Peter und Paul – und das schwarze Schaf
Immer noch hängen Skandal-Wolken über dem Vatikan
Papst Franziskus kann das nur recht sein, es treibt sein Werk der Säuberung voran. Von Guido Horst
Rom, Die Tagespost, 1. Juli 2013
Fast hätte es zum Ausklang der ersten Arbeitswochen von Papst Franziskus und dem allmählichen Hinübergleiten in die Sommerpause noch einen Paukenschlag gegeben: Ein suspendierter italienischer Priester, der selbst wegen eines Missbrauchsvergehens in den neunziger Jahren im Gefängnis sass, hatte vor Monaten bei römischen Carabinieri über einen von einem ehemaligen Polizisten organisierten Ring von Strichjungen ausgesagt, die mit ihren Diensten auch Priestern der Diözese Rom zu Gefallen gewesen sein sollen.
Ein Privatsender machte jetzt die Anklage publik; sofort fragte man sich munkelnd, ob auch Priester des Vatikans betroffen seien. Sogar von einem Bischof war die Rede.
Und hatte nicht Papst Franziskus selbst kürzlich vor lateinamerikanischen Ordensleuten von einer “Homo-Lobby” in der Kurie gesprochen? Der Kardinalvikar für die Diözese Rom, Agostino Vallini, hatte die Vorwürfe sofort entschieden zurückgewiesen, die entsprechende Erklärung des Vikariats sprach von einem Racheakt des suspendierten Priesters. Am Wochenende dann wurde er wegen Verleumdung angeklagt – der Fall verschwand erst einmal wieder aus den Medien.
Ein anderer Fall hingegen nicht. Man nannte ihn “Monsignore 500”, jenen Prälaten und Rechnungsprüfer in der vatikanischen Immobilienverwaltung APSA, der gestern dem Haftrichter vorgeführt wurde. Denn “Monsignore 500”, mit eigentlichem Namen Nunzio Scarano, sitzt seit vergangener Woche in dem römischen Gefängnis “Regina Coeli” – zu Deutsch: “Himmelskönigin”. Seinen Spitznamen hat sich der Vatikanprälat offensichtlich erworben, weil er die nicht unbedeutenden Geldmengen, mit denen er umging, immer in Fünfhundert-Euro-Scheinen mit sich führte. Angeklagt ist Scarano wegen Geldwäsche und Bestechung – das Ganze liest sich wie ein Paradebeispiel dafür, was Papst Franziskus meint, wenn er bereits mehrfach gegen den “mondänen Geist” in der Kirche gewettert hat.
Der Prälat hatte sich angeboten, mit einem Broker namens Giovanni Carenzio zwanzig Millionen Euro illegal aus der Schweiz nach Italien zu transportieren – mit Hilfe eines Privatflugzeugs und des ehemaligen Geheimdienstlers Giovanni Zito. Das Geld soll einer reichen Reederfamilie gehören, irgendwo in der Gegend angesiedelt, aus der auch der Vatikanprälat stammt: Salerno. Der Transfer scheiterte schliesslich, aber immerhin, Scarano zahlte dem Ex-Geheimdienstler vierhunderttausend Euro. Das schwarze Geld stammt also nicht aus dem Vatikan und das päpstliche Geldinstitut IOR hat zunächst auch nichts direkt damit zu tun. Auch hatte die Güterverwaltung APSA den Prälaten schon vor einem Monat vom Dienst suspendiert, als die Ermittlungen konkretere Formen annahmen (DT vom 29. Juni).
Dennoch hörten die Medien nicht auf, den Fall als einen weiteren Skandal des IOR hochzuspielen. Hatte Papst Franziskus nicht am Mittwoch selbst eine Kommission von fünf Gutachtern eingesetzt, die prüfen soll, ob das Geldinstitut mit den Zielen und der Mission der Kirche übereinstimmt (DT vom 29. Juni)?
Immerhin berichteten italienische Sonntagszeitungen ebenfalls über mehrere Konten Scaranos bei der Vatikanbank sowie bei einer römischen Unicredit-Bankfiliale, für die sich ebenfalls die Justiz interessiere. Auf dem Unicredit-Konto sollen sich im September 2011 456 000 Euro befunden haben – nicht schlecht für einen Mitarbeiter der Kurie. Bereits 2009 soll Scarano einen Kredit in Höhe von sechshunderttausend Euro aufgelöst und über den Betrag 61 Schecks von zweitausend Euro bis zwanzigtausend Euro als “Schenkungen” an Freunde und Angehörige ausgestellt haben. Woher das Geld stamme, sei unklar, so die Medien. Unklar sei ebenfalls die Herkunft des angeblichen Immobilienbesitzes des Prälaten in seiner Heimatstadt. Scarano ist also schon seit Jahren im Visier der Ermittler – und im Vatikan für seine Geldgeschäfte bekannt, sonst hätte man ihn nicht “Monsignore 500” getauft.
Papst Franziskus – das war wohl auch die Erwartung der Kardinäle im jüngsten Konklave – ist angetreten, das von Benedikt XVI. begonnene Werk der Transparenz fortzuführen und den Vatikan endlich zu säubern. Homo-Lobbys und Geldwäsche, Sex und Geld, war es nicht auch das, was die Ruhestandskardinäle nach der “Vatileaks”-Affäre in ihren Geheimbericht für Benedikt XVI. hineingeschrieben hatten, der nun im Schreibtisch von Franziskus liegt? Für den Job des Reinemachens ist der Papst “vom anderen Ende der Welt” jedenfalls genau der richtige Mann. Mit vatikanischen Seilschaften und innerkurialen Mauscheleien all’italiana hat er so viel zu tun wie ein römischer Pizzabäcker mit einem argentinischen Gaucho: nämlich überhaupt nichts.
Doch man merkt inzwischen auch, dass die neue Herausforderung auf Papst Bergoglio drückt. Mit schweren Schritten, sich immer wieder an die Wand stützend und geführt von seinem Zeremoniar Guido Marini war Franziskus am Ende der feierlichen Messe zum Hochfest Peter und Paul zur Confessio unter den Altar des Petersdoms, zum Petrusgrab, hinabgestiegen. Gemeinsam mit dem orthodoxen Metropoliten von Pergamon, dem Theologen Ioannis Zizioulas, der die Delegation aus dem Ökumenischen Patriarchat anlässlich des römischen Patronatsfestes angeführt hatte. Der Vatikan erwidert den Besuch aus Konstantinopel traditionell mit einer Visite in Istanbul am 30. November, anlässlich des Patronatsfestes des Heiligen Apostels Andreas. Diese seit 1969 gepflegte “brüderliche Begegnung” erfülle ihn mit grosser Freude, hatte der Papst bereits beim Empfang der orthodoxen Delegation am vergangenen Freitag gesagt.
Der “Dialog der Liebe” zwischen dem Vatikan und dem orthodoxen Patriarchat in Istanbul ist inzwischen kaum noch zu erschüttern. Beim Gebet des Angelus bat Papst Franziskus die Gläubigen, für den Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus zu beten.
Nur beim “Dialog der Wahrheit” hapert es noch. Aber auch der ist Franziskus wichtig. In einer Welt, “die nach Wahrheit, nach Liebe, Hoffnung, Frieden und Einheit hungert und dürstet, ist es für unser eigenes Zeugnis wichtig, endlich mit einer einzigen Stimme die frohe Botschaft des Evangeliums verkünden und zusammen das Göttliche Geheimnis des neuen Lebens in Christus feiern zu können”, sagte er am Freitag vor den Orthodoxen. “Wir wissen gut, dass die Einheit hauptsächlich ein Geschenk Gottes ist, für das wir unaufhörlich beten müssen. Doch wir alle haben die Aufgabe, die Bedingungen zu schaffen, den Boden des Herzens zu bereiten, bis diese aussergewöhnliche Gnade angenommen wird.”
Es tröste ihn zu wissen, “dass die Katholiken und Orthodoxen dieselbe Konzeption des Dialoges teilen, der keinen theologischen Minimalismus sucht, bei dem ein Kompromiss erreicht werden soll, sondern der sich vielmehr auf die Vertiefung der einzigen Wahrheit gründet, die Christus seiner Kirche gegeben hat und die wir nie besser verstehen als bewegt durch den Heiligen Geist.” Man brauche deshalb keine Angst zu haben vor der Begegnung und vor dem wahren Dialog. “Er bringt uns nicht von der Wahrheit weg, sondern führt uns unter Austausch von Gaben und der Führung des Geistes des Wahrheit in die ganze Wahrheit”, so Franziskus.
Einen besonderen ökumenischen Akzent setzte dann am Samstag auch der Chor der jungen Thomaner aus Leipzig, der die Papstmesse mitgestaltete.
Mit einer Zusammenkunft von Seminaristen, Novizinnen und Novizen Ende dieser Woche wird in Rom die Reihe der Grossereignisse zum “Jahr des Glaubens” vorerst zu Ende gehen. Die Begegnung mit Franziskus wird der letzte besondere Auftritt des Papstes vor der Sommerpause sein, während der es für ihn allerdings nach Brasilien zum Weltjugendtag geht. Ob Franziskus ein ruhiges Rom vorfinden wird, wenn er zur Erholung in den Vatikan zurückkehrt, lässt sich nach den Schlagzeilen der letzten Tage allerdings nicht mit Sicherheit sagen.
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