Evangelium Dienstag, der 4. Osterwoche

In Jerusalem fand das Tempelweihfest statt

Es war Winter, und Jesus ging im Tempel in der Halle Salomos auf und ab.
Da umringten ihn die Juden und fragten ihn: Wie lange noch willst du uns hinhalten? Wenn du der Messias bist, sag es uns offen!

Jesus antwortete ihnen: Ich habe es euch gesagt, aber ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich im Namen meines Vaters vollbringe, legen Zeugnis für mich ab; ihr aber glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört.

Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir.
Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreissen.

Mein Vater, der sie mir gab, ist grösser als alle, und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreissen.

Ich und der Vater sind eins.

Kommentar zum heutigen Evangelium
Joseph Kardinal Ratzinger (Papst Benedikt XVI.)
Der Gott Jesu Christi

“Niemand kann sie der Hand meines Vaters entreissen”

Gott ist – christlicher Glaube fügt hinzu: Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist – dreifaltig-eins. Ein verlegenes Schweigen umgibt in der Christenheit weithin diesen ihren Mittelpunkt. Hat die Kirche sich damit nicht zu weit vorgewagt? Sollten wir nicht lieber so Grosses, so Unzugängliches in seiner Unzugänglichkeit belassen? Kann solches überhaupt etwas für uns bedeuten? Nun, gewiss, dieser Satz ist und bleibt Ausdruck der Andersheit Gottes, der unendlich grösser ist als wir, all unser Denken und Sein überschreitet. Aber wenn er uns gar nichts zu sagen hätte, wäre sein Inhalt nicht offenbart worden… Was also heisst das? Beginnen wir an der Stelle, an der auch Gott begonnen hat. Er nennt sich Vater. Menschliche Vaterschaft darf eine Ahnung geben von dem, was er ist. Aber wo es Vaterschaft nicht mehr gibt, wo wirkliche Vaterschaft als ein nicht bloss biologisches, sondern zugleich menschliches und geistiges Phänomen nicht mehr erfahren wird, da wird auch die Rede von Gott dem Vater leer…

Wo Vaterschaft nur noch entweder als biologischer Zufall ohne menschlichen Anspruch oder als Tyrannis erscheint, die man abwerfen muss, da ist etwas am Grundgefüge des Menschseins verletzt. Zur Gänze des Menschseins bedarf es des Vaters in jenem wahren Sinn… als Verantwortung für den anderen, die ihn nicht beherrscht, sondern ihn freigibt zu sich selbst: als Liebe, die den anderen nicht vereinnahmen möchte … sondern ihn für seine innerste Wahrheit will, die in seinem Schöpfer ist. Solches Vatersein ist freilich nur möglich unter der Voraussetzung der Annahme des eigenen Kindseins. Die Bejahung des Jesuswortes “Nur einer ist euer Vater, der im Himmel” (Mt 23,9), ist die innere Voraussetzung dafür, dass Menschen auf rechte Weise Vater sein können…

Wir müssen freilich auch dies hinzudenken: Die Tatsache, dass Gott in der Bibel primär unter dem Bild “Vater” erscheint, schliesst doch das andere mit ein, dass auch das Geheimnis des Mütterlichen in ihm seinen Ursprung hat … Er [der Mensch] ist nicht “Bild Gottes2 (Gen 1,27) als Abstraktion – das führt nur wieder zu einem abstrakten Gott. Er ist es in seiner konkreten Wirklichkeit, und die ist Beziehung.

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