Karfreitag in Ninive

Vom Apostel Thomas gegründet:

WeydenImpuls zum Karfreitag
Quelle

Nach mindestens 1800 Jahren christlicher Präsenz läutet heute in Mossul keine Kirchenglocke mehr.

Vatican Magazin, von Stephan Baier

Mossul galt einst als Hochburg der irakischen Christen. Fünfzigtausend Gläubige verschiedener Konfessionen und Riten lebten vor dem Einmarsch der Amerikaner und dem Sturz Saddam Husseins 2003 hier, in der mit 2,8 Millionen Einwohnern zweitgrössten Stadt des Irak, der Metropole der Provinz Ninive. Jetzt aber macht eine sunnitische Terrorgruppe Mossul zum Modell für das, was sie für die ganze Region zwischen dem Persischen Golf und dem Mittelmeer wünscht: Mossul wird zum blutigen Experimentierfeld des erträumten homogenen “Islamischen Staats”.

Rund siebzig Prozent der einst siebenhunderttausend irakischen Christen bekannten sich zu der auf den Apostel Thomas zurückreichenden und mit Rom unierten Chaldäischen Kirche. Deutlich kleiner waren die syrisch-katholische, die syrisch-orthodoxe, die armenisch-apostolische, die armenisch-katholische und die römisch-katholische Kirche. Die von Patriarch Louis Raphael Sako geleitete chaldäische Kirche zählt noch immer zweihundert Priester, doch die Hälfte wirkt bereits im Ausland, um die stetig wachsende Emigration zu betreuen. Im Irak selbst bestehen viele der zehn Diözesen nur mehr auf dem Papier. Lediglich im kurdisch kontrollierten Norden können sich die irakischen Christen heute sicher fühlen – nicht erst, aber spätestens seit der Einnahme der nordirakischen Metropole Mossul durch die Fanatiker des “Islamischen Staats” (IS). Die Regierung der kurdischen Autonomiegebiete bietet seit einem Jahrzehnt den irakischen und seit drei Jahren auch vielen syrischen Christen Zuflucht.

Wie stark die Christen des Irak mit ihrer Heimat verbunden sind, zeigte sich Mitte Juli: Trotz der Besetzung durch sunnitische Terroristen harrten rund dreitausend Christen bis zum 19. Juli in Mossul aus. Dann wichen sie der Gewalt, denn der nun als “Kalif Ibrahim” bezeichnete Führer der IS, Abu Bakr al-Baghdadi, stellte den Christen ein Ultimatum: Ihnen blieb nur die Wahl zwischen dem Übertritt zum Islam, der Unterwerfung unter die “Kopfsteuer”, und damit ein Leben als “Dhimmis* der islamischen Herrscher, oder die Auswanderung. Die IS-Fanatiker raubten die Häuser von Christen und Schiiten, brannten viele Kirchen und den Bischofssitz der syrisch-katholischen Gemeinde nieder, machten die syrisch-orthodoxe Mar Afram-Kirche zur Moschee, plünderten schiitische Moscheen und vernichteten deren verehrte Schreine. Die Mönche des syrisch-katholischen Klosters Mar Behnam, das seit dem vierten Jahrhundert besteht und ein beliebtes Wallfahrtsziel ist, wurden vertrieben.
Nach 1800 Jahren christlicher Präsenz läutet heute in Mossul keine Kirchenglocke mehr, wird keine heilige Messe mehr gefeiert, kein “Vater unser” gebetet. Die Häuser der geflohenen Christen wurden geplündert. Fünfzehn christliche Familien sollen zum Islam konvertiert sein. Es herrscht Karfreitag in Ninive.

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