Eine neue Ökologie des Menschen
Papst Franziskus: Eine neue Ökologie des Menschen
Wenn die Kirche über Ehe und Familie spricht, dann darf sie nicht in die Falle von Ideologien geraten. Das sagte Papst Franziskus an diesem Montag in seiner Eröffnungsansprache für einen interreligiösen Kongress zu Ehe und Familie, den der Vatikan ausrichtet. Drei Tage lang dauert dieser Kongress, in die Vorbereitung waren gleich drei vatikanische Institutionen einbezogen: Neben der Glaubenskongregation auch die Räte für Familie, den interreligiösen Dialog und für die Einheit der Christen.
Wenn die Kirche vom Verhältnis von Mann und Frau zueinander spricht, benutzt sie den Begriff der Komplementarität, also der sich ergänzenden Gegensätzlichkeit. Nur gemeinsam sind Mann und Frau Mensch.
Diesen Begriff griff auch Papst Franziskus in seiner Ansprache auf. Komplementarität sei im christlichen Kontext viel mehr als nur das Ergänzen eines alleine unvollständigen Elementes, so der Papst. Er zitierte in seiner Ansprache den ersten Korintherbrief, in dem Paulus davon spricht, dass der Heilige Geist verschiedene Gaben gibt, die dann dem gemeinsamen Ganzen dienen.
“Über die Komplementarität nachzudenken, ist nichts anderes, als über die dynamische Harmonie nachzudenken, die im Zentrum der Schöpfung liegt. Und das ist der Schlüsselbegriff: Harmonie. Alle sich ergänzenden Gegensätzlichkeiten hat der Schöpfer geschaffen, damit der Heilige Geist, der Urheber der Harmonie, diese Harmonie schaffen kann.”
Diese Komplementarität sei die Basis für Ehe und Familie, so der Papst, sie sei die “erste Schule”, in der wir Menschen lernen, die eigenen Gaben und die der anderen wert zu schätzen und die “Kunst des Zusammenlebens” zu üben.
“Für den grössten Teil von uns ist die Familie der Ort, an dem wir beginnen, Werte und Ideale zu ‘atmen’ und auch unsere Potentiale an Tugend und Nächstenliebe zu verwirklichen. Aber wie wir wissen, ist die Familie gleichzeitig auch Ort von Spannungen, etwa der zwischen Egoismus und Selbstlosigkeit, zwischen Vernunft und Leidenschaft, zwischen spontanen Wünschen und langfristigen Überlegungen und so weiter. Die Familie bildet aber auch den Bereich, an dem diese Spannungen gelöst werden, das ist wichtig. Wenn wir von Komplementarität von Mann und Frau sprechen, dann dürfen wir das nicht mit der zu einfachen Vorstellung tun, dass alle Beziehungen zwischen den Geschlechtern auf ein einheitliches und statisches Modell zurück gehen. Komplementarität nimmt viele Formen an, denn jeder Mann und jede Frau bringt ihre eigenen Beitrag in eine Ehe und die Erziehung der Kinder ein. So wird die Komplementarität zu einem grossen Reichtum.”
Der Papst sprach auch davon, dass Ehe und Familie sich in einer Krise befänden. Die “Kultur des Provisorischen” und die daraus resultierenden Folgen für die Moral würden zwar unter der Flagge der Freiheit antreten, hätten aber in Wirklichkeit geistliche und geistige Verwüstung gebracht, vor allem für die Schwächsten. Und diese Krise weite sich aus, so Papst Franziskus.
“Die Krise der Familie hat eine weitere Krise verursacht, nämlich die der ‘Ökologie des Menschen’, denn die soziale Umwelt muss genauso wie die natürliche Umwelt geschützt werden. Auch wenn die Menschheit heute die Notwendigkeit eingesehen hat, auf die Bedrohung für unsere natürliche Umwelt zu reagieren, sind wir langsam – sehr langsam, unsere Kultur ist sehr langsam, auch unsere katholische Kultur – sind wir langsam dabei, zu begreifen, dass auch unsere soziale Umwelt in Gefahr ist. Deswegen müssen wir eine neue Ökologie des Menschen fördern und voran bringen.”
Papst Franziskus bestärkte einmal mehr die Überzeugung der Kirche, dass die Familie das Fundament allen Zusammenlebens sei. Kinder hätten das Recht, in Familien aufzuwachsen, mit Vater und Mutter. Gleichzeitig rief der Papst dazu auf, nicht in die Falle einer ideologischen Debatte zu geraten.
“Die Familie ist eine menschliche Tatsache, und deswegen auch eine soziale und kulturelle Tatsache. Wir dürfen sie deswegen nicht mit ideologischen Konzepten besprechen, die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte Kraft haben und dann ungültig werden. Man kann nicht über eine ‘konservative’ oder eine ‘progressive’ Familie sprechen, Familie ist Familie, sie hat ihre eigene Kraft.”
In diesem Sinne wünschte der Papst den Teilnehmern des Kongresses, dass die Debatten Inspiration seien für alle, die sich für die Stärkung der Ehe als Verbindung von Mann und Frau einsetzen.
Abschliessend kündigte der Papst an, zum Weltfamilientreffen im September 2015 nach Philadelphia in die USA zu reisen.
rv 17.11.2014 ord
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