Papst Franziskus: Es gibt auch eine “Ökumene des Leidens”

Der Heilige Vater empfängt das Oberhaupt der Kopten, Tawadros II., im Vatikan

Meilensteine der Ökumene
Koptische Kirche in Deutschland
Seine Heiligkeit Papst Shenouda III.

Von Guido Horst, Rom, Die Tagespost, 10. Mai 2012

Papst Franziskus hat den Willen zur Ökumene zwischen der katholischen und der koptischen Kirche betont. Zur Abwechslung waren es am Freitag einmal drei Päpste im Vatikan. Neben dem emeritierten Papst, der nicht mehr in Erscheinung tritt, und dem amtierenden, Franziskus, war am Donnerstag eine hohe Delegation aus Ägypten eingetroffen, angeführt von Papst Tawadros II., dem geistlichen Oberhaupt der ägyptischen orthodoxen Kopten und Patriarchen auf dem Bischofsstuhl des heiligen Markus.

Am Freitagvormittag empfing Papst Franziskus seinen Papst-Kollegen aus Alexandrien – “mit grosser Freude”, wie er direkt zu Beginn seiner Ansprache an den Patriarchen beteuerte. Das erste Mal ist vierzig Jahre her, dass ein Oberhaupt der koptischen und der römisch-katholischen Kirche zusammengetroffen sind. Nach seiner Ankunft am Vortag im Vatikan-Hotel “Sanctae Marthae” hatte Papst Tawadros den Petersdom und die Nekropole unter der Basilika mit dem Petrusgrab besucht. Am Ende der Audienz am Freitag haben Franziskus und der koptische Papst gemeinsam gebetet.

Zu Beginn seiner Ansprache hatte Franziskus an die historische Zusammenkunft von Paul VI. und dem damaligen Kopten-Papst Shenouda III. vor vierzig Jahren erinnert. Eine “Umarmung des Friedens und der Brüderlichkeit” hätte beide damals vereint – nach Jahrhunderten der gegenseitigen Distanz. Die heutige Begegnung, so Papst Franziskus weiter, stärke die Bande der Freundschaft und Brüderlichkeit, die die Apostelsitze des heiligen Petrus und des heiligen Markus vereinen. Der Sitz des heiligen Markus habe unermesslich viele Märtyrer, Theologen, heilige Mönche und treue Jüngern Jesus Christi hinterlassen, die oft in “Umständen mit grossen Schwierigkeiten” Generation für Generation Zeugnis für das Evangelium abgelegt hätten.

Die gemeinsame Erklärung von Paul VI. und Shenouda III., erinnerte der Papst, hätte festgehalten, dass beide Kirchen in der apostolischen Tradition stünden und beide “den einen Glauben an den Einen und Dreifaltigen Gott bekennen und an die Göttlichkeit des fleischgewordenen Sohnes Gottes”. Diese Erklärung, so Franziskus, sei ein Meilenstein gewesen. Von ihr ausgehend habe eine gemeinsame theologische Dialog-Kommission ihre Arbeit aufgenommen, “die gute Ergebnisse vorgelegt hat und den Boden für einen umfassenderen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der ganzen Familie der orthodoxen orientalischen Kirchen bereitete”.

Noch liege ein vielleicht langer Weg vor ihnen, fuhr Franziskus fort. Er verwies auf das Treffen zwischen Shenouda III. und Johannes Paul II. im Jahr 2000 in Kairo als einen “lichtvollen Augenblick der Gemeinschaft”, dankte aber auch ganz persönlich Papst Tawadros, der von Beginn seiner Amtszeit an gegenüber den Hirten der katholischen koptischen Kirche, den Patriarchen Ibrahim Isaac Sidrak und dessen Vorgänger, Kardinal Antonios Naguib, “vielfache Gesten der Aufmerksamkeit und brüderlichen Liebe” gezeigt habe. Ausdrücklich würdigte Papst Franziskus den von Tawadros geplanten “Nationalrat der christlichen Kirchen” in Ägypten. Dies sei ein wichtiges Zeichen für den Willen aller Christgläubigen, im Alltag immer brüderlichere Beziehungen zu entwickeln und der gesamten ägyptischen Gesellschaft zu dienen. Im Korintherbrief, so Franziskus, heisse es: “Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm.” Das, so der Papst, sei ein Gesetz des christlichen Lebens. “Und in diesem Sinne können wir sagen, dass es auch eine Ökumene des Leidens gibt.” Das gemeinsame Teilen der täglichen Leiden, meinte Papst Franziskus, könne zu einem wirksamen Instrument der Einheit werden.

In seinen Grussworten an Franziskus hatte Papst Tawadros erklärt, er komme aus “dem Land des Nils”, aus einer Kirche, die tausendneunhundert Jahre alt sei und aus dem Ursprungsland des Mönchtums.

Tawadros lud Papst Franziskus nach Ägypten ein.

Nicht bloss Stilfragen
Nachfolger Petri trifft Nachfolger Markus’

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