“Der richtige Mann am richtigen Ort”

Rheinländer und Oberpfälzer feiern Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller

Quelle
Konservativ und prinzipientreu

Von Regina Einig

Rom, die Tagespost, 24. Februar 2014

Ökumene hat Tradition in der deutschen Botschaft in Rom: Der Vertreter Deutschlands beim Heiligen Stuhl gehört in der Regel der evangelischen Konfession an.

Für den vormaligen deutschen Ökumenebischof Gerhard Ludwig Müller und seine Gäste ist der Empfang in der Via dei Tre Orologi am Sonntagmittag der sonnige Schlussakkord eines an Überraschungen reichen Festwochenendes.

Botschafter Reinhard Schweppe und seine Frau Margret Schweppe-Ebber empfangen die Gäste so stilvollendet und herzlich, dass die Debatte über die umstrittene Personalie von Frau Schavan als mögliche Nachfolgerin Schweppes für einen Tag vergessen ist. Dass nach dem Pontifikat von Papst Benedikt XVI. ein Deutscher an der Spitze der Glaubenskongregation steht, der mit der Theologie Joseph Ratzingers bestens vertraut ist, signalisiert dogmatische Kontinuität in kirchlich bewegten Zeiten.

“Wir sind stolz auf Sie”, unterstreicht Botschafter Schweppe und erwähnt den historischen Wandel im Vatikan. Müllers Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation fällt in einen geschichtlich einmaligen Rahmen: Zwei Päpste leben im Vatikan. Das öffentliche Erscheinen des rüstigen Benedikt ist von vielen Besuchern des Konsistoriums als ein doppeltes Zeichen verstanden worden: sowohl der Übereinstimmung der beiden Päpste als auch als ein Signal persönlicher Verbundenheit mit Kardinal Müller, dem Herausgeber der gesammelten Schriften Joseph Ratzingers und Begründer des Instituts Papst Benedikt.

Die Verdienste des international bestens vernetzten vormaligen Regensburger Oberhirten für die katholische Kirche, das Land Bayern, und die wissenschaftliche Theologie werden von Vizebundestagspräsident Johannes Singhammer (CSU) gewürdigt. Am Beispiel des feuerroten Kardinalsbiretts veranschaulicht der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in seiner Ansprache die geistliche Tiefe und Verantwortung der Kardinalswürde. Bis zum Blutvergiessen soll der neue Kardinal für die Kirche einstehen. Mit seinen Glückwünschen verbindet Bischof Voderholzer auch die Zusage, für den neuen Kardinal zu beten.

Der Geehrte selbst setzte ein unübersehbares Zeichen mitbrüderlicher Solidarität: Im sonnendurchfluteten Garten der Botschaft verstärken neben Kardinal Joachim Meisner, Kardinal Walter Kasper, Kardinal Walter Brandmüller, Kardinal Karl Josef Becker SJ, Bischof Gregor Maria Hanke OSB, Kurienbischof Josef Clemens, und Aachens Oberhirte Heinrich Mussinghoff auch Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und Bischof Walter Mixa die Reihen. Aus Mainz ist der Bruder des Kardinals mit Familie angereist. Der Präfekt der Glaubenskongregation geniesst es sichtlich, beim Essen im Garten Zeit für seine Angehörigen zu finden. Oberpfälzer und Rheinländer haben Gesprächsstoff in Hülle und Fülle. Beim Stehempfang unter Bäumen sind die Bilder des ersten öffentlichen Auftritts von Papst Benedikt XVI. nach dem Rücktritt noch ganz lebendig und in aller Munde.

Das Erstaunen darüber, dass der emeritierte Papst seinen ursprünglichen Plan, ein zurückgezogenes Leben zu führen, möglicherweise definitiv geändert hat, klingt in vielen Gesprächen durch. Viele haben den Eindruck, dass am Samstag im Petersdom eine Art Testlauf zu beobachten war. Auf einen Stock gestützt, aber doch festen Schrittes hatte Benedikt XVI. einen hellwachen und ungebrochenen Eindruck gemacht. “Er ist für mich ein Vorbild“, sagt Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst gegenüber dieser Zeitung. Vor dem Verlassen des Petersdoms hatte Benedikt XVI. mit Priestern gesprochen. Begeisterte “Viva il Papa”-Rufe für den emeritierten Papst wurden dabei laut. Anerkennung findet in Rom auch die Beharrlichkeit der Pilgergruppe aus der Heimatgemeinde des neuen Kardinals – Mainz-Finthen –, die am Freitagmorgen in Frankfurt erst in einen Flughafenstreik gerieten und dann zu einer achtzehnstündigen Busfahrt nach Rom aufbrach, um gerade noch rechtzeitig zum Fest einzutreffen.

Im Innenhof des Renaissancepalastes, in dem die Glaubenskongregation arbeitet gab es am Samstagmittag unter weiss-blauem Himmel eine Premiere: Volksfest im Heiligen Offizium. “Endlich kommt der Innenhof einmal richtig zur Geltung”, freuten sich die Mitarbeiter, die sonst ihre Autos dort parken. Neben Singhammer waren der Chef der Vatikanbank, Ernst von Freyberg, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), Bayerns Kulturminister Ludwig Spaenle (CSU), der Verleger Manuel Herder und der Schriftsteller Martin Mosebach mit seiner Frau Elisabeth gekommen. Aus Regensburg feierte eine sechzigköpfige Delegation mit. Die Verbindung zu Regensburg hat Müller als Präfekt der Glaubenskongregation immer gepflegt: Mit dem Institut Papst Benedikt besteht lebendiger Kontakt, darüber hinaus führen zwei Mallersdorfer Schwestern in Rom seinen Haushalt. Aus Kötzting waren farbenprächtig gekleidete Pfingstreiter angereist. Kardinal Müller hatte in seiner Amtszeit in Regensburg Schwung in ihre traditionelle Wallfahrt gebracht. Hoch zu Pferde wird er dort auch in diesem Jahr erwartet. Oberzugordner Dieter Casaretto schoss mit seiner kurzen aber von Herzen kommenden Ansprache den Vogel ab. “Für uns sind Sie der richtige Mann am richtigen Ort”, sagte Casaretto und dem Kardinal stand die Freude ins Gesicht geschrieben. Spaenle blieb die Aufgabe, Bayerns Stolz auszurichten.

Fürstin Gloria von Thurn und Taxis und Fürst Albert waren vielgefragte Gesprächspartner während Don Slawek, der persönliche Sekretär des neuen Kardinals, mit souveräner Freundlichkeit das turbulente Geschehen managte. Hunderte Gratulanten tummelten sich in der ersten Etage zwischen Festtagstorte, Streichquartett und Tischen mit einer herzhaften Brotzeit. Fanfaren im Hof und Glückwünsche und Bratwürstchenduft – es fehlte an nichts.

Zwischen Brezen und Obazda war die Stimmung blendend. Fotografen scharten sich um den sichtlich entspannten Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Die Kardinäle Meisner, Brandmüller, Wetter, Cordes, Madrider Oberhirte Kardinal Antonio María Rouco Varela feierten mit. Als stellvertretender Vorsitzender der deutschen Bischöfe unterstrich der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle den “rheinischen Humor” des neuen Kardinals, die herzliche Art und klare Position, mit der er eine Sache vertrete. Als Präfekt der Glaubenskongregation sei er besonders gefordert, Brücken zu bauen zu den Menschen und zur Welt. Der neue Kardinal gehöre zu den “profiliertesten Theologen der Gegenwart”, so Bischof Trelle. “Mit Erfolg und grossem Einsatz” habe er die Ökumenekommission der Konferenz geleitet. “Wir zählen dabei sehr auf Dich, auch und gerade die Kirche in Deutschland”. Und nicht nur nördlich der Alpen: Kardinal Müllers internationaler Wirkungskreis zeigte sich in der Sprachvielfalt: Zwischen Italienisch und Deutsch mischen sich auch spanische und polnische Klänge. Verschiedene geistliche Bewegungen waren vertreten, darunter die Cruzadas de Santa María. Und angesichts des zünftigen Kardinalswetters schmiedeten unermüdliche Rompilger Pläne, Müllers neue Titelkirche Sant’Agnese in Agone an der berühmten Piazza Navona zu besuchen. 600 Liter Bier wurden im Hof gezapft. Der Heilige Vater zeigte sich am Sonntagmorgen bestens informiert und begrüsste Kardinal Müller vor der Messe mit den neuen Kardinälen: “Ein schönes Volksfest”.

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