Predigt von Bischof Vitus Huonder

Anlässlich der Priesterweihe am Samstag, 16. November 2013, in der Kathedrale in Chur

Bischof Vitus Huonder von ChurQuelle

Brüder und Schwestern im Herrn,
liebe Diakone und Priesteramtskandidaten Adrian und Michael,

Ihr werdet heute zu Priestern geweiht, zu Priestern nach dem Bild und Gleichnis unseres Herrn (vgl. Gen 1,26), des Hohenpriesters des Neuen Bundes, nach dem Abbild des Sohnes Gottes Jesus Christus (vgl Gen 27).

Es ist gleichsam eine neue Schöpfung, die sich hier vollzieht. Ihr empfangt ein neues Sein, eine neue geistig-seelische Existenz: Die Existenz von Priestern unseres Herrn. Wie die Taufe die Existenz eines Kindes Gottes verleiht, so verleiht das Weihesakrament die Existenz eines Priesters des Neuen Bundes. Damit ist der Unterschied zum allgemeinen Priestertum aller Gläubigen gegeben. Das allgemeine Priestertum geht aus dem Sakrament der Taufe hervor, das besondere Priestertum aus dem Sakrament der Weihe. Es liegt demnach ein sakramentaler Unterschied vor.

Deshalb sagt die Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, über die wir in diesem Jahr des Glaubens und im ersten Jahr des Konzilsjubiläums eigens nachgedacht haben: “Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heisst das hierarchische Priestertum unterscheiden sich … dem Wesen und nicht bloss dem Grade nach” (10).

Ihr bekommt diese Gabe der priesterlichen Existenz, die Euch besonders auszeichnet, nicht zu Eurer Vollkommenheit und zu Eurer Ehre, nicht als einen Siegestitel, sondern um sie in den Dienst der Gläubigen zu stellen, wie es der heilige Petrus in seinem ersten Brief sagt: “Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes … seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde” (1 Petr 5,2-3). Die Weihe erfolgt auf die Hirtensorge hin, zum Dienst an der Gemeinde, zum Dienst an den Menschen. Das ist nicht irgend ein Dienst, es ist der Dienst des Glaubens, um den Glauben in den Seelen zu entfachen und zu erhalten. Ihr sollt ja Künder der frohen Botschaft sein (Jes 61,1), Künder von Gottes Offenbarung, Künder des menschgewordenen Sohnes Gottes Jesus Christus. Je mehr Ihr diesen Dienst erfüllt, desto vollkommener werdet Ihr, desto heiliger. In diesem Sinn fährt die Konstitution über die Kirche fort: “Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heisst das hierarchische Priestertum unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloss dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil. Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzes Volkes Gottes dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe”.

Ihr empfangt zwei herausragende Vollmachten oder Gewalten, um der Herde Gottes zu dienen: die Vollmacht der Konsekration und die Vollmacht der Absolution. Das Sakrament der Weihe hat einen besonderen Bezug zum Sakrament der Eucharistie und zum Sakrament der Busse. Im Mittelpunkt des Sakraments der Priesterweihe steht der Herr, der Herr im Geheimnis seines Leibes und Blutes, der Herr im Geheimnis seiner erbarmenden und heilenden Liebe. Ihr werdet ganz besonders auf diese Vollmachten hin geweiht.

Die Vollmacht der Absolution ist die Vollmacht der erbarmenden und heilenden Liebe Christi, welche das verlorene Schaf zur Herde zurückführt. Denn so lange wir Menschen in diesem Leben unterwegs sind, sind wir auch den Mächten des Bösen ausgesetzt, und wir alle können uns verirren. Das Ideal eines Gliedes des Volkes Gottes, wie es in der Konstitution über die Kirche beschrieben wird, ist bedroht: “… die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe”.

Oft sind wir weit weg von dieser Wirklichkeit. Wie sind wir da dankbar für die erbarmende und heilende Liebe unseres Herrn, welche der Priester uns durch die Vollmacht der Absolution in der heiligen Beichte zuwendet.

Die Vollmacht der Konsekration ist die Vollmacht, das Opfer Christi darzubringen und die Opfergaben von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi zu verwandeln. Ihr dürft Christus im Sakrament gegenwärtig setzen, Ihr dürft ihn wie niemand sonst den Menschen bringen, den Menschen schenken. Das war für den heiligen Franz von Assisi der Grund zur folgenden Mahnung an die Gläubigen: “Wir müssen .. den Geistlichen Hochachtung und Ehrfurcht erweisen, nicht allein um ihrer selbst willen … sondern wegen des Amtes und der Verwaltung des heiligsten Leibes und Blutes Christi, den sie auf dem Altar opfern und den sie empfangen und austeilen” (BrGl II,33). Der heilige Franz nimmt den Priester ganz vom allerheiligsten Sakrament her wahr, wie er sagt, von der “Verwaltung des heiligsten Leibes und Blutes Christi” her. Hinter diesem Ausdruck steht die Auffassung von der liebenden Sorge, mit welcher der Priester dem eucharistischen Herrn begegnen soll. Kein Partikel des Sakramentes darf verloren gehen, betont der Poverello.

Die Mahnung des Heiligen von Assisi erhält heute ein Echo in den Worten bei der Übergabe von Patene und Kelch an den Neu-Geweihten: “Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.” Diesem Wort möchte ich noch einen Hinweis des heiligen Franz beifügen: “Ich bitte denn auch im Herrn alle meine Brüder Priester … dass sie, so oft sie nur die Messe feiern wollen, selber rein und in reiner Gesinnung, mit Ehrfurcht und in heiliger und reiner Absicht das wahre Opfer des heiligsten Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christus darbringen” (BrOrd 14).

Ihr werdet heute zu Priestern geweiht, zu Priestern nach dem Bild und Gleichnis unseres Herrn. Mit diesem Gedanken haben wir unsere Betrachtung begonnen. Darin kommt die besondere Liebe unseres Herrn zum Ausdruck: “Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt”, haben wir eben im Evangelium vernommen (Joh 15,9). Die Weihe ist ein Zeichen, ein wirksames Zeichen dieser Liebe. Mit der Weihe bezeugt Euch Christus, lieber Michael und Adrian, seine Liebe. Deshalb werdet Ihr die Bitte des Herrn, welche dieser Liebeserklärung folgt, nie überhören: “Bleibt in meiner Liebe” (Joh 15,9). Ihr bleibt in seiner Liebe, wenn Ihr seine Gebote haltet (vgl. Joh 15,10), das heisst, seinen Auftrag immer in seinem Geiste erfüllt, aus Liebe zu ihm, und in der Liebe der Hirtensorge.

Aber das Evangelium geht noch weiter und erinnert die Jünger an die Liebe, die sie sich gegenseitig schulden, und welche letztendlich den priesterlichen Dienst fruchtbar macht: “Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe” (Joh 15,12). Die Liebe Christi zu den Jüngern muss sich auch in der Liebe der Jünger zueinander abbilden. Durch die Weihe werdet Ihr in den Jüngerkreis aufgenommen, ins Presbyterium, in eine Gemeinschaft von Geweihten mit einem gemeinsamen Auftrag. Der Herr erwartet nun, dass die Priester zusammen mit ihrem Bischof eine Gemeinschaft bilden, in der sich jeder Priester aufgehoben, geachtet und unterstützt weiss, anderseits auch alles tut, damit diese Gemeinschaft aufgebaut wird. So mündet die Sendung durch den Herrn, die Priesterweihe, in die Aufforderung, welche dem priesterlichen Dienst letzte Glaubwürdigkeit zu geben vermag: “Das trage ich euch auf: Liebt einander!” (Joh 15,17).

Amen.

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