Pilgeransturm zur Premiere

Papst Franziskus, erstes Osterfest in Rom

17443_m1mst1w244q75s1v10501_1EE8P4Papst Franziskus feierte sein erstes Osterfest in Rom und wieder kam über eine Viertelmillion Menschen. Von Guido Horst

Rom, Die Tagespost, 2. April 2013Da hatten sie sich dann doch verschätzt. Es sollte ein gewöhnlicher Ostersonntag werden, war wohl die Annahme der römischen Ordnungshüter gewesen. Also das übliche Polizeiaufgebot, keine besonderen Absperrungen. Aber dann kamen wieder Hunderttausende. Keine Sicherheitsgassen für Einsatzfahrzeuge, auf der Via della Conciliazione wurden die dunkelblauen Autos der Carabinieri von den Menschenmassen eingekeilt und steckten fest.

Weit über zweihundertfünfzigtausend Römer und Rombesucher waren es am Ende, die den neuen Papst sehen wollten. Als Franziskus nach der Ostermesse auf dem Petersplatz schon auf der Loggia der Vatikanbasilika stand, um den Segen “Urbi et orbi” zu spenden, kamen immer noch Menschen zusammen, um zumindest von weitem einen Blick auf das weisse Pünktchen zu werfen, das da auf dem Segnungsbalkon des Petersdoms stand. Rom, zumindest das “katholische Rom” westlich des Tibers, erlebt seit Wochen Ausnahmezustände – und auch das Osterfest war in der Ewigen Stadt davon geprägt, dass der Vatikan einen neuen Heiligen Vater hat.

Dabei zeichnet sich Franziskus dadurch aus, dass er vieles nicht tut und manches weglässt – wie etwa die Ostergrüsse in den Sprachen dieser Welt nach dem Segen “Urbi et orbi”. Um die Gemütslage der Römer richtig zu verstehen, ist die Tatsache nicht ganz unwichtig, dass die Kirche mit dem reibungslosen Wechsel von Benedikt XVI. zu Franziskus Ereignisse durchlebt hat – begleitet von gewaltigen Massen und den Medien aller Länder –, die sich vor dem Hintergrund einer quälenden und scheinbar unlösbaren Krise der italienischen Politik abspielten. Völlig überraschend ist die Zentrale der katholischen Weltkirche zu Beginn der Fastenzeit in einen Zustand hineingeraten, der in jeder Hinsicht aussergewöhnlich ist. Die Kardinäle aus aller Welt kamen zum Vorkonklave zusammen, erstaunlich schnell einigten sich die Papstwähler auf einen gemeinsamen Kandidaten und der Jesuit und Lateinamerikaner Franziskus begeht seine “ersten Male”. Die Feier des Leidens, des Sterbens und der Auferstehung Jesu Christi ist für einen Papst ein gewaltiges Programm. Doch diese bisweilen belächelte, manchmal auch als byzantinisch oder verkrustet kritisierte Struktur des Vatikans hat getragen. In dieser Osterwoche geht es nun etwas ruhiger zu hinter den heiligen Mauern. Aber die vergangenen Wochen waren für das päpstliche Rom ein völliger Ausnahmezustand.

Gar nicht überraschend und seit langem vorgesehen war dagegen in Italien der Regierungswechsel, den die landesweiten Neuwahlen Ende Februar einleiten sollten. Doch weder dem Staatspräsidenten noch den führenden politischen Kräften gelingt es seither, ein tragfähiges Kabinett zusammenzustellen – eine nicht enden wollende Krise, die zu Ostern ihren Höhepunkt in Gerüchten fand, dass ein enttäuschter und verzweifelter Giorgio Napolitano von seinem Präsidentenamt zurücktreten wolle. Mit ein wenig Neid und zugleich unverhohlenem Respekt schaut die italienische Politik derzeit auf den Vatikanhügel westlich des Tibers, wo ein “Regierungswechsel” anderer Art mit den entsprechenden Menschenaufläufen und einer ungleich höheren Medienaufmerksamkeit so glatt über die Bühne gegangen ist.

Papst Franziskus hat nicht jede Gelegenheit genutzt, um auf allen Kanälen stets präsent zu sein. Von der Fusswaschung am Gründonnerstag, die das Vatikanfernsehen nicht übertragen hat, waren nur wenige Bilder zu sehen. In der römischen Jugendstrafvollzugsanstalt “Casal del Marmo” feierte der Papst mit etwa fünfzig Strafgefangenen die Abendmahlsmesse und wusch bei der Messe “in Coena domini” zwölf Jugendlichen die Füsse – auch zwei jungen Frauen und solchen, die nicht katholisch sind. “Vater, warum bist du heute hier hingekommen?“, fragte ihn einer der Jugendlichen – alle seien überrascht, ja fassungslos gewesen nach Ankündigung des hohen Besuchs. “Es war ein Gefühl im Herzen: Dort hingehen, wo die sind, die mir am besten helfen, demütig zu sein, ein Diener zu sein, wie es ein Bischof sein sollte“, antwortete ihnen der Papst. Eine ungewöhnliche Geste, an der es dann auch Kritik gab, sodass Vatikansprecher Federico Lombardi eine Erklärung abgeben musste. Dass der Papst Franziskus auch Frauen die Füsse gewaschen habe, hätte “pastorale Gründe“ gehabt. In dem Jugendgefängnis gebe es auch einen grösseren Anteil inhaftierter Frauen. Es sei daher zulässig gewesen, in dieser geschlossenen Gemeinschaft auch weibliche und nicht-katholische Häftlinge in die Geste der Fusswaschung mit einzubeziehen, meinte Lombardi. Bei dieser handele es sich nicht um ein Sakrament, wenn auch um einen wichtigen Ritus, für den es jedoch keine Gesetze gebe, so der Vatikansprecher.

Diskret war auch der Besuch, den Franziskus am Ostermontag in Begleitung des Erzpriesters der Vatikanbasilika, Kardinal Angelo Comastri, dem Petrusgrab abstattete. Archäologen hatten nach 1939 unter dem Petersdom einen Teil einer Nekropole freigelegt, in der sich unter einem Monument aus dem zweiten Jahrhundert auch das Grab des Apostels befindet. Genau über diesem Ort hatte Kaiser Konstantin im frühen vierten Jahrhundert den Vorgängerbau der heutigen Basilika errichten lassen. Papst Franziskus betete still an dem Ort in der Nekropole, von dem Pius XII. erklärt hatte, dass es sich um das Grab des Völkerapostels handele, während Paul VI. dann feststellte, dass die Knochenreste, die man an der sogenannten “roten Mauer” gefunden habe, sehr wahrscheinlich die des Apostels Petrus seien.

Während am Karfreitag die Medien der Welt den Kreuzweg des Papstes im Kolosseum begleiteten, kam eine andere Geste am Tag darauf überraschend: Wie er es als Kardinal und Erzbischof in Buenos Aires oft getan hatte, sandte Franziskus eine Videobotschaft, diesmal richtete sie sich an behinderte und kranke Menschen in Turin, für die am Karsamstag für nur anderthalb Stunden das Grabtuch Christi ausgestellt war. “Dieses Gesicht hat geschlossene Augen; es ist das Gesicht eines Toten, und doch schaut es uns auf geheimnisvolle Weise an und spricht zu uns im Schweigen“, sagte Franziskus in seiner kurzen Ansprache. “Der Mann des Grabtuchs“, so der Papst, lade ein, Jesus von Nazareth zu betrachten und “uns ins beredte Schweigen der Liebe zu versenken“. “Lassen wir uns also von diesem Blick berühren, der nicht unsere Augen sucht, sondern unser Herz. Hören wir, was er uns im Schweigen sagen will, der über den Tod selbst hinausgeht.“ Das entstellte Gesicht auf dem Tuch gleiche “den vielen Gesichtern von Männern und Frauen, verletzt von einem Leben, das ihre Würde missachtet, von Kriegen und von Gewalt, welche die Schwächsten trifft“. Und doch vermittle das Gesicht des Grabtuchs “grossen Frieden“. Es sei, als ob dieser gemarterte Leib “eine verhaltene, aber starke Energie durchscheinen liesse, als ob er uns sagte: Hab Vertrauen, verlier nicht die Hoffnung; die Kraft der Liebe Gottes, die Kraft des Auferstandenen überwindet alles.”

Die Predigten und Ansprachen des Papstes in der Karwoche und zu Ostern waren keine langen theologischen Abhandlungen. Man hat sich schon an den Stil gewöhnt: Franziskus hat ein, zwei oder drei Gedanken, die er in den Mittelpunkt seiner kurzen Reden stellt. So etwa “Ohne Gnade können wir nichts“, was er in seinen Worten zum Gebet des “Regina coeli“ sagte. Bei den einfachen Menschen jedenfalls kommen diese Ansprachen an.

Hunderttausende haben mit Franziskus Ostern gefeiert. Doch nun holt auch ein Stück Alltag den Papst und den Vatikan ein: Am morgigen Mittwoch will Franziskus in der Generalaudienz mit der Katechese-Reihe über das “Jahr des Glaubens” beginnen.

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