Immer Prügel für die Kirche

 In den Medien hat die Kirche einen schweren Stand

Quelle

Die Annahme, dass die katholische Kirche bei deutschen Journalisten besonders schlecht wegkommt und vielfach unfair behandelt wird, trifft zu – Schuld daran sind nicht immer nur die Medien.

Die Tagespost, 02.04.2014, von Klaus Kelle

Warum wird eigentlich über die katholische Kirche meistens negativ berichtet, während die Frohe Botschaft Jesu keinen Raum findet?

Die Frage ist so simpel wie auch die Antwort: Weil das Mediengeschäft nun einmal so läuft. Medien sind kommerzielle Unternehmen, sie haben keinen Bildungs- und schon gar keinen Missionsauftrag. Jede Zeitung braucht Käufer und jeder Sender – auch der öffentlich-rechtliche Staatsfunk – schielt auf gute Quoten. Das ist die Ausgangslage, oder salopp gesagt: sie geben ihren Kunden, was sie wollen, und verdienen damit Geld. Jeder Redaktionsvolontär lernt bereits in der ersten Ausbildungswoche den Grundsatz “Bad News are good News“. Übersetzt bedeutet das: Schlechte Nachrichten bringen Aufmerksamkeit, sie bringen ein Prickeln in das Leben der Medien-Konsumenten, und sie sind Erfolgsgaranten.

Orientierung am Mainstream

Niemand will nur gute Nachrichten lesen. Es gab Zeitungen in den USA, die es versucht haben und jämmerlich gescheitert sind. Alle Passagierflugzeuge sind heute auf der Welt sicher gelandet. 25 Millionen deutsche Autofahrer sind gestern ohne Unfall sicher wieder vor dem Haus abgestellt worden. Nein, viel Aufmerksamkeit erlangen Flugzeuge, die – wie jüngst – verschollen sind. Oder Autounfälle. So einfach ist das.

Der Journalist unserer Tage sucht das Exzentrische, das ausserhalb der Norm liegende, den Skandal. Und gibt es gerade keinen, dann schafft er sich einen. Das gehört zu den Spielregeln der modernen Empörungs-Gesellschaft. Als der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel in einem Genfer Hotel unter bis heute ungeklärten Umständen starb, schlichen zwei Reporter des Magazins “Stern“ in sein Hotelzimmer und fotografierten den Toten in der Badewanne. Kaum war das bekannt, schwappte eine Welle der Empörung durch Deutschland. Eine repräsentative Meinungsumfrage ergab, dass 77 Prozent der Bundesbürger nicht wollten, dass diese Bilder veröffentlicht werden. Totenruhe und so. Der “Stern“ druckte die Fotos natürlich und erschien dafür sogar einen Tag früher als üblich. In wenigen Stunden war die komplette Auflage ausverkauft. Die Medien-Nutzer wollen es so, wie es ist. Nur, dass dabei eben auch die Kirche, insbesondere die katholische Kirche, nicht ausgenommen wird.

Wird sie von Medien schlechter behandelt als andere vergleichbare Grossorganisationen? Ja, das wird sie. Als im Sommer 2012 der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller vom Papst zum Präfekten der Glaubenskongregation berufen wurde, meldeten das die “heute“-Nachrichten im ZDF und lieferten gleich mit, wie der Zuschauer darüber zu denken hat. Der erste Satz der “Nachricht“ stimmte ein: “Die neue Personalie im Vatikan erregt Aufsehen und löst Kritik aus.“ Ein “erzkonservativer Hardliner“ sei Müller und “umstritten“. Und ausserdem sei die Glaubenskongregation die Nachfolgerin der Inquisition. Es fehlte als Illustration nur noch ein Hintergrundbild mit Scheiterhaufen.

Was wäre, wenn eine Meldung dieser Bauart zum Beispiel über die Partei Die Linke über den Äther ginge? “Die erneute Wahl des ehemaligen SED-Politikers Gregor Gysi zum Fraktionsvorsitzenden der extremistischen Partei Die Linke löst Kritik aus. Der umstrittene Politiker gilt als sozialistischer Hardliner. Die Linke besteht zu einem beträchtlichen Teil aus Mitgliedern der Staatspartei der früheren DDR-Diktatur…”. Kein Redakteur oder Moderator von ARD, ZDF & Co. würde so etwas in den Nachrichten formulieren.

Die Kirche kommt in den grossen Medien nicht gut weg – die evangelische etwas besser, weil sie sich in vielen Fragen dem gesellschaftlichen Mainstream angepasst hat. Die katholische Kirche ist in ethischen Themen, aber auch bei Familie, bei Traditionen ein Fels in der Brandung, der oft dem Mainstream entgegensteht. Das gefällt nicht jedem, schon gar nicht jedem Journalisten. Bevor Kölns Erzbischof Joachim Kardinal Meisner kürzlich in den wohlverdienten Ruhestand ging, meldete er sich im Februar dieses Jahres noch einmal kraftvoll zu Wort. In einem Brief an alle Priester, Diakone und Laien im Kirchendienst des grössten deutschen Bistum schrieb er zu Recht von “Vertrauensverlust“ und von “Häme“ gegenüber der Kirche. “Französische Wissenschaftler“, so der Kardinal weiter, “betrachten dieses Phänomen inzwischen als ‘Katholikenphobie‘ und weisen darauf hin, dass keine Religion oder Konfession so gezielt öffentlich angegriffen wird wie die katholische Kirche.“

Dies wurde besonders deutlich bei der Berichterstattung über die schlimmen Missbrauchsfälle an Schutzbefohlenen, die ab 2010 einem grossen Publikum bekannt wurden. Sexueller Missbrauch an Kindern – etwas Widerwärtigeres ist kaum vorstellbar. Und natürlich mussten die Medien breit und ausführlich darüber berichten. Doch die Berichterstattung entwickelte sich so, als sei Missbrauch ein ganz besonders bei katholischen Geistlichen gepflegtes Feld der Kriminalität. Doch das ist keineswegs so – und nochmal: es geht hier nicht darum, irgendetwas zu verharmlosen. Aber Missbrauch an Schutzbefohlenen findet in mehr als 90 Prozent der Fälle im Familien- und Bekanntenkreis statt. Missbrauch findet in Sportvereinen, Privatinternaten, der evangelischen Kirche und an vielen anderen Orten statt. Die Berichterstattung spiegelte das nicht wider.

Kirche und Politik werden nicht gleich kritisch gesehen

Und während die katholische Kirche wenigstens den Versuch machte, sich den schlimmen Verbrechen zu stellen – Runde Tische, Opfer-Hotline, Treffen des Papstes mit Opfern, Entschädigungszahlungen – fragte niemand, was eigentlich anderswo getan wird.

Die öffentlichen Vorwürfe und Appelle nahmen teils groteske Züge an, etwa als die “Süddeutsche Zeitung“ öffentlich geisselte, der Papst schweige immer noch zu den Missbrauchsfällen an der Odenwaldschule, die – wie die meisten anderen Menschen wussten – mit der Kirche überhaupt nichts zu tun hat. Oder der absurde Versuch, den Missbrauch als eine logische Folge des Zölibats darzustellen. Es wird mit zweierlei Mass gemessen, und die Katholiken bekommen immer die meisten Prügel ab. Dieselben Leute, die übrigens zu den Missbrauchsfällen in der Kirche die schneidigsten Stellungnahmen abgaben, waren dann übrigens alle verschwunden, als der Pädophilie-Skandal bei den Grünen bekannt wurde. Welches Medium fragte da mal nach Runden Tischen, Opfer-Hotline und Entschädigung für die Opfer?

Dabei bietet dieser ganze Vorgang mit den Missbrauchsfällen durchaus einigen Anlass zur Selbstkritik. Jeder Medienberater weiss: Kommt so etwas heraus, gibt es nur eins: absolute Offenheit und Transparenz. Letztlich, das zeigen viele Beispiele, kommt sowieso immer alles heraus. Jahrzehntelang wurde von Seiten der Kirche beim Thema Missbrauch gemauert, verharmlost und vertuscht. Täter wurden versetzt und konnte weiter Verbrechen begehen. Wenn Medien dann berichten, sind nicht sie die Bösen, sondern die Täter. Und nach der ersten Veröffentlichung beginnt das immer gleiche Ritual: Man habe nichts gewusst, werde die Vorwürfe aber intern prüfen (kann natürlich ein wenig dauern). Kommen dann weitere Dinge ans Tageslicht, bittet man um Verständnis, dass erst das Ergebnis der internen Prüfung (das man nicht beeinflussen möchte) abgewartet werden soll. Kommen dann neue Dinge ans Tageslicht, setzt man eine Kommission ein, die prüfen und Konsequenzen entwickeln soll. Sollte etwas vorgefallen sein, werde man rückhaltlos aufklären und sich entschuldigen. Und so weiter… In welcher Gemütsverfassung schreibt ein Journalist seinen Artikel, der immer wieder den gleichen Schmonzes zu hören bekommt? Das Beschriebene gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die Kirche. Der Steuersünder Hoeness oder der Plagiator zu Guttenberg könnten das bestätigen. Und der ehemalige Bischof von Limburg Franz-Peter Tebartz-van Elst wohl auch.

Es ist nicht immer alles Schuld der Medien. Bischof Tebartz-van Elst ist von manchen Medien übel mitgespielt worden, das ist wahr. Und von einigen geistlichen Herren auch. Aber, er trägt auch eine Mitverantwortung. Viele gutwillige Gläubige sind nach der Lektüre des Prüfberichtes nicht damit einverstanden, wie dort mit Geld umgegangen wurde. Die Jagd indes, die medial gestartet wurde – insbesondere von einer grossen Qualitätszeitung – liess jedes Mass vermissen.

Eine Kirche ist kein Konzern und keine politische Partei. Sie lebt mehr als alles andere von ihrer Glaubwürdigkeit. Und da ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten manches kaputt gegangen. Und gerade deshalb muss sie gegenüber den Gläubigen und der Gesellschaft besonders sensibel sein. Auch im Umgang mit den Medien.

Der Zustand der katholischen Kirche in Deutschland ist kein Nebenaspekt, wenn man ihre mediale Wirkung beurteilen will. Gerade, wenn man einer in Teilen feindseligen Presse gegenübersteht. Doch warum sind eigentlich so viele Journalisten gegenüber der Kirche beinahe feindselig eingestellt? Da kommt manches zusammen.

In den Medien nur wenig engagierte Christen

Zum einen gibt es wenige engagierte Christen, die den Beruf eines Redakteurs erlernen und ausüben wollen. Das ist bei sogenannten Bürgerlichen generell feststellbar. Die Prioritäten liegen woanders. Der Journalistenberuf hat ein mieses Ansehen, unterboten in der Regel nur durch unsere Politiker. Lebensweise und Arbeitszeiten zumindest der aktuellen Berichterstatter sind unattraktiv, ja bisweilen ungesund. Ein Bürgerlicher studiert oder lernt einen “anständigen Beruf“, gründet eine Familie, spart für ein Häuschen. Aber Journalist werden? Viele sind alleinstehend und kinderlos. Auf sie wirken der Glaube an Gott und die Existenz der Kirche wie ein Anachronismus. Manche verstehen sie als eine Kritik am eigenen Leben. Da ist kaum Sympathie zu erwarten.

Hinzu kommen die politischen Präferenzen. Deutschlands Journalisten ticken links, das ist wissenschaftlich in einer gross angelegten Untersuchung des Instituts für Publizistik der Universität Mainz nachgewiesen worden. Ganze neun Prozent der deutschen Journalisten bekunden, dass sie der CDU/CSU nahestehen. Bei der FDP sind es sechs Prozent. Gut, Letzteres ist heutzutage da schon ein guter Wert. Wenn sich drei Viertel der Journalisten aber selbst als links verorten, wird die katholische Kirche mit ihren Grundhaltungen auch in dieser Beziehung wenig Verbündete finden.

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