“Vielfältig, lebendig, katholisch”

14. Kongress “Freude am Glauben” 

Fresco die Bergpredigt14. Kongress “Freude am Glauben” endet mit Resolutionen zur Erneuerung der Gesellschaft und zur christlichen Erziehung.

Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen verband das feierliche Pontifikalamt am Sonntag mit dem Aufruf, das Evangelium in seiner ganzen Fülle und Konsequenz zu leben.

Fulda, Die Tagespost, 28.07.2014

Von Reinhard Nixdorf und Sebastian Pilz

“Der Mensch ist gefährdet. Was rettet ihn?” So lautete das Motto des vierzehnten Kongresses ,”Freude am Glauben”, zu dem am Wochenende etwa tausendfünfhundert Teilnehmer nach Fulda gekommen waren. Papst Franziskus hob in seinem vom Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen verlesenen Grusswort hervor, dem Mensch drohe Schaden, wenn er seine Beziehung zu Gott aufgebe: “Er versteht dann nicht mehr, woher er kommt, wer er ist und was ihn umgibt.”

Unbestritten ist, dass das Christentum auf die Krise des Menschen heute Antwort geben kann. Doch worin liegt dann die Ursache für die Erosion des Christlichen? Sind die Christen satt und müde geworden? Haben sie zuwenig Zivilcourage? Und überhaupt: Was kommt vom Christsein in der vom Christentum entwöhnten Gesellschaft überhaupt noch an?

In seiner Predigt zum Eröffnungsgottesdienst warnte der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Müller, vor einer Entchristlichung und appellierte an die Gläubigen, dem Wort Gottes in Treue zu Rom und dem Papst zu folgen. Jeder Christ müsse an sich selbst arbeiten, seinen Glauben in Treue zur kirchlichen Lehre und zu Rom offen leben und so in die Gesellschaft ausstrahlen. Auch der Bischof von Fulda, Heinz Josef Algermissen rief die Katholiken auf, in der säkularen Gesellschaft offensiver für christliche Werte einzutreten, etwa im Widerstand gegen eine Freigabe aktiver Sterbehilfe.

Denn für den Glaubenden ist der Mensch mehr als ein anpassungsschlaues Tier, er ist Kind Gottes. Das macht seine Würde unantastbar und bewahrt ihn vor Hybris. Sein Wollen wie Gott läuft auf Willkür und Perfektionismus hinaus: Ethik, Recht und Gerechtigkeit werden nicht vom Menschen “gemacht”, sie müssen sich vielmehr daran orientieren, wie sie helfen, das Gute zu verwirklichen. Hier brachte Michael Rainer, Rechtswissenschaftler an der Universität Salzburg, das Naturrecht als eine in der Wirklichkeit geborgene Rationalität in den Blick. Erfinder, Schiedsrichter und Antragsteller des Naturrechts sei Gott, führte er in seinem von Antonio Merlino verlesenen Vortrag aus, wer ihm nicht folge, fliehe vor sich selbst und verfehle das Menschsein, auch wenn er die Meinung der Mehrheit hinter sich habe.

Die andere Seite, die Folgen eines Perfektionismus um jeden Preis, zeigte der Wiener Psychiater Raphael Bonelli, Autor des Buches “Selber schuld” auf: den kollektiven Unschuldswahn und den Rückzug in die Opferrolle. In einer Gesellschaft, die Gott nicht mehr kennen will, kann es eben keine Schuld, sondern nur noch Schuldgefühle und Opfer geben. “Klopft das Schuldgefühl an die Tür des Bewusstseins, geben wir schnell die heisse Kartoffel weiter”, meinte Bonelli. “Eltern, Lehrer, Ehepartner – alle sollen schuld sein, nur damit wir uns nicht schuldig fühlen”. Viele Menschen steckten in einem neurotischen Perfektionismus: “Die eigene Unvollkommenheit darf nicht sein. So wird die Spannung zwischen dem Soll-und dem Ist-Zustand als fürchterliche Bedrohung erlebt.” Um dem zu entkommen, zögen sich viele Menschen in eine Opferrolle zurück. Doch “erst in dem Moment, in dem ich erkenne, ich habe einen eigenen Anteil, ist die Situation änderbar, ich habe wieder Handlungsmacht”, sagte der Wiener Psychiater. Entscheidend sei das Aushalten der eigenen Unzulänglichkeit, die Imperfektionstoleranz, – und die bestehe aus folgenden Faktoren: dem “Aushalten, dass ich nicht alles super mache”, dem neidlosen Anerkennen anderer und der Bitte um Entschuldigung, denn nur der andere könne von Schuld entlasten. “Damit sind wir bei der Beichte, meiner Meinung nach das Genialste, was die Kirche hervorgebracht hat”, sagte Bonelli. Schon allein der Gang in den Beichtstuhl, mit dem man vor aller Welt zugebe, nicht alles richtig gemacht zu haben und nicht bloss Opfer anderer zu sein, sei psychohygienisch so wichtig, dass C. G. Jung, alles andere als ein katholischer Psychotherapeut, zu Klienten gesagt habe: “Sind Sie katholisch? Falls ja, gehen Sie zur Beichte. Und dann kommen Sie wieder, wenn Sie es noch brauchen.”

Auch Elmar Nass, Professor für Wirtschafts- und Sozialethik in Fürth, setzte bei der Würde des Menschen an, um die Attraktivität des Christentums hervorzuheben: Die Gottebenbildlichkeit mache die Würde jedes Menschen unantastbar, – von Beginn bis zum Schluss seines Lebens – nicht aufgrund seines ökonomischen Nutzens oder irgendeiner Klassen- oder Rassenzugehörigkeit. Denn die Menschen suchen und viele spüren, “dass die Unantastbarkeit der menschlichen Würde gefährdet ist und dass wir Christen den Auftrag haben, darauf hinzuweisen, wohin der Zug der Gesellschaft fährt: nämlich in eine Richtung der Entmenschlichung”, sagte Nass. “Ich glaube, wenn wir das tun als Christen, werden wir auch viele Menschen gewinnen, die die Attraktivität unseres Glaubens gerade daran erkennen, dass wir die Frage des Wertfundaments unserer Gesellschaft offen ansprechen.”

Bloss hat man den Eindruck, dass eine ernsthafte Suche nach Sinn in dieser Gesellschaft gar nicht gewünscht ist und allen Sonntagsreden und hehren Bekenntnissen zum Trotz vom Medienrummel und dem täglichen Zirkus der Spassgesellschaft mit ihrer Gier nach Sensationen und Triebbefriedigung übertönt wird. “‘Eduard Spranger hat einmal gesagt, die hauptsächliche Ursache negativer Prägungen sei (…) ,die innere Unwahrhaftigkeit der Gesellschaft, nämlich da erziehen zu wollen, wo echte Erziehungsresultate eigentlich nicht gewollt sind'”, sagte Josef Kraus, Oberstudiendirektor und Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, bekannt durch sein Buch “Helikopter-Eltern” in seinem Vortrag. “Man denke nur an den Schrott, den uns diese Gesellschaft medial zumutet. Ich nenne als Beispiel die Unterschichten-Talkshows in den Nachmittagsprogrammen privater TV-Anstalten, in denen es nicht selten um die Frage geht, wer welche Busen-Grösse am liebsten mag, wer im Intimbereich gepierct ist, wer wen mit wem betrogen hat. Ich nenne als anderes Beispiel die rund fünftausend jugendgefährdenden ‘Hackfleisch-Videos‘ (…) die die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien enthält. Ich nenne als drittes Beispiel die Abknall- und Jagd-Computerspiele, die von geschäftstüchtigen, aber offenbar kranken Hirnen produziert, verkauft oder ins Netz gestellt werden. Ich nenne als weiteres Beispiel Sendungen wie ‘Dschungel-Camp’ oder ‘Big-Brother’, wo sich Prolos oder Semi-Promis mit ihrer Intimität und der Bewältigung von Ekel-Aufgaben meinen prostituieren zu müssen. Apropos Obszönität: Sigmund Freud hat einmal gesagt, der Verlust der Scham ist der Beginn der Verblödung. Leider hat er recht.”

Zivilcourage ist also geboten – gerade dort, wo der Mainstream auf falschen Wegen unterwegs sei, die Christen kritisieren müssten: “Es ist uns die Anthropologie in Fragen der Bildung und Erziehung verlorengegangen”, sagte Josef Kraus. ,”Der Mensch ist vom Subjekt zum Objekt geworden im Zeichen einer sogenannten Bildungsökonomie.” Und so wichtig die Ergebnisse von Pisa gewesen seien: “Pisa hat im Endeffekt mehr Negatives angestiftet, als es wirklich Gutes gebracht hat.” Hinzu komme ein pädagogischer Machbarkeitswahn, bei dem sich Marxismus und Behaviorismus verbänden, nach dem Motto: ,”Gebt mir zwanzig Kinder: Aus den zehn auf dieser Seite mache ich Nobelpreisträger, aus den anderen Massenmörder”.

Auch die Identität der Geschlechter wird im Mainstream mittlerweile als “gesellschaftlich gemacht” und als austausch- und experimentierbar hingestellt. Insofern gab es Kritik am Schulunterricht in Sexualkunde, insbesondere am derzeit in Baden-Württemberg diskutierten Bildungsplan. Eltern sollten das Recht haben, ihre Kinder vom Aufklärungsunterricht abzumelden, forderte der Leiter einer Freiburger christlichen Privatschule, Michael Hageböck: “Es ist doch pervers, wenn Kinder beispielsweise angehalten werden, sich in Rollenspielen in die Situation eines Homosexuellen zu versetzen und sich vorstellen müssen, sich gegenüber ihren Eltern zu outen.”

Mehrere Redner riefen die Bischöfe auf, gegen eine „für die deutsche Gesellschaft verheerende Gender-Ideologie“ zu protestieren. „Wir brauchen endlich ein klares Wort gegen die derzeitige Verunglimpfung von Ehe und Familie und den Versuch, alle Unterschiede zwischen Mann und Frau zu verleugnen“, sagte der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Werner Münch.

Am Sonntag richteten die Teilnehmer ihren Fokus auf die Erneuerung der Gesellschaft durch Gott. In der Podiumsdiskussion am Vormittag plädierten die Gesprächspartner, moderiert von Bernhard Müller vom fe-Verlag, für eine Neuevangelisierung, die bei jedem persönlich anfange. Sabine Beschmann ermutigte: “Wir sollten mehr Positives ausstrahlen, als uns immer so runterziehen lassen”, sagte die Vorsitzende des Vereins “Deutschland pro Papa” und ergänzte: “Mit Papst Benedikt XVI. haben wir die Theologie studiert, so lasst uns nun mit Papst Franziskus in der Pastoral gehen.”

Der Churer Bischofsvikar Christoph Casetti fügte hinzu, dass er mit der Neuevangelisierung auch den Auftrag zur Heilung verbinde. Dabei brauche es besonders das Gebet um innere Heilung, dass es noch viel zu wenig in der allgemeinen Seelsorge gäbe. Cornelius Roth machte sich als scheidender Regens des Fuldaer Priesterseminars dafür stark, den Glauben authentisch zu leben. Das sei die beste Werbung für neue Priesterberufungen.

Franz Broser von der Schio-Bewegung zitierte Papst Franziskus: “Ein Christ ohne Freude ist entweder kein Christ oder krank.” Authentisch und überzeugt trat Broser für ein Leben in der Liebe, im Frieden und in der Freude aus dem Glauben an Jesus Christus ein. Dabei werde der Heilige Geist oft vergessen, doch schenke er uns immer ein hörendes Herz.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion nahmen die versammelten Kongressteilnehmer mit einer Enthaltung die Resolution zur Erneuerung der Gesellschaft durch die Rückkehr zu Gott an. Darin appelliert das Forum an die Mitglieder der Kirche, “sich weniger mit innerkirchlichen Streitthemen auseinanderzusetzen, als vielmehr ihren missionarischen Auftrag wahrzunehmen. Verantwortliche wie einfache Gläubige dürfen sich nicht immer mehr dem Denken und dem Geschmack der säkularisierten Gesellschaft anpassen und deren Verhaltensweisen übernehmen, sondern müssen vielmehr die Frohe Botschaft unverkürzt und auf überzeugende Weise verkünden.”

In einer zweiten Resolution forderte die Versammlung, in mehreren Bundesländern diskutierte neue Bildungspläne und schulische Leitlinien kritisch zu prüfen. Die Erziehungsverantwortung der Eltern dürfe nicht durch “ideologische Curricula” untergraben werden.

Fuldas Bischof Heinz Josef Algermissen stellte in seiner Predigt bei der Abschlussmesse des Kongresses im Hohen Dom zu Fulda fest, dass sich die Gesellschaft immer mehr von Gott entferne. Auch ein Bundespräsident Joachim Gauck, der ehemaliger evangelischer Pfarrer, ist, sprach in seiner Weihnachtsansprache 2013 lediglich von der “Geburt des besonderen Kindes”. Algermissen kritisiert: “Dort, wo man Gott aus der Welt herausbringt, gerät diese unsere Welt in einen Zustand des Unheils.” Als ein konkretes Beispiel nannte er die aktive Sterbehilfe. “Für österliche Christen ist aber nicht Sterbehilfe das Zauberwort, sondern intensivste Sterbebegleitung”, so der Bischof. Er forderte die Gläubigen dazu auf, als Störenfriede in der Gesellschaft klar Position zu beziehen, wenn die Mächte des Todes am Werk seien. “Helfen Sie mit, dass die Wahrheit in unserer Gesellschaft neu gehört wird. Gott gebe uns durch seinen Geist die Kraft dazu”, so Algermissen.

Bischof Algermissen freute sich im Gespräch mit der “Tagespost” über die Rückkehr des Kongresses nach Fulda. Dies sei, so sein Eindruck von Teilnehmern, das “richtige Zuhause”. Weiter sagte er: “Ich hoffe, dass die Sammlung der bischofs- und papsttreuen Gläubigen eine Quelle der Freude war, die nun zu einer Sendung wird und den Glauben in die relativistische Umwelt hineinträgt.”

“Der Kongress war grossartig, denn hier sieht man, dass die Kirche nicht nur ein Alte-Leute-Verein ist, sondern vielfältig, lebendig und katholisch”, fasst Hedwig Hageböck aus dem Elsass ihre Eindrücke gegenüber der “Tagespost” zusammen. Die Jugendliche der Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE) nahm bereits zum dritten Mal teil und schätzte besonders die vielen Gleichgesinnten, die sie im Fuldaer Kongresszentrum “Esperanto” traf.

Stefan Bopp aus Esslingen am Neckar fährt zwiegespalten nach Hause. “Für mich waren die Vorträge am Samstag zu speziell und manche zu kompliziert. Dafür empfand ich die Podiumsdiskussion am Sonntag wunderbar, weil sie auf die Basis im Glauben hingewiesen hat”, schildert er seinen Eindruck gegenüber dieser Zeitung. Raimund Diesmann aus Teistungen im Eichsfeld war zum ersten Mal auf dem Kongress und war vom Vortrag von Bischofsvikar Christoph Casetti angetan. Er habe für ihn den inneren Kern berührt. “Die anderen beiden Tage waren aber auch wichtig, weil sie mir den Kern dann ins Leben übertragen haben.”

Hubert Gindert, Sprecher des Forums Deutscher Katholiken, zeigte sich zufrieden mit dem Kongress: “Ich habe viel positives Echo und Lob für die Referenten bekommen”, äusserte er gegenüber der “Tagespost”. Er freute sich besonders über eine Gruppe aus Belgien, Italien und Frankreich, die ihre eigenen Dolmetscherinnen mitbrachten. “So werden wir langsam auch über die Grenzen des deutschsprachigen Raumes bekannt”, stellte Gindert fest. Zudem nahmen in diesem Jahr mehr Jugendliche am eigenem Jugendprogramm des Kongresses teil.

Der nächste Kongress “Freude am Glauben” findet vom 31. Juli bis 2. August 2015 in Fulda statt und befasst sich mit dem Thema Ehe und Familie.

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