“Johannes Paul II. war auch ein Prophet”

Die beschlossene Heiligsprechung des Papstes löst in seiner Heimat grosse Freude aus, aber auch Ängste

Warschau, Die Tagespost, 8. Juli 2013, Von Stefan Meetschen

Mit grosser Freude, aber insgesamt ohne grosse Überraschung ist in Polen die Zustimmung von Papst Franziskus zur Heiligsprechung seines polnischen Vorvorgängers Johannes Paul II. aufgenommen worden. So äusserte der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, seine Genugtuung über die Entscheidung des Papstes. Schon zu Lebzeiten Johannes Pauls II., so Michalik, der vom Papst die Bischofsweihe empfing, sei er von dessen Heiligkeit überzeugt gewesen.

Lukasz Ofiara, Leiter der Forschungsabteilung am Warschauer Zentrum zum Gedenken an Johannes Paul II., sagte gegenüber dieser Zeitung: “Ganz Polen wartet seit dem 2. April 2005, also seit seinem Todestag, auf die Heiligsprechung von Johannes Paul II. Er ist einer der grössten Heiligen der modernen Zeiten und natürlich steht er uns als Landsmann sehr nah.” Aus Sicht von Ofiara werde dieses Ereignis durch die Medien jetzt sehr “angeheizt“, doch für viele Menschen bedeute die Heiligsprechung “nur eine formale Bestätigung eines Kultes, den sie schon lange praktizieren”.

Johannes Paul II. sei trotz seiner ganzen Vielschichtigkeit und intellektuellen Komplexität einfach “eine Marke mit hohem Wiedererkennungswert, nicht nur in Polen, sondern in der ganzen Welt”, so Ofiara. Nun müsse man abwarten, an welchem Tag genau die Heiligsprechungsfeier stattfinde, um das Ereignis in Polen angemessen zu begehen. “Wir haben bereits eine Plakat-Aktion in allen öffentlichen Verkehrsmitteln in Warschau geplant, die den Menschen helfen soll, nicht nur die charismatische Person des Papstes in den Blick zu nehmen, sondern auch seine Lehre.” Auch aus Sicht des Direktors des Josef-Tischner-Instituts in Krakau, Zbigniew Stawrowski, sei es trotz aller verständlichen Emotionen nötig, der Heiligsprechung mit Nüchternheit zu begegnen. “Jozef Tischner und Johannes Paul II. waren Freunde. Sie philosophierten zusammen und fuhren gemeinsam in die Berge zum Skifahren. Tischner hat in Polen stets vor einer oberflächlichen Idolarisierung seines Freundes gewarnt. Die Anzeichen dafür sah er in der Gesellschaft und bei manchen Gläubigen durchaus. Meine Angst ist“, so Stawrowski, “dass die Idolisierung durch die Heiligsprechung zu einem Gipfel kommt und manche zu dem Resultat gelangen: ‘So – das war’s jetzt. Alles ist fertig! Nun müssen wir über andere Dinge und Ansichten sprechen, uns mit anderen Personen beschäftigen.'” Während aus Sicht Stawrowskis der “Spannungszustand zwischen Selig- und Heiligsprechung auch Vorteile” gehabt habe. Dennoch ist Stawrowski, der an der Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität Politologie lehrt, überzeugt, dass viele ethische Impulse und Anschauungen des polnischen Papstes in der wissenschaftlichen Ausbildung und Erziehung weiterhin eine grosse Rolle spielen werden. “Johannes Paul II. war nicht nur Papst, Philosoph und Poet, er war auch Prophet, sodass viele seiner Gedanken keineswegs ad acta gelegt werden sollten, sondern sogar eine Vertiefung verdienen. Gerade in punkto Lebensschutz darf Polen sich nicht weiter von seinem Standpunkt entfernen.” Papst Franziskus hatte am Freitag ein Dekret unterzeichnet, das eine Wunderheilung auf Fürbitte des 2011 seliggesprochenen polnischen Papstes bestätigt. Zudem wies er ein Konsistorium der Kardinäle an, über die Heiligsprechung Johannes Pauls II. und Papst Johannes XXIII. zu befinden.

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