Papst an Priester Casertas
Papst an Priestern Casertas: Einheit, Volksfrömmigkeit und Glaube
Vatikan: Seligsprechung des Dieners Gottes Antonio Rosmini
Vor der Messe in Caserta ist der Papst am Samstagnachmittag mit den Priestern der süditalienischen Diözese zu einem Treffen zusammengetroffen. Es war ein intensiver Dialog in einer sehr familiären Atmosphäre in der Palatinskapelle der Reggia von Caserta. Hier die Fragen von Priestern und die Antworten des Papstes in einer Arbeitsübersetzung.
Bischof D’Alise, Bischof von Caserta:
“Heiliger Vater, ich habe nichts Schriftliches vorbereitet, weil ich wusste, dass Sie ein persönliches und tiefes Gespräch mit Priestern wünschen. Ich sage Ihnen einfach: herzlich willkommen! Das ist unsere Kirche mit unseren Priestern, wir werden danach die weiteren Teile der Kirche sehen und die Eucharistie feiern. Dieser Augenblick ist sehr wichtig für mich, ich bin zwar erst seit zwei Monaten hier, aber mein Bischofsamt mit Ihrem Besuch und Segen zu beginnen, ist eine Güte in der Güte, die ich bekommen habe. Wir hören nun gespannt auf Ihre Worte, wissend, dass Sie einen Dialog wünschen. Unsere Priester haben Fragen vorbereitet.“
Der Papst:
“Ich habe eine Rede vorbereitet, aber ich leite den Text dem Bischof weiter. Danke für die Gastfreundschaft. Danke. Ich bin sehr froh, hier zu sein und habe Schuldgefühle, dass ich euch so viel Aufwand an eurem Patronatsfest verursacht habe. Ich wusste das nicht. Als ich beim Bischofssitz anrief, um zu fragen, ob ich einen privaten Besuch machen wolle, und zwar meinen Freund, Pastor Traettino, zu treffen, hat man mir gesagt: ‘Ach, gerade am Feiertag der Stadtheiligen!’ Und ich dachte sofort, dass dann in den Zeitungen stehen wird: Der Papst besucht am katholischen Patronatsfest die Protestanten! Eine schöne Schlagzeile, nicht wahr? Und so haben wir die Dinge in Ordnung gebracht, das ging zwar ein bisschen schnell, aber euer Bischof hat uns da sehr weitergeholfen sowie auch Mitarbeiter beim vatikanischen Staatssekretariat. Als ich den Substituten anrief, sagte ich ihm: ‘Bitte, nimm mir den Galgenstrick vom Hals weg.’ Und das hat er sehr gut gemacht. Ich bedanke mich schon mal für eure Fragen und schlage vor, dass wir gleich beginnen. Wir schauen, ob wir zwei oder drei Fragen zusammen beantworten oder jeweils nach jeder Frage antworten.”
Erste Frage: Die Einheit unter den Bischöfen
“Heiliger Vater, herzlichen Dank! Ich bin Generalvikar in Caserta und heisse Don Pasquariello. Meine Frage lautet folgendermassen: Das Gute, was Sie der katholischen Kirche bringen mit Ihren täglichen Morgenpredigten, den offiziellen Dokumenten – und ich denke insbesondere an Evangelii Gaudium – sind sehr wichtig für die spirituelle und persönliche Bekehrung. Diese Umkehr betrifft meiner Meinung nach nur die theologischen, exegetischen und philosophischen Bereiche. Neben dieser persönlichen Bekehrung, die sehr wichtig ist für die Rettung der Seele, würde ich es persönlich als sehr gut ansehen, wenn Sie, Heiliger Vater, vermehrt auch das Volk Gottes einbringen, gerade weil es ja das Volk ist. Ich möchte präziser sein: Unsere Diözese hat seit 900 Jahren absurde Grenzen: einige zivile Gemeinden sind auf zwei oder drei Bistümer aufgeteilt. Das Gebiet um den Bahnhof von Caserta gehört zum Bistum Capua, obwohl es wenige Meter vom Gemeindehaus entfernt liegt. Sie haben ja in Evangelii Gaudium geschrieben, dass die Bischöfe mehr zu sagen hätten, aber wie lange sollen wir denn noch warten? Jemand aus dem Staatssekretariat sagte uns einst, wenn unsere Bischöfe sich einigen würden, dann würden sie im Vatikan die Neuaufteilung des Bistums unterschreiben.”
Der Papst:
“Es gibt Kirchenhistoriker, die sagen, dass sich bei den ersten Konzilen einige Bischöfe sogar die Köpfe einschlugen, aber am Schluss haben sie immer ein Konsens gefunden. Es ist nicht schön, wenn ein Bischof schlecht über einen anderen Bischof spricht oder wenn sie Seilschaften schliessen. Ich sage bewusst nicht, gleich zu denken oder eine gleiche spirituelle Einheit zu haben, ich spreche von Seilschaften im negativen Sinne des Wortes. Das ist unschön, weil sie die Einheit der Kirche zerstört. Das hat nichts mit Gott zu tun. Und wir Bischöfe müssen hingegen ein Beispiel der Einheit geben, so wie Jesus sie beim Vater für die Kirche gebeten hatte. Man kann nicht über andere schlecht sprechen. Nein, gehe zu der Person hin und sage ihm das ins Gesicht! Unsere Vorfahren schlugen sich bei Konzilen die Köpfe ein und ich habe es lieber, dass man sich anschreit und sich dann wieder umarmt und nicht hinter dem Rücken weiter schlecht über eine Person spricht. Das sehe ich als Grundregel an: In der Einheit der Kirche ist es wichtig, dass es eine Einheit unter den Bischöfen gibt. Sie haben einen Weg betont, den der Herr für die Kirche vorgesehen hat. Und die Einheit unter den Bischöfen fördert auch die Suche nach Konsens. In einem Land – das ist jetzt nicht Italien – gibt es eine Diözese, die neue Grenzen bekommen hat, aber, weil man sich nicht einigen konnte, wo die Schätze der Diözesankathedrale aufbewahrt werden sollen, gibt es seit über 40 Jahren Gerichtsprozesse. All das, nur wegen dem Geld. Das verstehe ich nicht! Da feiert aber der Teufel! Er ist der Gewinner in einer solchen Situation. Es ist schön, wenn Sie sagen, dass die Bischöfe immer einen Konsens finden, aber sie müssen dies immer in der Einheit tun, nicht in der Gleichheit. Jeder hat sein eigenes Charisma, jeder denkt anders und sieht die Dinge anders. Diese verschiedenen Sichten können auch zu Fehlern führen, aber oft sind sie Früchte des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist wollte ja, dass es in der Kirche diese Buntheit an Charismen gibt. Der selbe Heilige Geist fördert die Verschiedenheit, um dann die Einheit zu bringen; eine Einheit in der jeder verschieden ist, ohne dass man die eigene Persönlichkeit verliert. Ich hoffe also nicht, dass es in Ihrem Bistum so weiter geht, wie Sie es geschildert haben. Wir alle sind doch gute Menschen, weil wir getauft wurden und wir haben den Heiligen Geist in uns, der uns hilft vorwärts zu gehen.”
Zweite Frage: Die Volksfrömmigkeit
“Ich bin Pater Angelo Piscopo, Pfarrer in der Gemeinde des Heiligen Apostel Petrus und Kathedra Petri. Meine Frage lautet: Heiliger Vater, in der Apostolischen Exhortation Evangelii Gaudium laden Sie uns dazu ein, die Volksfrömmigkeit zu fördern und zu stärken, die ein wichtiger Schatz der katholischen Kirche ist. Gleichzeitig aber haben Sie auf die Gefahren hingewiesen – die es leider in der Tat auch gibt – und zwar die Verbreitung eines individualistischen und sentimentalen Christentums, die nur auf alte Traditionsformen achtet, ohne sich jedoch auf die fundamentalen Aspekte des Glaubens zu beziehen und sich auch von dem sozialen Leben loslöst. Welchen Ratschlag können Sie uns diesbezüglich geben, damit wir eine Seelsorge fördern, die nicht gegen die Volksfrömmigkeit ist und gleichzeitig den Primat des Evangeliums berücksichtigt? Herzlichen Dank, Heiliger Vater.”
Der Papst:
“Man sagt, dass wir in einer Zeit leben, in der die Religiosität unwichtig geworden ist, das glaube ich aber nicht. Es gibt ja eben diese Strömungen, diese Schulen der persönlichen Religiosität sozusagen, die sehr agnostisch sind und eine Seelsorge haben, die den Gebeten der Vorchristen sehr ähnlich sind, also wie vor-biblische oder agnostische Gebete. Der Agnostizismus ist durch diese Gruppen in die Kirche eingetreten. Ich nenne diese Strömung ‘Intimismus´. Diese Strömung tut uns nicht gut. Man fühlt sich dabei ruhig und voll mit Gott verbunden. Das ist ein wenig wie der Weg des New Age, auch wenn das wiederum etwas anderes ist. Es gibt zwar Religiosität, aber das ist eine heidnische Religiosität oder sogar häretisch, würde ich sagen. Wir müssen uns nicht davor fürchten, diesen Begriff auszusprechen, weil der Agnostizismus nun doch eine Häresie ist. Das war die erste Häresie in der Kirchengeschichte. Wenn ich von Religiosität spreche, dann spreche ich von jenem Schatz der Barmherzigkeit, die so viele Werte beinhaltet und die der grosse Paul VI. in Evangelii Nuntiandi beschrieb. Denkt an eine Sache: Das Dokument von Aparecida, die bei der 5. Bischofskonferenz der lateinamerikanischen Bischöfe erarbeitet wurde, hat im vorletzten Abschnitt einen Bezug auf Evangelii Nuntiandi geschaffen, das 40 Jahre zuvor geschrieben wurde. Das heisst, jener Text ist aktueller denn je. Paul VI. hielt darin fest, dass die Volksfrömmigkeit manchmal auch die Frohe Botschaft bedarf, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie zu einseitig wird und keinen starken Glauben mehr vertritt. Doch die Barmherzigkeit der Menschen kommt in ihre Herzen durch die Taufe und dies ist eine grosse Antriebskraft, deshalb kann das Volk Gottes in ihrer Gesamtheit nicht irren und ist unfehlbar im Glauben, wie es in Lumen Gentium bei der Nummer 12 heisst. Die wahre Volksfrömmigkeit entsteht durch den sensus fidei, wie es im Konzilsdokument heisst und ist die Leitung zum Gebet mit den Heiligen, der Muttergottes sowie auch im guten Sinne den volkstümlichen Ausdrucksweisen. Deshalb ist die Barmherzigkeit des Volkes so tief verwurzelt. Es kann eine Barmherzigkeit des Volkes im Labor geben, die aseptisch ist. Sie geht immer von unserem Leben aus. Wir können kleine Fehler begehen – und da müssen wir achtgeben –doch die Volksfrömmigkeit ist ein Instrument der Evangelisierung. Denken wir nur an die heutige Jugend. Meine Erfahrung in einer anderen Diözese war die, dass die Jugend und die Jugendbewegungen in Buenos Aires nicht funktionierten. Weshalb? Weil man ihnen sagte, treffen wir uns, um zu sprechen… und am Schluss langweilten sich die Jugendlichen. Doch als die Priester einen Weg der Miteinbeziehung fanden und zwar in kleinen Missionsarbeiten während der Ferienzeit oder die Strassenkatechese auch in den Dörfern, die keine Priester hatten, dann gab es Erfolg. Die Jugend will diese missionarische Antriebskraft und sie lernen selber, die Barmherzigkeit zu finden, die dann auch eine Art von Volksfrömmigkeit ist. Das Jugendapostolat ist eine Art Volksfrömmigkeit. Die aktive Volksfrömmigkeit ist in gewisser Weise ein sensus fidei – wie Paul VI. sagte, der sehr tiefgründig ist und der nur von den einfachen und bescheidenen Menschen verstanden wird. Und das ist doch grossartig! In den Wallfahrtsorten gibt es so viele Zeugnisse von Wunder! Jeden 27. Juli ging ich zum Heiligtum des Heiligen Pantaleo in Buenos Aires und war morgens für die Beichte zuständig. Und jedes Mal fühlte ich mich erneuert und war beeindruckt, wie heilig die einfachen Menschen dort waren. Sie waren Sünder aber gleichzeitig auch Heilige, weil sie ihre Sünden bekannten und dann noch über ihr Leben sprachen. Dann spürte man den Sinn für die Frohe Botschaft. An den Wallfahrtsorten findet man solche Dinge. Die Beichtstühle in diesen Orten sind Orte der Erneuerung für unsere Priester und Bischöfe. Dort finden sozusagen Kurse der Erneuerung unseres Glaubens statt, weil man dort die Volksfrömmigkeit spürt. Und wenn die Gläubigen zur Beichte kommen, erzählen sie dir all ihre Leiden und als Priester siehst du aber die Güte und Barmherzigkeit Gottes, die dahinter ist und diese Menschen zu dieser Situation geführt hat. Dieses Treffen mit dem Volk Gottes, das betet und auf dem Weg ist, ist eine wahre Hilfe auf unseren priesterlichen Weg.”
Dritte Frage: Identitätskrise der Priester
“Erlauben Sie mir, dass ich Sie Pater Franziskus nennen darf, weil Vaterschaft auch Heiligkeit beinhaltet, wenn sie authentisch ist. Als ehemaliger Schüler der Jesuiten verdanke ich diesem Orden meine Schulausbildung im kulturellen und priesterlichen Bereich. Ich möchte aber einen persönlichen Eindruck preisgeben: Der Priester des dritten Jahrtausends sieht folgendermassen aus: ausgeglichen im menschlichen und spirituellen Bereich; missionarisches Bewusstsein; offen für den Dialog mit anderen Konfessionen und Religionen. Wieso sehe ich das so? Sie haben eine kopernikanische Wende eingeführt durch ihre Art zu sprechen, durch Ihren Lebensstil und IhrVerhalten sowie durch Zeugnis zu verschiedenen Themen auf Weltebene, was auch Atheisten und jene beeindruckt, die so weit weg von der Kirche sind. Meine Frage dazu: wie ist es in der heutigen Gesellschaft möglich, dass eine Kirche, die wachsen möchte, oft so weit zurück liegt gegenüber einer Gesellschaft, die sehr dynamisch und konfliktreich, aber gleichzeitig auch sehr weit weg von den christlichen Werten ist? Ihre linguistische, semantische, kulturelle und evangelische Revolution verursacht nicht bei wenigen Priestern eine echte Existenzkrise. Welchen kreativen Weg empfehlen Sie uns, um diese Krise zu überwinden? Danke.”
Der Papst:
“Nun, wie ist es möglich, dass die wachsende Kirche vorwärts geht? Sie haben einige Begriffe genannt wie Ausgleich, Dialog… Wie ist es möglich, vorwärts zu gehen? Sie haben ein sehr schönes Wort benutzt, ich würde sogar sagen ein göttliches Wort: Kreativität. Das war ein Gottesgebot an Adam: Geh und lasse die Erde wachsen. Sei kreativ. Das hat Jesus auch seinen Jüngern befohlen und zwar durch den Heiligen Geist und wir sehen das beispielsweise in der Urkirche im Verhältnis zum Judentum: Paulus war sehr kreativ. Petrus hatte einmal Angst, als er zu Cornelius ging, weil Petrus dachte, dass er etwas Neues und Kreatives einführen würde. Aber trotzdem ging er hin. Kreativität ist das Stichwort. Und wie kann man diese Kreativität finden? Allen voran – und das ist die Voraussetzung, wenn wir im Geiste kreativ sein wollen, also im Geiste unseren Herrn Jesus Christus – gibt es keinen anderen Weg als das Gebet. Ein Bischof, der nicht betet, ein Priester, der nicht betet, hat die Türe schon verschlossen, hat den Weg der Kreativität bereits geschlossen. Gerade im Gebet, wenn der Heilige Geist dir etwas spüren lässt, kommt noch der Teufel hinzu und lässt dich etwas anderes spüren; doch im Gebet finden wir die Voraussetzung, um vorwärts zu gehen. Das gilt auch dann, wenn einem das Gebet langweilig vorkommt. Das Gebet ist sehr wichtig. Und ich meine jetzt nicht nur die vorgegebenen Gebete, ich denke auch an die Liturgie der Messe, die ruhig und mit Demut gefeiert wird oder an das persönliche Gebet mit dem Herrn. Wer nicht betet, kann gewiss ein guter Geschäftsmann der Seelsorge und Spiritualität sein, aber die Kirche ohne Gebet wird zu einer NGO und hat nicht die unctio Spiritu Sancti. Das Gebet ist der erste Schritt, weil es eine Öffnung zum Herrn ist, um sich den Mitmenschen zu öffnen. Und der Herr selber sagt: Mach dies, mach jenes… und daraus entsteht Kreativität, der bei vielen Heiligen sehr viel Mühe kostete. Denken wir an den Seligen Antonio Rosmini, der ein sehr kreativer Kritiker war, gerade weil er viel betete. Er hatte das geschrieben, was ihm der Heilige Geist spüren liess und aus diesem Grund musste er in das geistliche Gefängnis gehen, also sozusagen zu seinem Haus: Er durfte daraufhin nicht mehr sprechen, lehren oder schreiben, seine Bücher standen auf dem Index. Und heute ist er ein Seliger der Kirche! Oft ist es so, dass dich die Kreativität auf das Kreuz bringt. Doch wenn dies durch das Gebet geschieht, dann wird es Früchte bringen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Kreativität die sans façon oder einfach nur revolutionär ist, weil es heutzutage eine Mode ist, ein Revolutionär zu sein, nein, das hat nichts mit dem Heiligen Geist zu tun. Doch wenn die Kreativität durch den Heiligen Geist kommt und durch das Gebet entsteht, dann kann das auch Probleme mit sich bringen! Die Kreativität, die durch das Gebet kommt, hat eine anthropologische Dimension der Transzendenz, weil wir uns durch das Gebet der Transzendenz Gottes öffnen. Aber es gibt auch eine andere Transzendenz:: sich den Mitmenschen öffnen. Es bedarf keiner in sich verschlossener Kirche, die nur auf den eigenen Bauchnabel schaut, einer auf sich selber bezogene Kirche, die nur sich selber betrachtet und nicht in der Lage ist, sich zu öffnen. Die Transzendenz ist aus zweierlei Hinsicht wichtig: zu Gott und zum Nächsten hingehen. Aus sich hinaus gehen, ist ein Abenteuer, ein Weg, den Gott den Menschen gezeigt hat, aber auch dem Volk, als er Abraham sagte: Geh aus deinem Land hinaus. Aus sich gehen, bedeutet Gott zu treffen und die Mitmenschen. Und wie geschieht dies? Von weitem oder von nahem? Natürlich von nahem, ganz nah sogar. Kreativität, Transzendenz und Nähe: Nähe ist ein Schlüsselwort, also nahe sein und sich vor nichts fürchten, denn der Mensch Gottes hat keine Angst. Paulus selber hatte keine Furcht, als er so viele Götterabbildungen in Athen sah und sagte den Menschen: ihr seid religiös, ihr habt so viele Götter… aber ich spreche von jemand anderem. Er fürchtete sich nicht, sich ihnen anzunähern und sogar ihre Dichter zu zitieren: wie sagten eure Dichter?… Er stand der Kultur nahe aber auch den Menschen und ihren Gedanken, ihren Leiden und Gefühlen. Oft ist diese Nähe ein Akt der Busse, weil wir so oft langweilige Dinge hören müssen, die sehr verletzend sind. Vor zwei Jahren hat mir ein Priester, der in Argentinien als Missionar tätig war – er stammte aus Buenos Aires und ging in den Süden, wo es keine Priester gab und stattdessen viele Evangelikale –, dass er zu einer Frau ging, die Lehrerin war und später dann sogar Schulleiterin im Dorf. Diese Frau liess ihn auf einen Stuhl setzen und begann auf ihn einzuschreien, nicht mit Schimpfwörtern, aber mit sehr bösen Worten. ‘Ihr habt uns alleine gelassen, ich brauche das Wort Gottes und musste zu einem Protestanten hingehen und deshalb wurde ich selber Protestantin’, sagte sie. Dieser junge Priester, der sehr ruhig ist, ist auch einer, der betet und am Schluss des Zornausbruches der Frau sagte: ‘Ein Wort: Vergebung. Bitte vergib uns! Wir haben die Herde alleine gelassen.’ Und die Frau änderte sofort ihre Tonlage. Sie blieb dennoch Protestantin, aber der Priester sprach nicht darüber, welche Konfession die richtige sei. In jenem Augenblick ging es auch gar nicht darum. Aber am Schluss lächelte die Frau und sagte: ‘Pater, möchten Sie einen Kaffee?´ – ‘Ja, nehmen wir gemeinsam einen Kaffee.’ Als dann der Priester rausging, sagte sie: ‘Warten Sie, Pater, und kommen Sie hierher.’ Im Schlafzimmer öffnete sie den Schrank und zeigte ihm ein Muttergottes-Bild. ‘Sie müssen wissen, dass sie mich nie im Stich gelassen hat. Ich habe dieses Bild vor dem protestantischen Pastor versteckt, aber hier Zuhause ist sie nun mal da.’ Diese Anekdote lehrt uns, dass die Nähe, die Sanftmut dazu geführt hat, dass diese Frau wieder mit der Kirche versöhnt ist, da sie sich von der Kirche verlassen gefühlt hatte. Und ich stellte ihm eine Frage, die man niemals stellen darf und zwar, wie es zu Ende ging. Der Priester korrigierte mich sofort und sagte: ‘Ach, ich fragte nicht weiter: Sie besucht weiterhin die protestantische Kirche, aber man sieht, dass sie eine Frau ist, die betet und dann macht der Herr, was er will.’ Er ging nicht weiter und hat sie nicht eingeladen, wieder der katholischen Kirche beizutreten. …
Fortsetzung folgt
rv 27.07.2014 mg
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