so der Papst damals weiter, “kam in absoluter Armut hierhin und lebte wie ein Bettler, der von dem brennenden Wunsch beseelt war, die Menschen zu Christus zu führen. Noch bevor er hier eintraf, lernte er Tamilisch, und später, als er in Kandy in Haft war, erlernte er auch das Singhalesische, um den Namen Jesu Christi in den Sprachen und Kulturen eures Landes erklingen zu lassen.“
Es war wohl Kardinal Randjith, der Papst Franziskus davon überzeugt hat, dass es an der Zeit sei, den seligen Missionar Ceylons zum Heiligen zu erheben. Ranjith, der vor seinem Weggang nach Colombo Sekretär der vatikanischen Liturgie-Kongregation war, hat ein sehr gutes und herzliches Verhältnis zu Franziskus. Der Kardinal von Colombo dürfte der “Architekt“ des Besuchs des Papstes in Sri Lanka sein, der heute seinen Anfang nimmt.
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