Mea culpa: Glaubensbekenntnis 2012

Wohin soll ich mich wenden?

gk So überschreibt Dr. Hermann Schlapp seinen Vortrag anlässlich der Jahresversammlung der Bündnerinnen und Bündner für eine glaubwürdige Kirche am 28. April 2012 im Pfarreizentrum Heiligkreuz, Chur. Sehr lebhaft und in aller Deutlichkeit zeigt er die desolate Situation auf im Bistum Chur, seit dieses von Bischof Vitus Huonder geleitet wird.

Recht anschaulich schildert Schlapp die früheren Verhältnisse zurzeit als Christianus Caminada Bischof von Chur war. Damals hatte in den Räumlichkeiten des bischöflichen Schlosses noch eine Familie Platz, welcher daselbst Wohnraum geboten wurde. In seinem Buch Ums Himmels willen erzählt Schlapp, der im bischöflichen Schloss auf dem Hof aufgewachsen ist, wie da die Atmosphäre noch von menschlicher Wärme geprägt war.

Wie sattsam bekannt ist, hat sich dies gründlich geändert. Bischof Huonder hat sich mit den fähigen Leuten, die an der Bistumsleitung beteiligt waren, überworfen und sich mehr und mehr nur noch mit Leuten seiner Couleur umgeben. Die Folgen sind verheerend: Der von Rom verordnete katholische Fundamentalismus grassiert; viele Gemeinden wollen mit dem Bischof nichts mehr zu tun haben; seine Weisungen werden ignoriert, und der Auszug aus der Kirche nimmt katastrophale Ausmasse an.
Die Bistumsleitung igelt sich ein und schottet sich von der aus ihrer Sicht bösen und vom katholischen Glauben abgefallenen Welt ab. Es ist kalt geworden auf dem Hof, eiskalt.

Hatte Papst Johannes Paul I. Gott noch als Vater und noch mehr als Mutter aller Menschen verkündet, so will Bischof Huonder sein Bistum lediglich als qualifizierte Minderheit von perfekten, frommen und absolut unterwürfigen Christen sehen. Selbständig denkende Gläubige sind ihm verpönt. Neustens möchte er die Pfarrblätter einer Zensur unterwerfen und empfiehlt den Gläubigen, auf Medien auszuweichen, in denen noch der wahre katholische Glaube verkündet wird. Auf die Gefahr einer Kirchenspaltung angesprochen, sagte Abt Christian von Engelberg, dass diese bereits Realität sei, nämlich die Spaltung zwischen der kirchlichen Basis und der Hierarchie. Vor diesem Hintergrund wird der bekannte Liedanfang “Wohin soll ich mich wenden?” aus Schuberts Deutscher Singmesse zur drängenden Frage. Anscheinend hatte schon der Komponist Franz Schubert Schwierigkeiten mit dem Absolutheitsanspruch der Katholischen Kirche, wenn festzustellen ist, dass er in allen seinen Messen stets die Stelle weggelassen hat, wo vom Glauben an “die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche” die Rede ist. Übrigens unterscheidet sich auch da das Glaubensbekenntnis unserer evangelischen Mitchristen nicht vom unsrigen, heisst es doch im evangelisch-reformierten Gesangbuch an dieser Stelle: “die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche”. Dabei ist zu beachten, dass das Wort “allgemein” nichts anderes ist als die korrekte deutsche Übersetzung des griechischen Ausdrucks “catholicam – katholisch”.

Gerade in der jetzigen Kirchenkrise kann nicht genug betont werden, dass weder der Papst noch der Bischof die letzte und entscheidende Instanz ist sondern Jesus Christus. Wie der Evangelist Markus berichtet, warnte schon Jesus vor einer geistlichen Obrigkeit, welche die Bodenhaftung verloren hatte: “Nehmt euch in acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf Strassen und Plätzen grüsst, und sie wollen in der Synagoge die vordersten Sitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben. Sie bringen die Witwen um ihre Häuser und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete.” (Mk 12, 38 – 40)

Im Zentrum unseres Glaubens steht Jesus Christus. Und dieser Glaube ist keiner Veränderung unterworfen, mag die Kirchenleitung sich noch so sehr in eine fundamentalistische Richtung verrennen. Der Glaube bleibt, nur die Auslegung von Jesu Botschaft und die Glaubenspraxis hat sich im Blick auf die Zeichen der Zeit den neuen Erkenntnissen anzupassen. Damit ist nichts anderes gemeint als das Heutig-werden des Glaubens, das der Konzilspapst Johannes XXIII. mit seinem aggiornamento wünschte.

Wir brauchen keine neue Reformation, wohl aber dringend Reformen (ecclesia semper reformanda est). Es gilt, die Gemeinschaft der Christen aus alten Zwängen zu befreien.  Die oberste und entscheidende Instanz ist das Gewissen, dem es zu gehorchen gilt. Gemäss Vatikanum II proklamiert die Frohe Botschaft die Freiheit der Kinder Gottes und respektiert die Würde des Gewissens und seiner freien Entscheidung (gaudium et spes 41). Hermann Schlapp erinnert daran, dass Reformen selten von der Leitung sondern fast immer von der Basis ausgegangen sind, betont aber auch, dass es in der christlichen Gemeinschaft eine Institution und Führung braucht. Er empfiehlt darum, bei der Suche nach Orientierung und Halt, sich (zwar nicht gerade an den Bischof, wohl aber) an Seelsorger und mündige, wache Mitchristen zu halten. Auch sieht er, gerade in der gegenwärtigen Situation, wo eine glaubwürdige Bistumsleitung fehlt, die Klöster als Hüter des Glaubens. Zu allen Zeiten musste die Kirche sich um ihre Inkulturation bemühen. Und dieses Bemühen müsste sich auch in unserer demokratischen Kultur auswirken. Gerade in diesem Belang hätte der Kantonale Seelsorgerat seine wichtige Bedeutung und Funktion. Leider aber lässt die bischöfliche Machtausübung diesen zur blossen Attrappe verkommen. Schlapp, selber Mitglied des Kantonalen Seelsorgerats, versteht diese Feststellung als Ermunterung, dass wache Christen sich einbringen sollen, wo sich dazu Gelegenheit bietet.

Ein lang anhaltender Applaus zeigte, dass der Vortrag von Hermann Schlapp die Zuhörerinnen und Zuhörer auf packende und überzeugende Art bewegt hat.

Quelle: Wohin soll ich mich wenden?
Vatikan: Mea culpa
Verrat am Bischofshof
Abt beschimpft Bischof als “Spaltpilz”

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