Bischöfliches Ordinariat Chur

Curia episcopalis curiensis

Wappen Bistum Chur“Schlechtes Signal”: Bündner Kirchenparlament lehnt Vorstoss von Grichting ab

Statement von Generalvikar Dr. Martin Grichting
anlässlich der Sitzung des “Corpus Catholicum”, vom 30. Oktober 2013

Im Jahre 1914 veröffentlichte der Valser Hans Furger seine Dissertation “Das bündnerische Corpus Catholicum”. In dieser bisher einzigen grösseren Arbeit über das “Corpus Catholicum” stellte er fest, dass diese Institution in Graubünden im Jahr 1623 zum ersten Mal erwähnt worden ist (S. 14). Das Corpus Catholicum entstand damals, in den nachreformatorischen Wirren, aus den katholischen Deputierten der drei Bünde. “Gefördert, wenn nicht veranlasst” (S. 20) wurde das Corpus Catholicum durch den Bischof von Chur. Er versammelte die katholischen Politiker, um “die Interessen der Kirche und des katholischen Landesteils gegenüber unbefugten Verletzungen von Seite des stärkeren (reformierten) Konfessionsteils in wirksamer Weise zu verteidigen”, wie Furger schreibt (S. 14).

Das bündnerische Corpus  Catholicum entstand gemäss Furger somit “zur Abwehr der staatlichen Übergriffe in das kirchliche Gebiet” S. 162. Es hatte also nicht den Charakter einer Behörde der katholischen Kirche, sondern es war ein politisches Instrument mit der Zielsetzung, in Staat und Gesellschaft den katholischen Standpunkt zu vertreten (vgl. S. 179f).

Im Verlauf seiner Geschichte verlor das Corpus Catholicum leider immer mehr seinen Charakter als segensreiche Verteidigerin der katholischen Interessen in Staat und Gesellschaft. Es entwickelte sich zusehends zu einer Organisation, die ihre Aufgabe darin gesehen hat und sieht, im Bereich der Kirchenleitung zu wirken und dort mitzubestimmen. So wurde das Corpus catholicum schliesslich nach reformiertem Vorbild als so genannte “Landeskirche” immer mehr zur Gegenspielerin der Kirchenleitung. Es wurde zu einer Art selbst konstituierter Repräsentanz der Laien gegenüber dem Diözesanbischof. Dies führte schon im 19. Jahrhundert zu Konflikten. Und dieses System ist heute, selbstverständlich nicht nur und auch nicht zuerst im Kanton Graubünden, neuerlich die Ursache von Zwist und Streit.

Die Schweizer Bischofskonferenz hat deshalb, in Übereinstimmung mit dem Apostolischen Stuhl, begonnen, Reformen einzuleiten. Sie tut dies mit dem “Vademecum für die Zusammenarbeit von katholischer Kirche und staatskirchenrechtlichen Körperschaften in der Schweiz”, das für alle Schweizer Diözesen Gültigkeit hat, nicht nur für das Bistum Chur. Dieses Dokument erinnert daran, dass es nur eine katholische Kirche gibt und dass es in der Kirche nur eine Leitung gibt. Leitung ist in der katholischen Kirche durch Jesus Christus und seither seit 2000 Jahren sowie weltweit an das Sakrament der Weihe gebunden. Während im Staat alle Macht vom Volk ausgeht, wird in der katholischen Kirche Leitungsvollmacht durch das Sakrament der Weihe und die Beauftragung seitens des Papstes bzw. des Bischofs verliehen. Das Volk Gottes kann sich deshalb nicht selbstständig als Körperschaft konstituieren und sich dann selbst leiten oder dem Bischof die Leitungsvollmacht streitig machen. Es kann aus theologischen Gründen also nicht sein, dass sich die Laien selbst als eigenständige Kraft innerhalb der Kirche organisieren und dann dem Bischof gegenübertreten, um mit ihm auszuhandeln, wie die Kirche zu leiten ist. Denn die Kirche ist nicht ein sich selber konstituierendes Volk, sondern das Volk Gottes. Und das heisst: Gott leitet das Volk durch seine geweihten Amtsträger, wie das II. Vatikanischen Konzil vor 50 Jahren neuerlich gelehrt hat (vgl. Lumen Gentium, 10). Einzelne Laien können zwar an der Leitung der Kirche mitwirken. Aber sie können das nicht im eigenen Namen tun oder sich selbst beauftragen. Sondern sie können es nur tun in der besonderen Sendung durch den Bischof, wie sie etwa in der Missio canonica für die Laientheologinnen und Laientheologen zum Ausdruck kommt. Und sie können es tun innerhalb der synodalen Struktur der Kirche, wie sie etwa im diözesanen oder pfarreilichen Seelsorgerat sichtbar wird. Dort sind die Laien nicht auf der Basis des staatlichen Rechts ein souveränes Gegenüber zum Bischof, sondern sie wirken an der Sendung der einen Kirche mit auf die ihnen spezifischen Weise: auf der Basis von Taufe und Firmung.

Wenn nun aber die Laien vom Staat als selbstständige Körperschaft konstitutiert werden und dann mittels der Finanzen bedeutende Teile der kirchlichen Leitung faktisch übernehmen, wie es das System der so genannten “Landeskirchen” in der Schweiz mit sich bringt, dann nehmen diese Laien dadurch gewissermassen priesterliche Aufgaben wahr, ohne freilich Kleriker zu sein. Indem die Laien zu den Hirten gezählt werden, werden sie klerikalisiert. Sie verlassen dadurch ihre genuine Sendung als Laien. Diese Sendung bestünde primär darin, gestärkt durch Taufe und Firmung, in Staat und Gesellschaft zu wirken. Nun aber wirken sie, den Klerikern ähnlich, de facto primär innerhalb der Kirchenleitung. Und so kommt es zu der für den Bischof, die Pfarrer und die Laien unheilvollen Situation, unter der wir heute alle leiden. Implizit steht hinter der Klerikalisierung der Laien eine falschverstandene Steigerungsform von Christsein. Diese heisst nicht: Laie, Diakon, Priester, Bischof, Kardinal, Papst. Sondern: Christ, guter Christ, heiliger Christ.

Im weiteren stellt sich die Frage: Wenn die Laien ihre Aufgabe vor allem darin sehen, klerikalisiert als Teil der Kirchenleitung zu wirken: wer wirkt dann – wie es ursprünglich die Idee des Corpus catholicum war – in Staat und Gesellschaft? Genau hier liegt die apostolische Unfruchtbarkeit der Kirche unserer Tage begründet. Denn wenn allzu viele Kräfte im Streit um kirchliche Leitungskompetenzen verbraucht werden, wie viel bleibt dann eigentlich noch übrig für das Wirken in der Gesellschaft?

Angesichts dieser Lage brauchen wir eine Umkehr des Denkesn und des Handelns. Der Bischof von Lausanne-Genf-Freiburg, Mons. Charles Morerod, hat es treffend in das Motto gefasst: “Raus aus den Mauern!”. Und unser Papst Franziskus hat noch vor seiner Wahl, im Jahr 2011 als Erzbischof von Buenos Aires, gesagt: “Wir Priester neigen dazu, die Laien zu klerikalisieren. Wir merken es nicht, weil wir sie damit sozusagen mit unseren Dingen anstecken. Nicht alle, wohl aber viele Laien bitten auf Knien darum, weil es bequemer ist, als Messdiener am Altar denn auf einem laiengemässen Weg seinen Mann zu stehen. Wir dürfen nicht in diese Falle tappen, denn sie stellt eine sündhafte Mitschuld dar. Wir dürfen weder die Laien klerikalisieren, noch dürfen wir sie darum bitten. Der Laie ist Laie und soll als Laie leben – mit der Kraft der Taufe, die ihn dazu ermächtigt, Sauerteig der Liebe Gottes in der Gesellschaft zu sein, um Hoffnung zu wecken und zu säen, um den Glauben zu verkünden, nicht von der Kanzel, sondern von seinem alltäglichen Leben aus. Um das tägliche Kreuz zu tragen, wie wir es alle tragen. Allerdings das Kreuz des Laien, nicht des Priesters”.

Unser Vorstoss, den wir Ihnen zur Behandlung vorlegen, zielt genau in diesem Sinn darauf, der Klerikalisierung der Laien, wie sie immer mehr zugenommen hat, zu begegnen. Denn die Laien sollen nicht klerikalisiert werden, sondern – wie es ursprünglich die Aufgabe des Corpus Catholicum war- mitten in der Gesellschaft wirken, diese mit christlichem Geist durchdringen. Das ist letztlich das Anliegen des Vademecum der Schweizer Bischofskonferenz. Es bietet die Chance für einen Richtungswechsel dahin, die Kirche wieder apostolisch und missionarisch zu machen. Es zielt somit darauf, die eigentliche Sendung der Laien wieder neu zu verstehen und immer mehr zu leben: sich in der Welt, bis an deren Ränder, als Christen zu bewähren, statt sich innerhalb der Mauern mit dem Bischof und den Pfarrern um die Leitung zu balgen.

Wir bitten Sie deshalb, unserem Vorstoss zuzustimmen, eine gemeinsame Kommission aus Vertretern des Corpus Catholicum, der Verwaltungskommission und des Bischöflichen Ordinariats zu bilden, um das staatskirchenrechtliche Sytem neu auszurichten, gemäss dem, was die Schweizer Bischöfe an Reformen umsetzen wollen. Ich rufe sie deshalb auf: Kehren Sie zu den heilen Anfängen des Corpus Catholicum zurück! Reformieren Sie diese Institution, damit sie gemäss ihrem ursprünglichen Sinn der Sendung der Kirche dienen kann. Sie helfen damit, dass es in der Kirche – wie das II. Vatikanische Konzil gesagt hat – wirklich “eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung” gibt (Apostolicam Actuositatem, 2). Ich danke Ihnen.

Eine Antwort auf Bischöfliches Ordinariat Chur

  • Hager Willi:

    Guten Tag,
    es ist gut, dass endlich in diesem Wirrwar von Widersprüchen aufgeräumt wird. Es ist dringend nötig, vor allem in der Schweiz, dass in dieser Angelegenheit nicht nur innerkirchlich, sondern auch öffentlich, und getragen durch alle Bischöfe, dieser Misstand beseitigt werden soll.
    Zuerst jedoch innerkirchlich. Klarheit in der Hierarchie und die Verkündigungskompetenzen klar definieren.
    Herzlichen Dank für Ihre Arbeit, die Sie zG. des Volkes Gottes täglich tun.

    Freundliche Grüsse

    W. Hager

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Chur

bischof_vitus01

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel