“Möge dieser Tod nicht umsonst gewesen sein…”

Ukraine

Der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. hat in der Krim-Krise zum Frieden aufgerufen und vor einem Krieg zwischen seinem Land und der Ukraine gewarnt.

“Heute beten wir dafür, dass es nie einen militärischen Konflikt gibt, dass nie Halbbrüder gleichen Glaubens auf fürchterliche Art zusammenstossen”, sagte das Kirchenoberhaupt am Freitag bei einem Gottesdienst in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale. Die Souveranität anderer Staaten und deren Wunsch, selbst über ihr Leben zu entscheiden, müsse respektiert werden. In Moskau gingen laut Medienberichten an diesem Samstag zehntausende Menschen gegen Putins Pläne friedlich auf die Strasse. Sie schwenkten ukrainische Flaggen und riefen Slogans gegen eine Teilung der Ukraine.

Die Bevölkerung der Krim soll am Sonntag in einem umstrittenen Referendum über einen Beitritt der Halbinsel zur Russischen Föderation abstimmen. Dass die Angst vor einer Spaltung des Landes die christlichen Konfessionen und Religionen in der Ukraine enger zusammenschweisst, erzählt der Priester Oleksandr Khalayim. Radio Vatikan erreichte ihn an diesem Samstag telefonisch in der westukrainischen Stadt Horodok:

“Die Angst vor Blutvergiessen hat das Volk vereint: Man steht zusammen. Man spricht nun nicht mehr über Unterschiede zwischen Orthodoxen, Katholischen und Protestanten, denn alle beten zusammen für den Frieden, damit die Lage sich bessert. Auch auf dem zentralen Platz in Kiew, dem Maidan, ist ein grosser Respekt für die Priester spürbar, es gibt da keinen Unterschied zwischen einem katholischen oder orthodoxen Priester. Auf dem Maidan gab es immer ein Zelt, das als kleine Kapelle diente, wo man rund um die Uhr beten konnte. Mir scheint, dass das Volk von neuem den Gottessinn sucht: Siebzig Jahre lang wurde hier geschrien, dass Gott nicht existiere. Diese Situation sagt uns dagegen, dass man vor einer Änderung in Politik und Wirtschaft zuerst Gott finden und sich innerlich wandeln muss.”

Diese Einheit habe er auch in anderen Landesteilen beobachten können, so der Priester, der in den letzten beiden Wochen viel in der Ukraine unterwegs war. Spannungen und Blutvergiessen wie die Schiesserei zwischen prorussischen Kräften und radikalen Nationalisten im ostukrainischen Charkiw, bei der zwei Menschen starben, seien traurige Eskalationen. Über das Referendum vom Sonntag kann Khalayim nur den Kopf schütteln:

“Wie kann man eine Volksabstimmung mit Waffen durchführen? Überall ist russisches Militär. Auf der Halbinsel sind unsere katholischen Priester, acht, neun Personen. Wir können ihnen keine Medizin bringen, nicht mal das Nötigste. Da gibt es Kontrollen wie die am Flughafen.”

Seine Glaubensbrüder auf der Krim berichteten ihm, die Bevölkerung der Krim wolle keinen Krieg. Das gelte auch für die muslimischen Tataren, die zusammen mit Russen und Ukrainern auf der Halbinsel leben, erzählt der Priester. Sie sagten: “Wir wollen in der Ukraine bleiben, wie vorher.” Khalayim hat den Umbruch in der Ukraine von Anfang an mitverfolgt und auch Menschen umkommen sehen. Die Vorgänge lasteten schwer auf dem Gemüt der Ukrainer, erzählt er:

“Betroffen gemacht hat mich die Geschichte eines Jugendlichen, der hier in der Nähe seine Verlobte vor dem Tod rettete, indem er sich vor sie warf, als geschossen wurde. Als sie ihn nach Haus trugen, kam die ganze Stadt, um zu beten. Ein anderes Erlebnis: Ein Vater sagte bei der Beerdigung seines 20-jährigen Sohnes: ‘Dieser Junge war unsere Hoffnung. Alles, was wir für ihn taten, sollte auch uns in Zukunft helfen.’ Und trotz des grossen Schmerzes fügte er an: ‘Möge dieser Tod nicht umsonst gewesen sein und eine Veränderung in unserem Land bringen.'”

rv 14.03.2014 pr

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