Ein Herz, das das Elend der Gesellschaft sieht

Kirche in der Welt: Die Gläubigen zum Zeugnis der Liebe ermuntern

Von Robert Kardinal Sarah, Präsident des Päpstlichen Rates “Cor Unum”

Nach einer langen Zeit der Reflexion, der Konsultation und der Ausarbeitung erscheint das Motu proprio Intima Ecclesiae natura. Es ist für die Gesamtkirche am 10. Dezember in Kraft getreten. Der Text betrifft in erster Linie das Bischofsamt in bezug auf die Verantwortung der Bischöfe für den Liebesdienst der Kirche. Darüber hinaus unterstreicht der Papst immer wieder, wie wichtig dieser Dienst für die Kirche ist; und das geht auch aus dem Titel des Motu proprio hervor. Auf die herausragende Funktion der Liebe ist der Papst auch am vergangenen 8. Oktober bei der Eröffnung der Synode über die Neuevangelisierung eingegangen. Er erinnerte daran, dass die beiden Säulen für die Neuevangelisierung “confessio” und “caritas” sind, Bekenntnis und Liebe.

Die gedanklichen Ursprünge des Dokuments sind in der ersten Enzyklika Benedikts XVI. zu suchen, wo er beobachtete, dass der Kodex des Kanonischen Rechts die Verantwortung des Bischofs bei der Ausübung der karitativen Tätigkeit seines Dienstes nicht im einzelnen behandelt (Deus caritas est, 32). Diese Lücke wird heute mit der vorliegenden Gesetzgebung geschlossen, die sich drei grossen Trägern des karitativen Handelns widmet und ihre Rechte und Pflichten erläutert: dem Bischof, den Gläubigen und den karitativen Organisationen, die Ausdruck jener Organisation sind, “die Voraussetzung für geordnetes gemeinschaftliches Dienen ist” (ebd., 20). Das Dokument besteht aus zwei Teilen, einer theologischen Einführung und einem Teil mit Verfügungen. Die hier folgenden Überlegungen wollen die theologische Dimension des kirchlichen Dienstes der Nächstenliebe vertiefen, die auch die neue Regelung inspiriert.

Die theologische Dimension

Die theologische Reflexion ist notwendig, weil der Gegenstand des Motu proprio in seinem tiefsten Wesen theologisch ist. Das grosse Verdienst Benedikts XVI. war es, mit seiner ersten Enzyklika Deus caritas est den Dienst der Liebe in seiner tatsächlichen Quelle zu verankern, dem gemäss, was die Offenbarung an Kostbarem und zentral Wichtigem enthält. Wir haben Gott als Liebe erkannt. Gottes Name ist Liebe: Es ist die Weise, in der er sich offenbart, das Unterscheidungsmerkmal – wenn man so sagen darf –, durch das er sich definiert und auszeichnet und das es uns ermöglicht, in Lebensgemeinschaft mit ihm zu treten. Dieser Name Gottes, die Art und Weise, in der wir ihn als unseren Gott erkennen und anrufen können, ist gerade Liebe. Und sie verweist uns ihrerseits auf die Dreifaltigkeit. Gott ist Liebe, weil er einzig und doch nicht allein, sondern Vater und Sohn und Heiliger Geist ist. Diese göttlichen Personen lieben und schenken sich einander. Wer seinerseits diese in Christus offenbar gewordene Liebe annimmt, wird Teil der Kirche, die zum Spiegel einer himmlischen Gemeinschaft der Liebe auf Erden wird. Und wie wir ohne die Dreifaltigkeit die Kirche nicht verstehen können, so können wir die Liebe der Kirche ohne die Liebe der Dreifaltigkeit nicht verstehen. Deshalb können wir mit dem hl. Augustinus sagen: “Wenn du die Liebe gesehen hast, hast du die Dreifaltigkeit gesehen.”

Diese Überlegungen führen uns zum Kern unserer Betrachtung: Der Liebesauftrag der Kirche bleibt ohne dieses grundlegende theologische Faktum unverständlich und benötigt daher das theologisch Gegebene, um sich ganz zu entfalten. Denn die Quelle jeder kirchlichen Handlung ist die Dreifaltigkeit. Es ist also letztlich diese trinitarische Liebe, die wir durch unser karitatives Tun sichtbar machen wollen. Wir haben den Auftrag, durch die Nächstenliebe die Liebe zu offenbaren, die Gott zu jedem Menschen hat, und es so möglich zu machen, dass sich jeder Mensch persönlich als von Gott geliebt erfahren kann. […]

Quelle
Über den Dienst der Liebe: Motu proprio
Päpstlicher Rat Cor Unum

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