Kirchliche Kommunikation
Medienrat: “Wie wir uns verhalten, wird immer lauter sprechen als unsere Worte”
Päpstlicher Medienrat
Päpstlicher Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel
Was ist und zu welchem Zweck betreiben wir kirchliche Kommunikation? Und wie schlägt sich die Kirche in der digitalen Welt? Darüber sprach vor einigen Tagen der Sekretär des Päpstlichen Medienrates, Paul Tighe, in Bonn. Hier eine Zusammenfassung seines Vortrags.
Kommunikation ist mehr, als man denkt…
Wenn wir über kirchliche Kommunikation nachdenken, denken wir sofort an Zeitungen, Radio, Fernsehen undsoweiter. Doch alles, was wir in der Kirche tun, kommuniziert. Die Menschen draussen sehen uns, sehen unsere Kirchen, Krankenhäuser, Schulen, und bilden sich ein Urteil über die Kirche. Wir müssen also aufmerksam sein, wie wir kommunizieren mit unserem Körper, sozusagen, nicht nur formal, sondern informal. Wie wir uns verhalten, wird immer lauter sprechen als unsere Worte.
In den Augen eines grossen Teils der Welt bestimmt unsere Kommunikation, wer wir sind.
Digitale Welt
Alles wird schneller, billiger, vernetzt und leichter zugänglich. Das ist wichtig. Aber die wahre Revolution ist nicht in der Technik, sondern in der Kultur. Besonders bei den jungen Menschen. Ich war jüngst zu Hause in Irland und war zum Mittagessen mit zwei Neffen und einer Nichte, die zwischen 20 und 25 Jahre alt sind. Sie lernen ganz anders als ich damals. Sie erhalten ihre Nachrichten auf andere Weise, drücken sich anders aus, ihre Art Gemeinschaften zu bilden und Beziehungen zu gestalten ist komplett anders. Die Umwandlung ist nicht so sehr eine der Technik, sondern eine der Kultur.
Als Kirche müssen wir auch verstehen: diese Kultur wird sich immer weiter ändern. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Niemand kann uns das sagen. Denn die digitale Revolution hat folgendes getan, sie hat Macht den Verbrauchern und Nutzern gegeben. Sie sind es, die entscheiden: Facebook ist gut. Jüngere entscheiden: Wir haben lieber Snapchat. Die kommunikative Revolution schreitet voran. Und sie verändert auch uns.
Einige unserer Einsichten am päpstlichen Medienrat, die wir so zusammengetragen haben: Bischöfen und überhaupt älteren Kirchenleuten sagen wir immer, das Digitale ist real. Manche sagen ja: es gibt die digitale Welt und dann gibt es die echte Welt. Das stimmt nicht: das Digitale ist real. Wenn Sie online eine Banküberweisung machen, ist das real. Wenn ich die Strasse lang gehe und sehe im Himmel ein Flugzeug, und ich nehme mein IPad und halte es in den Himmel auf das Flugzeug, und das IPad sagt mir, was das für eine Maschine ist, dann hilft mir das Digitale, das Materielle zu verstehen. Das Materielle und das Digitale sind miteinander verwoben. Wir müssen also diesen Dualismus zwischen dem Digitalen und der Wirklichkeit überwinden. Im Vorab-Dokument zur jüngsten Bischofssynode zu Ehe und Familie stand der falsche Satz: Die wirkliche Kommunikation in der Familie geht zugrunde, weil die Kinder in einer virtuellen Welt sind. So simpel ist es nicht. Das Virtuelle ist real.
Die jüngeren Leute und nicht nur sie leben in einer integrierten Wirklichkeit. Wenn mich jemand in meinem Büro besucht, den ich nicht kenne, dann google ich ihn. Und wenn ich die Person dann treffe, ist das eine weiterentwickelte Wirklichkeit.
Präsenz
Wahr ist, dass jüngere Leute immer mehr Zeit im Digitalen verbringen. Und wenn wir als Kirche abwesend sind in der digitalen Welt, dann sind wir abwesend in einem wichtigen Teil ihres Lebens. Die nächste Frage ist: Wie können wir dort auf wirksame Weise anwesend sein? Wir können nicht einfach sagen, wir müssen auf Facebook und auf Youtube sein. Und dann stellen wir einfach alles dort rein. Nein. wir müssen wirksam in unserer Präsenz sein und das Digitale ist anders.
Wir haben eine Regel: Wir sagen niemals “Neue Medien”. Wer “Neue Medien” sagt, erklärt, er ist über 50! “Neue Medien” heisst “normale Medien”. Aber es gibt andere Dynamiken. Andere Arten zu kommunizieren. Auch in früheren Zeiten mussten Missionare die Kultur, die Sprachen und Gebräuche der Kontinente verstehen, die sie zu missionieren trachteten; so ist es auch heute, wir müssen auf unsere Präsenz achten, die Sprache, die wir benutzen, unsere institutionellen Strategien und unsere persönliche Anpassung.
Eine Frage, die wir oft gestellt bekommen ist: wie werden wir Neue Medien benutzen, um zu evangelisieren? Das ist die falsche Frage. Wie wollen wir präsent sein in der Welt der digitalen Medien, sodass wir auf wirksame Weise präsent sind? Das ist kein instrumenteller Gebrauch mehr, denn Medien sind nicht mehr “Instrumente”, sondern sie schaffen das Umfeld, in dem wir leben.
Unsere erste Anstrengung als gläubige Menschen in der digitalen Welt ist: wir müssen dazu beitragen, die digitale Welt menschlich zu machen. Es gibt ja diese negativ aufgeladenen Hass-Kommentare. Ein Teil unserer Anstrengung muss es sein, diese Kultur zu ändern. Wir sprechen oft von Nutzer-geschaffenem Inhalt. Aber die Kultur der sozialen Medien ist selbst ein menschliches Konstrukt. Es ist unsere Teilnahme. Wenn WIR negativ sind, werden auch die sozialen Medien negativ. Wenn wir mit anderen daran arbeiten können, es positiver zu machen, dann wird es ein menschlicheres Umfeld, in dem Menschen anwesend sein können.
Als Gläubige müssen wir es zulassen, dass die digitale Kultur blüht. Wie tun wir das? Wir tun das, indem wir die Menschen ernst nehmen, wie Papst Benedikt schrieb. Ihren Fragen Zeit geben, nicht versuchen, ihnen eine Antwort zu verkaufen, nicht versuchen, sie zu manipulieren, sondern ihnen zuhören und sie verstehen. Und das ändert die Kultur der Blog-Seiten, der Chatrooms, der Kommentare. Wir müssen Zeugen der Menschlichkeit sein.
Wenn unsere Kontakte dann ausführlicher werden, realer und persönlicher, kann es angemessen sein, über unseren Glauben zu sprechen. Denn wenn ich wirklich etwas mit einem anderen Menschen teile, und sie versuchen, den Grund der Hoffnung zu verstehen, dann kann ich meinen Glauben teilen, aber nicht, indem ich ihn aufdränge. Sondern indem ich die tieferen Wurzeln meiner Fröhlichkeit erkläre. Wenn ich meinen Glauben als Gabe verstehe, etwas, das mein Leben erhöht, dann möchte ich das mit anderen spontan teilen. Aber nicht mit Imperialismus, nicht, indem ich Leute mit Religion bombardiere, wie Benedikt schrieb, sondern in der Offenheit des Dialogs den Glauben nicht verstecke, der für mich eine Gabe und ein Segen in meinem Leben ist.
Strategie
Erstens gibt es die institutionelle Herausforderung. Viele von uns sind mit Printmedien grossgeworden und mit Fernsehen, vielleicht Radio. Nun werden Sie gebeten, multimediale Inhalte zu produzieren. Wir wissen alle: Radio kann nicht einfach ins Internet gestellt werden, und das wars. Wir brauchen Inhalte, die von Anfang an multimedial angelegt sind. Und das ist eine Herausforderung für die ganze Institution Kirche. Ich glaube zwar nicht, dass es die Kernkompetenz ist. Wenn Sie gut schreiben können oder eine gute Radiostimme haben, wird man Sie auf digitalen Plattformen brauchen. Aber der Beitrag, den Sie leisten, wird mit den Beiträgen anderer kombiniert werden. Wir brauchen den Mut, das anzunehmen, und das ist auch eine persönliche Herausforderung.
Die einzelnen Plattformen der sozialen Medien ändern sich rasch. Entwickeln Sie keine Strategie für nur eine einzige Plattform. Twitter ist gross – Twitter ist weg, vielleicht eines Tages. Apps sind wichtig, aber ob auch noch in zehn Jahren, wissen wir nicht. Ein Wirtschaftsmagazin schrieb: Seien Sie promiskuitiv! Probieren Sie alles, aber heiraten Sie nichts…! Keine lebenslange Verlobungen, zumindest auf diesem Feld nicht. Wir müssen Risiken auf uns nehmen. Wir leben in einer Organisation, die Risiken nicht mag. Sie machen Fehler, und es wir Ihnen anscheinend nie vergeben. Aber wir können niemals eine neue Sprache lernen, wenn wir keine Fehler machen. Was also tun? Junge Leute loben und ihnen etwas zutrauen. Und sie werden die Aufgabe meistern. Wir müssen als Kirche einer jüngeren Generation erlauben, Navigatoren zu sein, uns in diese neue Welt zu bringen, die noch nicht unsere Welt ist.
Anpassung
Christus nachzufolgen heisst immer, sich zu bekehren. Wir sind niemals so gut wie die Botschaft, die wir verkünden. Wir brauchen immer Änderung. In den sozialen Medien gilt: Die Leute wollen Information von Leuten, denen sie trauen. Auch wenn sie Glaubensfragen stellen, fragen sie: wer ist der Herr, was glaubst DU? Sie wollen DEINE Antwort, nicht den Katechismus. Das ist herausfordernd. Es bedeutet, der Glaube, den wir teilen, muss wirklich unser eigener sein. Und es ist ein Glaube, den wir kultivieren müssen, indem wir auf Gottes Wort hören. Erst dann kommt unsere Kommunikation vom Herzen und verweist auf unseren Glauben an Gott. Im Mittelpunkt unserer Botschaft steht keine Formel, sondern eine Beziehung zu Jesus Christus. Und wenn diese Beziehung nicht authentisch ist, wird es schwierig, sie mit anderen zu teilen.
katholisch.de/rv 2.11.2014 gs
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