Hysterisch katholisch!

Eine neue Form der Ökumene aus Katholiken und Nichtkatholiken

Erneut wurde eine Dienstanweisung für einen Unterteufel in der Oberwelt abgefangen. Eine KATH.NET-Glosse der besonderen Art von Dr. Helmut Müller

Koblenz, kath.net, 25. Oktober 2013

Wie gewöhnlich möchte ich nichts über meine Quellen offenbaren, wie mir die protokollierte Fassung einer höllischen Feier, anlässlich eines grandiosen Erfolges teuflischer Hintergrundregie in die Hände gespielt wurde.

Sehr verehrte höllische Majestät, meine sehr geehrten Unter- und Oberteufel, sehr geehrte in Dämonie Auszubildende, wir sind hier zusammengekommen, weil uns abermals in Deutschland ein grosser Coup gelungen ist. Das Land ist vollkommen hysterisch. Man könnte meinen, alle sind katholisch, so gross ist das Interesse an Nachrichten aus der katholischen Kirche. Über Hunderte ertrunkene Flüchtlinge ist man bestürzt, tut aber fast nichts. Wenn täglich Christen im Nahen Osten oder sonst wo umgebracht werden, nimmt man kaum Notiz davon. Wenn der Bund der Steuerzahler Verschwendung von Milliarden Euro beklagt, ärgert man sich, und am nächsten Tag ist der Ärger verflogen. Das Missmanagement beim Bau des Berliner Flughafens kostet den Steuerzahler Milliarden von Euro, es kommt ein paar Mal als erste Meldung in den Nachrichten, man schüttelt den Kopf darüber. Wenn aber in einem Provinznest wie Limburg, das im Ausland wohl bis dato mancherorts für eine Käsemarke mit üblem Geruch gehalten wurde, etwa 40 Millionen Euro in ein architektonisch gelungenes Baudenkmal von künstlerischem und historischen Wert investiert worden sind, mit dem Löwenanteil aus dem Vermögen des Bistums, ohne irgendeinen Steuerzahler zu belasten, kommt es zu einem ARD – Brennpunkt. Die Leute regen sich wochen- und vermutlich monatelang auf, treten dutzendweise aus der katholischen Kirche und auch der evangelischen aus oder regen sich auf, obwohl sie gar nicht katholisch sind. Dabei verursacht nur der Leerstand des Berliner Flughafens monatlich (!) so viel Kosten, wie die Limburger Bauten nach den pessimistischsten Schätzungen.

Ich sehe, dass mich die anwesenden Gebietsdämonen aus anderen Ländern oder Kontinenten und die noch in Dämonie Auszubildenden fragend anschauen und schon ganz gespannt sind, wie genial der dortige Gebietsdämon agiert haben muss, dass solche Emotionen geweckt werden konnten. Ganz einfach. Es geht wieder um einen katholischen Missetäter. Das hat auch schon ein Karikaturist bemerkt, indem er Bauarbeiter am Berliner Hauptstadtflughafen sagen lässt, Gott sei Dank sind wir nicht katholisch. Wir sind selbst immer wieder überrascht, welchen Erfolg wir damit haben. Katholische Triebtäter waren sofort heuchlerische Verbrecher, grüne Überzeugungstäter bestenfalls peinlich und einer konnte noch mit einem Grusswort durch einen Ministerpräsidenten geehrt werden.

Dieses Mal handelt es sich um einen Bischof. Der hat offensichtlich gelogen. Vom Bauen hat er keine Ahnung, was allerdings auch nicht zu seiner Berufsbeschreibung gehört. Ausserdem ist er ein hemdsärmliger Verwalter und hat sich wohl mit ebensolchen umgeben. Auch im Umgang mit Geld ist er ein Stümper. [Zwischenruf: Aber lügen tun sie doch alle, jeden Tag und die meisten ohne rot zu werden und schiere Unfähigkeit ist für unsere Belange eine regelrechte Lappalie]. Gemach, gemach. Es kommt darauf an, wie Alltägliches, wie Lügen, platziert und inszeniert wird. Sicher, ein lügender Bischof nimmt uns etwas vom Glanz der Inszenierung. Für die Lüge ist er voll verantwortlich. Wir können nur gewissenlose Menschen als Manövriermasse hin und her bewegen. Aber wir haben für die Platzierung der Lüge die Strippen gezogen und dafür gesorgt, dass es nicht unbemerkt blieb, dass er erster Klasse ins Elend geflogen ist. Ein Videomitschnitt der Lüge und drei Klagen von nichtbetroffenen Wutbürgern oder sogar Wutkatholiken, haben die Falle zuschnappen lassen, in der der Arme nun zappelt. Das Resultat: 100 Prozent Empörung, 99 % von diesen Empörten wäre es auch so ergangen. Gleichzeitig läuft im ZDF eine neue Staffel Borgia. Möglicher, hoffentlich häufiger Kurzschluss: Borgia ist genau so gewesen und es hat sich nichts geändert. Aber der Limburger Fall gibt mir die Gelegenheit, einmal ganz grundsätzlich zu beginnen.

Aufgrund genialer, akribischer Kleinarbeit, die vor allem den Erkenntnissen unserer Forschungsabteilung Anthropologie zu verdanken ist, haben wir einen ultramontanen Bischof fertig gemacht. Die genaue Analyse des Wesens dieser erbärmlichen Halbgeister hat zu einem grossen Erfolg geführt. Ich brauche dabei nicht an die tiefe Kränkung zu erinnern, die der Allmächtige uns zugefügt hat, als er sich entschloss neben unserem stolzen Geschlecht auch diese nichtswürdigen Gespenster zu erschaffen. So lange er sich nur einen Zoo und die Erde als botanischen Garten schuf, war ja nichts gegen diese Spielerei einzuwenden. Aber als er dann auf die Idee kam, diese Kreaturen, die nichts Halbes und nichts Ganzes sein sollten schuf und zu allem Überfluss beschloss, in der Gestalt dieser Elenden selbst den unteren Bereich seiner Schöpfung zu betreten, da war das Mass des Unerträglichen voll. Aber wir haben jetzt ein grandioses Beispiel zu feiern, wie wir daraus noch das Beste gemacht haben.

Rund um den Erdball wurde der Fall des Limburger Bischofs medial gefeiert. Dabei war er nicht erbärmlicher, als alle anderen erbärmlich sind. Das ist zwar seit Hannah Arend, einer klugen Frau dieses Geschlechts bekannt, dass das Böse, was ja in unseren Augen das Gute ist, nichts Ausserordentliches ist. Was sie auch nicht wusste ist, dass unser Tun immer wieder in diesen Erbärmlichkeiten ansetzt und manchmal wirklich zu unserer leibhaften Manifestation führt, wie sie das bei Eichmann im letzten aber verkannt hat.

Sie kommen alle als putzige kleine Kinder zur Welt. Der Trieb in ihnen wird stark. Sie finden Gefallen an Macht und den Dingen der Welt. Der Mensch Gewordene hat zwar vorgelebt, dass diese Verkettungen von Trieb, Macht und Mammon gefährlich werden können. Aber im Fall des Limburger Bischofs ist es uns nach und nach gelungen, Macht und Mammon als nützlich erscheinen zu lassen. Denn von nichts kommt bekanntlich nichts. Man muss schon beides in die Hand nehmen. Sie sind ja keine reinen Geister wie wir. Der Dreck, aus dem sie gemacht sind, tut sein übriges. Und warum sollte man nicht Macht und Mammon, vor allem deutsche Bischöfe verfügen ja über beides, einmal für etwas Gutes einsetzen, ein architektonisch gelungenes Bauwerk? Der Glaube aus Rom braucht auch einen Verteidiger auf der Limburger Seite der Alpen. Das kann er sich sogar wahrheitsgemäss einreden. Diese Erdlinge sind ja der Auffassung, dass sich Himmel und Erde in ihnen verbunden hat. Und der Limburger Bischof glaubte wohl soviel Himmel in sich zu haben, dass es gerechtfertigt sei jede Menge Erde – in der Verbindung von Macht und Mammon – in die Hand nehmen zu können, um von seinem Himmel in sich, etwas weitergeben zu können und zwar die römische Version von Himmel in eben diesem diözesanen Zentrum. Ein solches haben die meisten anderen Bistümer auch. Auf der Limburger Seite der Alpen ist das Römisch-Katholische eine Marginalie und ein Aufreger. Wir haben diese Aufregung vom Römisch-Katholischen ins Hysterisch-Katholische gedreht. Er konnte sich daher als Verteidiger des römischen Glaubens wähnen und diejenigen gut gläubig hinter sich wissen, die es dann doch noch cismontan gibt.

Irgendeiner wird es wohl ausgerechnet haben, was es kostet, sagte er sich wohl. Es soll sich ja sehen lassen können, koste es was es wolle, vielleicht auch noch. Aber so sind sie. Sie merken es allerdings immer beim anderen, dass sie so sind, nicht bei sich selbst. Und wenn sie dann einen erwischen, der dazu noch versprochen hat, den Himmel in sich zu leben und die Erde, Erde sein zu lassen, dann blasen sie zur Treibjagd. Diejenigen, die mit Nietzsche meinen, dass eh nur “aus dieser Erde unsere Freuden quellen“, sagen, da will jemand gegen seine Natur leben und uns den Spass verderben. Dem wollen wir’s mal zeigen. Das hat er nun davon. Den anderen geht das ultramontane Getue auf den Geist. Sie wollen wie kleine Kinder alles “selber machen”, ohne Bischof und erst recht ohne Papst und den lieben Gott im Himmel lassen, da ein wenig barmherzig sein, dort für Gerechtigkeit sorgen und in der Liturgie kräftig sich selbst feiern. Da war gerade der Limburger im Weg, wie sonst nur noch der Kölner. Soviel zu den Hintergründen, die wir einer genauen Analyse dieser Erdenwichte durch unsere Forschungsabteilung Anthropologie mit dem Spezialgebiet cis montan verdanken. Nun zur Umsetzung dieses Wissens:

Wir hatten mit Vorverurteilungen des Bischofs begonnen, lange bevor die Fakten auf dem Tisch lagen. Es gelang uns weltweit Aufmerksamkeit zu schaffen. Erfreulicherweise haben sich die Vorverurteilungen zum Teil bestätigt. Unterstützer des Bischofs bis hinauf nach Rom stehen nun im Regen, einige hochrangige Unterstützer wurden dadurch hoffentlich nachhaltig beschädigt. Natürlich hatten wir eine Medienkampagne gestartet. Angesichts der oben beschriebenen Erfolge verwundert es auch mich, wie immer wieder kirchliche Vertreter behaupten, es gäbe gar keine. Aber das alles wäre gar nicht wirksam geworden, wenn er glücklicherweise nicht schon vorher unangenehm aufgefallen wäre, dieser Weihrauchschwenker wie Benedikt und Weihwasserspritzer wie Franziskus und in festlichen Gottesdiensten mit weissen Handschuhen Hantierender! Dem Vater der Tiefe sei Dank, dass das den von uns seit Jahrzehnten medial verführten Gläubigen so unangenehm ist wie unser einem. Dass dadurch der menschgewordene Allmächtige in seiner unsichtbaren Majestät sinnfällig geehrt wird, läuft am Rhein unter der Kategorie Karneval. Vermutlich war diese Verehrung bei dem Bischof sogar echt. Leider ist es uns immer noch nicht gelungen in die letzten Seelentiefen dieser Erdenwichte vorzudringen, um es genau wissen zu können. Der Allmächtige hat dafür gesorgt, dass diese zwielichtigen Figuren auf der Basis des Drecks, aus dem sie gemacht sind, frei agieren können. Wir können leider nur an der Basis was machen, Rausch erzeugen, Verblendungen bewerkstelligen, Sehnsüchte befeuern, Fehleinschätzungen bestärken und die bedingte Autonomie, die sie nun einmal haben mit Allmachtsgefühlen paaren. Einige ihrer Theologen besitzen die Frechheit, die Freiheit unseres Geschlechts mit der ihrer Spezies zu verwechseln. Das kommt uns aber letzten Endes dann doch zustatten, weil sie dadurch den Staub, aus dem sie gemacht sind, unterschätzen, übermütig werden und sich als kleine Götter aufspielen. Leider gibt es aber immer wieder einige, die sich durchkämpfen und wirkliche Freiheit erringen.

Wie gesagt, der Limburger Bischof war angezählt. Wer jahrhundertealte liturgische Traditionen pflegt und wiederbeleben will, wo alles doch nur noch auf Durchlauferhitzung aus ist, Laisierung der Kleriker und Klerikalisierung der Laien vorangetrieben wird, fällt unangenehm auf. Wer zudem nicht nach einem bestimmt definierten und gepriesenen “Geist des Konzils” handelt, erst recht. Kameraobjektive werden auf ihn gerichtet, Mikrofone werden ihm und anderen vor die Nase gehalten, Schreibfedern gespitzt und alles wie durch Brenngläser betrachtet, was er tut. Der Limburger Bischof konnte sich nichts mehr leisten. Er tat dann, was alle oder die meisten getan hätten von diesen Erbärmlichen. Verstecken und vertuschen. Was tun diese Erbärmlichen dann, im Gegensatz zu unserem Geschlecht, die wir dem Allmächtigen ins Angesicht widerstehen? Sie machen sich selbst was vor. Entweder werden die einen zu grossen Verteidigern des Glaubens und die anderen zu nicht weniger wichtigen Enthüllern von himmelschreienden Missständen. Gemeinsam ist ihnen, dass nach und nach alle Mittel recht werden, sich zu verteidigen oder zu enthüllen. Ich verweise auf eine Dienstanweisung von mir aus dem Jahre 1941: “Alles Übertriebene ist zu unterstützen.” Unsere Einflussagenten beginnen dann mit den Einflüsterungen. Du kannst Dir nichts mehr erlauben. Trete die Flucht nach vorne an. Es hängen so viele mit drin, dass alle mitmachen. Das war die eine Strategie, die andere waren die Medien und da auch wieder eine Doppelstrategie. Medien, die sowieso einen Konfrontationskurs fahren und solche, denen die rückwärtsgerichtete Frömmigkeit des Bischofs ein Dorn im Auge ist. Beide recherchieren, werden fündig und schon ist der Bischof in heillosen Verstrickungen. Er übersieht die eigenen Fehltritte, hält sich weiter für einen treuen Sohn der Kirche und glaubt, den wahren Glauben der Kirche gegen Anfeindungen der säkularen Gesellschaft zu verteidigen und meint ab einem bestimmten Zeitpunkt sich mit den gleichen Mitteln verteidigen zu müssen, mit denen er angegriffen wird. Gnadenlose Hetze und lächerliche Verteidigung (Kündigung eines FAZ Abonnements) lösen einander ab. Menschen, die dem Bischof noch nie begegnet sind, nennen ihn einen “Kotzbrocken” und drohen mit Kirchenaustritt. Auch da wieder ein Hinweis aus den Dienstanweisungen von 1941, der wunderbar zutrifft: “Er ist diesen Leuten in Wirklichkeit nie begegnet, deshalb bleibt er nur nach Zeitungsberichten geformte Strohpuppe.” Der Bischof wird immer mehr zu einem Gejagten, meint widerstehen zu müssen und sieht nicht, dass wir ihn medial so ruiniert haben, dass nur noch Rücktritt vermittelbar wird.

Limburg wird zu einer Paradelektion zur Ausbildung unserer Führungskräfte werden. Auf den Punkt gebracht: Anheizung der Erbärmlichkeiten des Menschengeschlechts auf beiden Seiten, Kultivierung niedrigster Instinkte, gepaart mit dem Streben solche aufzudecken, angeblich, dass so etwas nicht mehr vorkommen möge. Totale Konfusion anrichten. Sich als kirchlich verstehende Kräfte dürfen nicht auf die Idee kommen mit Fehlern und Erbärmlichkeiten, barmherzig umgehen zu sollen. Einen Neuanfang kategorisch ausschliessen, vor allem bei sich selbst.

Summa summarum, auf dem Rücken des armen Limburger Bischofs dreschen Hysterisch-Katholische in der Ökumene mit Säkularen auf die ewiggestrigen Römisch-Katholischen ein, und die Römisch-Katholischen verteidigen sich mit Wagenburgmentalität.

Wir feiern heute aber auch Freiburg. Die Bürokratie einer Bürokratie gibt Anweisungen wie in einer weltkirchlichen Angelegenheit ortskirchlich entschieden werden soll. Der zuständige Oberhirte weiss nichts davon. Wir haben aber das Glaubensbewusstsein so geimpft, dass das Freiburger Seelsorgsamt zum Vorreiter des Fortschritts wird. Übrigens: ein Seelsorgsamt und erst recht eines im Breisgau, kommt im NT gar nicht vor [Höllisches Gelächter], sehr wohl aber die gegenteilige Forderung desjenigen, nach dem sie sich nennen, eine neue Beziehung vor dem Tod des Partners nicht zu erlauben. Auf eine Barmherzigkeit heischende Nachfrage der Jünger gibt’s bei ihm noch einmal die gleiche Antwort. Die Anweisung aus dem Breisgau kombiniert mit der gefühlten Botschaft des Mannes aus der Pampa wird als Vorausverwirklichung der Intentionen des Letzteren begriffen. Arbeitet mit, dass der Oberste dieser Erbärmlichen immer mehr zum Dalai Lama wird, Nettigkeiten sagt, lächelt, Kinder küsst und Besucher umarmt. Achtet darauf, dass er darauf reduziert wird. Es reicht, wenn er als Vorbild begriffen wird, dem niemand nachfolgt. Ein Veränderungsdruck darf von ihm, eben wie vom Dalai Lama, nicht ausgehen. Alles soll beim Alten bleiben, jeder sich an ihm, ohne Folgen für das eigene Leben erfreuen und sich einfach wohlfühlen können, dass man so einen netten, authentischen Papst hat. Es darf keiner auf die Idee kommen, dass seine Botschaft eigentlich das Kehret um des Mensch Gewordenen ist. Es ist noch nicht an der Zeit, weit zu verbreiten, dass er emanzipierte Klosterfrauen alte Jungfern nannte und aufforderte Mütter zu werden [höllisches Gelächter]. Einen renitenten australischen Priester, der gegen die Sittenlehre der Kirche agierte, hat er sogar exkommuniziert. Demselben blieb buchstäblich die Spucke weg. Die zeitnahe Replik auf die Freiburger Vorgänge im Osservatore durch den Chef der Glaubenskongregation hat man so gut wie gar nicht bemerkt und erst recht nicht mit dem Papst in Verbindung gebracht. Das soll uns nur recht sein.

Die Nachricht aus dem Breisgau klingt mutig, fortschrittlich und tatkräftig. Das wird uns sicherlich nach dem Limburger Fall weiter erfreuen und wir werden stark am Ball bleiben. Es muss soweit kommen – wie bei manchen Gläubigen der Ostkirche, dass die erste Ehe nur noch Probeehe ist und die zweite die ernsthafte, bis man schliesslich auch formell den Partner wechseln kann wie das Hemd. Dem Vater in der Tiefe sei Dank, unterschätzen die Erdenwichte den Dreck in sich, aus dem sie gemacht sind. Wird eine Regel geändert und verschoben, so verschiebt sich auch der Missbrauch dieser Regel in die Richtung der Verschiebung. Das ist zwar bekannt als slippery slope oder schiefe Ebene Argument, sollte aber nicht diskutiert werden. Ich schärfe also noch einmal ein: Immer mit ganz extremen Fällen offenkundiger Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit beginnen, dass einem regelrecht die Tränen kommen. Diese Fälle gibt es ja. Sie sollten als Regelfall breit getreten werden und möglichst durch offizielle Erklärungen objektiviert werden. Die Idee, eine untergeordnete Behörde – wie im Breisgau ein Seelsorgsamt – zu inspirieren ist ausgezeichnet. Die Erklärung von einer höheren Stelle, das sei voreilig, aber die Inhalte würden stimmen, ist dann schon der erhoffte Schub auf die schiefe Ebene, auf der es dann weiter abwärts geht.

Ich weise darauf hin: Spielt die Individualnatur dieser Wichte gegen ihre Sozialnatur aus und umgekehrt. Schaut, dass sie Barmherzigkeit flächendeckend abstrakt sozialistisch verordnen, individuelle, konkrete Barmherzigkeit ist dann nichts Grosses mehr. Es ist nicht schlimm, wenn versucht wird, diesem Eindruck in der Textfassung zu begegnen, in dem immer nur der konkrete Fall zu beurteilen sei. Ich möchte den Pfarrer sehen, der einem Paar, das zu ihm kommt sagt, dass Umkehr, Reue und Busse angebracht sind, um gegebenenfalls zu den Sakramenten zu gelassen zu werden. Wenn sie überhaupt noch zum Pfarrer kommen, kommen sie schon mit einer Anspruchshaltung, doch nun die Sakramente empfangen zu können. Es muss dazu kommen, dass sich selbst der Barmherzigste nachher darüber die Haare rauft, wie sich seine wohlgemeinte Barmherzigkeit unbarmherzig realisiert. Wir sollten die kindische “Alles-selber-machen-Mentalität” stützen. Es soll nur noch so wimmeln von betrogenen Ehemännern und –Frauen, und unter Scheidung leidenden Kindern, nur weil jeder für sich selbst zur Auffassung kommen kann – als Gewissensentscheidung deklariert und privatisiert: Meine Ehe ist tot. Wir haben uns auseinander gelebt. Es ist für meine Kinder besser, wenn sie nicht mehr unseren Streit erleben müssen. Jetzt ist alles in einer neuen Beziehung geregelt. So wie man in englischen Grossmärkten das Eingekaufte selber einscannen kann und nicht mehr an der Kasse anstehen muss, erledigt man das jetzt auch selbst. Kinder müssen damit konfrontiert werden: Das ist so in Ordnung, wie Papa und Mama das machen, ich bin ja noch so klein und verstehe es bloss noch nicht. Die Mama bereitet das Kind vielleicht sogar noch als Katechetin für die Erstkommunion vor. Für das Kind muss es ganz normal sein, dass die Mama oder der Papa den daher gelaufenen fremden Menschen mehr lieben als es selbst. Die Mama oder der Papa leben ja jetzt mit diesem Fremden ganz woanders zusammen und haben deswegen das Haus und das Kind verlassen. So weit muss es kommen, dass möglichst jeder so seine Beziehung nach einer Eheberatung, die ihren Namen nicht wert ist, neu einscannt, wie das Eingekaufte, ohne an der Kasse anzustehen. Es muss der Eindruck entstehen, man könne die Tragik in dieser Welt zum Verschwinden bringen, wenn man Regeln liberalisiert.

Wir müssen es zum Vergessen bringen, dass wir schon im Beginn der Menschheitsgeschichte dieser unverzeihlichen Tat des Allmächtigen, diese erbärmlichen Halbgeister zu erschaffen, unseren Stempel aufgedrückt haben. Mancher Theologe ist da schon auf einem guten Wege. Aber die Arbeit ist ja nicht getan. Wir müssen sie davon abbringen, dem menschgewordenen Sohn des Allmächtigen, ehrlich zu folgen und dadurch die Erbärmlichkeiten los zu werden oder zu verringern. Erfreuen wir uns an Menschenketten um den Limburger Dom. Ach wie niedlich und unschuldig [höhnisches höllisches Gelächter]. Wir haben für ein Maximum an Entrüstung und Verwirrung von der Nordsee bis zu den Alpen gesorgt. Lasst also den Schwefelrauch qualmen und uns die Pferdefüsse schwingen. Es gibt allen Grund zum Feiern [donnernder höllischer Applaus].

Dr. Helmut Müller ist Akademischer Oberrat am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz

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