Die Unruhe des Papstes

Der Sommer geht vorüber und Franziskus hat durchgearbeitet

Jahr des GlaubensAugustiner.de

Begegnungen mit Augustinern und Jugendlichen. Von Guido Horst

Rom, die Tagespost, 30. August 2013

Hatte Papst Johannes XXIII. einst auf die Frage, wie viele Menschen denn im Vatikan arbeiten würden, geantwortet: “Ungefähr die Hälfte”, so konnte man in diesem Sommer mit Sicherheit sagen, dass zumindest einer keine Ferien gemacht hat: Papst Franziskus hat durchgearbeitet und auch in den heissen Tagen des Augusts – meist im Vatikan-Hotel “Sanctae Marthae” – die Aufgaben eines Pontifex erledigt. Schon ist die Rede von einer zweiten Enzyklika, die den Titel “Selig die Armen” tragen soll.

Auch nach einem Nachfolger von Staatssekretär Tarcisio Bertone soll Franziskus Ausschau gehalten haben und in der engeren Wahl stehe Pietro Parolin, Italiener und 58 Jahre alter Vatikandiplomat, der nach Jahren im vatikanischen Staatssekretariat 2009 zum Erzbischof geweiht und als Apostolischer Nuntius nach Venezuela entsandt wurde. Den Papst erwarten lange Wochen wichtiger Entscheidungen: Noch sind alle leitenden Kurienprälaten nur auf Zeit in ihren Ämtern bestätigt und mit Spannung erwartet man den Kurs, den der Papst bei der Reform der römischen Kurie einschlagen wird.

Beim Rückflug von Brasilien nach Rom hatte Franziskus den mitreisenden Journalisten anvertraut, dass ihn die Sicherheitskräfte der vatikanischen Gendarmerie auch ausserhalb der Mauern des Vatikans jetzt “etwas mehr machen liessen” und er glücklich sei, durch die Strassen Roms zu gehen. Am vergangenen Mittwoch gönnte sich der Papst eine Begegnung mit einer dicht gedrängten Menschenmenge vor der Kirche Sant’Agostino in der Nähe der Piazza Navona, in der die heilige Monika, die Mutter des Kirchenlehrers Augustinus, begraben liegt. Anlass war die Eröffnung des 184. Generalkapitels des Augustinerordens und Franziskus feierte mit den etwa neunzig Delegierten des Generalkapitels eine private Messe. Wie sehr oft gliederte der Papst seine Predigt in drei Punkte und sprach über die dreifache geistliche “Unruhe” des heiligen Augustinus, die Unruhe der spirituellen Suche, die Unruhe der Begegnung mit Gott und die Unruhe der Liebe: Genau diese Unruhe des Herzens habe Augustinus zur persönlichen Begegnung mit Christus geführt.

Doch auch in der Begegnung mit Gott habe sich der grosse Kirchenlehrer nicht in sich selbst verschlossen, sondern den Weg der Suche nach der Wahrheit fortgesetzt, meinte der Papst weiter. So werde die erste Unruhe der Suche nach Gott zur Unruhe der Liebe, Gott immer besser kennenzulernen und ihn den anderen bekannt zu machen. Furchtlos habe Augustinus versucht, das Bild Jesu, des Guten Hirten, zu sein, der seine Schafe kenne, “mehr noch, wie ich gern wiederhole, der den Geruch seiner Herde riecht und hinausgeht, um die verlorenen Schafe zu suchen”. So habe Augustinus in der Spannung zwischen dem Hinausgehen zu Gott und den anderen gestanden. Franziskus rief dazu auf, die Liebe nicht zu privatisieren, immer unterwegs und “unruhig” zu sein: “Das ist der Friede der Unruhe”.

“Lassen wir uns von den Nöten unserer Mitmenschen innerlich bewegen, oder bleiben wir in uns selbst verschlossen oder in unserer Kommunität?”, fragte der Papst in seiner Predigt. Mitunter könne man in einer Wohnanlage leben, ohne seinen Nachbarn zu kennen; oder man könne in einer Kommunität leben, ohne den eigenen Mitbruder wirklich zu kennen. Die innere “Unruhe der Liebe” verlange es, auf den anderen zuzugehen, ohne darauf zu warten, dass dieser selbst seine Not signalisiere, sagte Franziskus vor den Ordensleuten. Mit Schmerz, so der Papst, “denke ich an die Ordensleute, die nicht fruchtbar sondern ‘vertrocknete Junggesellen’ sind”.

Aber auch für Jugendliche hatte Franziskus am Mittwoch einen Appell, als er am Nachmittag im Petersdom etwa fünfhundert Jungen und Mädchen aus der Diözese Piacenza empfing, die im Rahmen des “Jahrs des Glaubens” nach Rom gepilgert waren. “Ich mag es, mit Jugendlichen zusammen zu sein”, sagte der Papst in einer frei gehaltenen Ansprache, denn diese seien “Boten der Hoffnung” und “Schöpfer der Zukunft”. Immer wieder sage man ihm: “Padre, was für schlimme Zeiten… da kann man doch nichts machen.” Wieso soll man nichts machen können?, meinte Franziskus weiter. “Und ich erkläre, dass man sehr viel machen kann. Aber wenn ein Jugendlicher mir sagt: ‘Was für schlimme Zeiten, Padre, da kann man nichts machen!’, dann schicke ich ihn zum Psychiater, nicht wahr?  Es ist nicht verständlich, dass es Jugendliche gibt, Jungen und Mädchen, die nicht etwas Grosses schaffen wollen, die keine grossen Ideale haben, nicht gross auf die Zukunft setzen, oder? Sie machen das, was sie können, aber sie setzen auf die grossen und schönen Dinge.”

Denn in allen Jugendlichen sei ein “dreifaches Wollen”, meinte der Papst weiter: Der Wille zur Schönheit – allen jungen Menschen gefalle die Schönheit. Dann seien die Jugendlichen aber auch “Propheten der Güte”, und dieses Gutsein sei ansteckend. Drittens hätten sie Durst nach der Wahrheit, sie seien auf der Suche nach Wahrheit. Aber die Wahrheit habe man nicht, sondern man begegne ihr, so Franziskus. Es sei Begegnung mit der Wahrheit, die Gott ist, aber man müsse sie suchen. “Diese drei Sehnsüchte habt ihr im Herzen und die müsst ihr weitertragen, in die Zukunft, und ihr müsst damit die Zukunft schaffen, mit der Schönheit, mit der Güte und mit der Wahrheit. Habt ihr das verstanden?”, fragte der Papst. “Das ist eine Herausforderung, es ist eure Herausforderung. Wenn ein Jugendlicher ängstlich und traurig ist – es ist eine schlimme Sache, ein trauriger Jugendlicher – dann ist die Schönheit nicht schön, die Güte nicht gut und die Wahrheit ist irgendetwas Beliebiges.”

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