“Überleben sichern ist das Wichtigste”

Der Westen hat im Irak Verantwortung zu helfen

Der Barmherzige Samariter Bündnis Hilfswerke unterstützen Flüchtlinge im Nordirak

Die Tagespost, 18.08.2014 

“Überleben sichern ist das Wichtigste”. Kirche in Not-Präsident Johannes Freiherr Heereman meint: Der Westen hat im Irak Verantwortung zu helfen.

Von Oliver Maksan

Sie kommen gerade aus dem Irak zurück. Was ist Ihr Eindruck von der Lage der christlichen Flüchtlinge dort?

Die Stimmung unter den Flüchtlingen ist bedrückend, nicht weil die Menschen nicht eine zeitlang unter schwierigen Umständen leben könnten, sondern weil ihnen die Perspektive fehlt. Sie haben das Gefühl, dass sie raus müssten aus dem Land. Viele denken an Auswanderung. Sie sind aber hilflos, wie das geschehen soll. Sie sehen, wie verschlossen der Westen ist. Und damit nimmt die Angst zu, in einer Lagersituation viele Monate aushalten zu müssen. Die Flüchtlinge leben in der kurdischen Region alle sehr dicht gedrängt. Manche haben in Kirchen Zuflucht gefunden, andere schlafen unter freiem Himmel oder wo immer sie freien Platz finden. Viele hausen in Zelten, in denen eine brüllende Hitze herrscht.

Was brauchen die Menschen am dringendsten?

Eigentlich alles. Sie mussten ja innerhalb weniger Stunden fliehen und konnten kaum etwas mitnehmen. Kleidung ist momentan weniger das Problem, weil es ja Sommer und sehr heiss ist. Im Winter wird das aber sicher ein Problem sein. Im Moment fehlen vor allem Lebensmittel. Die Kirche hilft enorm. Aber allein kann sie das nicht durchhalten. Die Zahl der Flüchtlinge ist einfach zu gross. Der Westen muss sie deshalb unterstützen, um diese Zahl von Flüchtlingen mehrere Monate durchzufüttern. Niemand weiss, wie lange das dauern wird. Und das ist Teil des Elends, welches die Menschen ertragen müssen.

Hat die Kirche einen Plan über die aktuelle Nothilfe hinaus?

Auch die Kirche hat keine klaren Vorstellungen, wie die Lage sich entwickeln könnte. Das kann seriös ja auch niemand tun. Man spürt das Trauma, das entstanden ist, als die Christen innerhalb weniger Stunden aus Mossul fliehen mussten. Seitdem traut man hier keinem Frieden mehr. Man erhofft sich Sicherheit durch die internationale Gemeinschaft, aber ob es die so schnell geben wird, ist ja fraglich. Die Kirche versucht derweil, den Menschen zu helfen. Sie ist vollauf damit beschäftigt, die Traumata zu behandeln, Lebensmittel zu beschaffen und das Überleben zu sichern. Da bleibt kaum Zeit, langfristige Überlegungen anzustellen.

Was kann “Kirche in Not” tun?

Unsere Hilfe kann im Augenblick nur bei dem Wichtigsten ansetzen und das ist, das Überleben der Menschen zu sichern. Dazu gehört es, Grundnahrungsmittel zu finanzieren. Dies geschieht insbesondere über das chaldäische Patriarchat, zu dem ja die meisten christlichen Flüchtlinge gehören. Mit dem Patriarchat haben wir einen seriösen Ansprechpartner, der sicherstellt, dass unsere Hilfen da ankommen, wo sie hin sollen. Insgesamt herrscht eine unvorstellbar grosse Not. Es schwebt auch das Damoklesschwert des Genozids über den Menschen. Was sie in den letzten Monaten erlebt haben, hat sie alle traumatisiert. Davon werden sich nicht alle erholen. Viele haben nur noch ein Ziel: das Ausland. Der Westen darf dabei nicht zuschauen. Er hat eine grosse Verantwortung, alles zu tun, das Überleben der Christen und der anderen bedrohten Minderheiten zu sichern.

Wie wird die amerikanische Intervention von den Flüchtlingen bewertet?

Die meisten Flüchtlinge, mit denen ich gesprochen habe, erachten das amerikanische Eingreifen als notwendig und sinnvoll. Man sieht die Amerikaner als ganz wesentliche Urheber des Unheils im Irak an. Man hält es deshalb auch für ihre Pflicht, den Minderheiten zu helfen. Vom Westen fühlen die Menschen sich ziemlich verlassen, weil es bisher nur wenige spürbare Hilfen gibt. Es gibt Hoffnungen, dass sich das ändert und der Westen seine Verantwortung wahrnimmt. Aber die Menschen spüren davon noch nichts.

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