Goldenes Priesterjubiläum des Kölner Kardinal Joachim Meisner

Der Blankoscheck des jungen Weihekandidaten Joachim Meisner

Generalvikar Stefan Hesse erinnert in Predigt: Am Abend vor Ihrer Weihe haben Sie “einen Blankoscheck ausgefüllt, also einen mit Datum und Unterschrift, aber ohne konkrete Summe”

Köln, kath.net/pek, 27. November 2012

“Bei verschiedenen Gelegenheiten haben Sie, lieber Herr Kardinal, immer wieder davon erzählt, dass Sie am Vorabend Ihrer Priesterweihe am Fenster des Erfurter Seminars standen und auf den Dom blickten. Im Vorgriff auf Ihre Weihe am nächsten Tag haben Sie an jenem Abend einen Blankoscheck ausgefüllt, also einen mit Datum und Unterschrift, aber ohne konkrete Summe.”

Daran erinnerte der Kölner Generalvikar Stefan Hesse in seiner Festpredigt beim Klerustreffen anlässlich des Goldenen Priesterjubiläum des Kölner Kardinals Joachim Meisner.

kath.net dokumentiert die Festpredigt des Kölner Generalvikars Stefan Hesse zum Goldenen Priesterjubiläum von Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln, beim Klerustreffen am 26. November 2012:

Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Mitbrüder im geistlichen Dienst,
lieber Herr Kardinal, heute darf ich sagen: Lieber Jubilarpriester!

Amor extasim facit.

Dieses Wort des Pseudo Dionysius Areopagita steht auf dem Pectorale unseres Jubilars. Amor extasim facit: Die Liebe ekstasiert. Die Liebe geht über sich hinaus. Sie will das je Grössere. Sie will das je Mehr.

Dieses Pectorale aus der Hand der Kölner Künstlerin Hildegard Domizlaff ist eine Meditation über die Liebe Gottes, die ekstasiert: Aus dem ewigen Kreisen der Dreifaltigkeit, aus diesem Geben und Empfangen von Herrlichkeit und Fülle entsteht die harte und kantige Form des Kreuzes. Das, was wir gemeinhin als Gnadenstuhl bezeichnen (in der Mitte des Pectorale), ist die Kreuz gewordene Liebe Gottes des Vaters in seinem Sohn. Die Perlen, die diesen Gnadenstuhl umgeben, stehen für geronnene Tränen, die Schmerzenstränen Christi selbst, aber auch die Tränen seiner Mutter. Daraus ergibt sich schliesslich das Grau in Grau der Kreuzesplatte, das nach dem Karfreitag und dem Sterben Jesu auf den Karsamstag mit seinem Hinabstieg in das Reich des Todes hinweist. Menschlich gesehen geschieht hier gar nichts mehr, ist Totenstille, eben alles grau in grau.

Ekstasierte Liebe – das ist kein Höhenflug, keine Traumtänzerei, nicht Abgehobensein, alles andere als Überheblichkeit oder Jenseitigkeit. Keine Spiritualisierung! Ekstasierte Liebe, das ist Fleisch gewordene Liebe, die aufs Ganze geht und eben nicht auf halber Strecke wieder kehrt macht.

Wirkliche Liebe ist immer ekstatisch. Das gilt nicht nur für die göttliche Liebe, sondern auch für unsere menschliche als Gottes Ebenbilder. Wenn der Bischof Joachim Meisner dieses Wort auf sein Pectorale schreibt, dann spiegelt sich darin nicht nur sein Bischofsamt wider, sondern erst recht sein Priestersein, ja sein Mensch-sein. Mensch zu sein ohne Liebe, die sich verschwendet, wäre ziemlich armselig. Diakon- oder Priestersein ohne ekstasierende Liebe, das ist undenkbar und nicht lebbar! Lassen Sie mich dies an 3 Beispielen aus dem Leben unseres Jubilars verdeutlichen!

1. Der Blankoscheck

Bei verschiedenen Gelegenheiten haben Sie, lieber Herr Kardinal, immer wieder davon erzählt, dass Sie am Vorabend Ihrer Priesterweihe am Fenster des Erfurter Seminars standen und auf den Dom blickten. Im Vorgriff auf Ihre Weihe am nächsten Tag haben Sie an jenem Abend einen Blankoscheck ausgefüllt, also einen mit Datum und Unterschrift, aber ohne konkrete Summe.
Ich weiss nicht, ob Ihre frühere Banklehre Sie hier noch einmal eingeholt hat?

Ist eine solche Blankovollmacht nicht übertrieben, stellt sie keine Überforderung oder gar die Aufgabe unserer persönlichen Freiheit dar? Kann, ja sollte ein Mensch so etwas überhaupt tun?

Liebe Schwestern und Brüder, ich bin der festen Überzeugung, dass es Gott gegenüber die einzig mögliche und die einzig angemessene Haltung ist. Wenn Gott sich in Jesus Christus ganz ausspricht und verschenkt, wenn er nichts für sich zurückbehält, dann ist die wirklich dieser Vor-Gabe entsprechende Antwort einzig und allein ein solcher Blankoscheck, ohne jede Begrenzung und Einschränkung, ohne jede Absicherung. Gottes verschenkende Liebe ermöglicht geradezu erst unsere Freiheit und unsere Antwort.
Maria hat uns das vorgelebt. Ihre Antwort auf den göttlichen Ruf ist das Fiat: “Siehe, ich bin die Magd des Herrn”. Dem Gott, der sich ganz ausspricht und einem Menschen anvertraut, entspricht ein Hörer, hier eine Frau, die diesem Wort keine Grenzen setzt.

Liebe Schwestern und Brüder, das ist eine im wahrsten Sinne des Wortes herausfordernde Wahrheit. Sie holt uns aus der Beschränktheit und Enge unserer Vorstellungen und unseres Lebens heraus. Sie holt uns aus allen menschlichen Sicherheiten und Garantien heraus und lässt uns auf Christus zugehen. Ist es Zufall oder liegt es auf genau dieser Linie, dass der Kölner Erzbischof in seinem Hirtenstab in der Krümme diese Szene vor Augen hat: Petrus verlässt das Boot, um übers Wasser auf Christus zuzugehen. Nicht nur der Priester, auch der Bischof Joachim Meisner steht unter diesem Anspruch und jeder einzelne von uns!
Wenn wir diesen Schritt tun, kann Christus uns gebrauchen. Derjenige, der zurückschaut, der nach hinten gerichtet ist, der im Vergangenen lebt, der immer das rettende Ufer vor Augen oder unter den Füssen haben muss, der diese und jene Entschuldigung anführt, um nur ja diesen entscheidenden Schritt nicht machen zu müssen, mit dem kann der Herr nicht allzu viel anfangen. Wer aber in aller Freiheit und in aller Grosszügigkeit diesen Schritt tut, der wächst allemal über sich selbst hinaus auf das Mass Christi hin. Und dessen Leben und Dienst kommt zu einer Fülle, die man ihm wahrscheinlich nie zugetraut hätte. Das ist hundertfach erwiesen: Maria und Josef, Petrus und Paulus, Franziskus und Klara, der Pfarrer von Ars, Maximilian Kolbe, Edith Stein und viele andere mehr.

Welche Dimensionen ein solcher Blankoscheck annehmen kann, können wir am Leben des sel. Karl Leisner ablesen: Mit seiner Jugendgruppe hat er am 18. Oktober 1939 einen solchen Blankoscheck ausgefüllt und auf den Altar gelegt. Keine zwei Monate später, am 15. Dezember 1939, schreibt er – mittlerweile verhaftet, aus dem Gefängnis in Freiburg heraus – an seinen Freund, den späteren Bischof Tenhumberg in Münster: “Also erschrick bitte nicht allzu sehr und fasse dich, wie auch ich mich gefasst habe; nel spiritu del schecco bianco”! – Alles im Geist des Blankoschecks. Und einige Jahre später, diesmal schreibt Karl Leisner aus dem KZ Dachau (2.10.1943) wieder denselben Gedanken in einer für die Gestapo und SS verklausulierten Formulierung: “… Am 18. sind’s vier Jahre, dass ihr daheim versammelt ward und alles blank machtet. Damals konnte ich nur im Geist mittun…”

Karl Leisner und die anderen Genannten und viele andere mehr werden als Verfügbare zu grandiosen Mitspielern im Drama der Liebe Gottes. Die grossmütige Verfügbarkeit jedes einzelnen führt dazu, im Plan der Liebe Gottes genau an die Stelle gesetzt zu werden, wo unsere Berufung liegt. Gott will uns ja nicht als Marionetten verzwecken, sondern er will uns zur Höhe unserer Berufung führen. Ich glaube, unser Erzbischof kann ein Lied davon singen, was es heisst, das nicht nur am Tag der Priesterweihe einzulösen, sondern an den verschiedensten Stellen, an die man hingestellt wird, und unter den verschiedensten Herausforderungen, die auf einen zukommen, in Heiligenstadt, in Erfurt, in Berlin, in Köln ….

Diese Haltung der Verfügbarkeit sollen wir Diakone und Priester, ja jeder Christ zu unserer Lebenshaltung werden lassen. Man wundert sich, wie im Eilverfahren aufgerüstet wird, die Hände wieder gefüllt sind und wir die Blankovollmacht via facti ganz schnell wieder zurücknehmen und aus der Ganzhingabe unter der Hand ein Teilzeitprojekt machen.

2. Die Feier der Eucharistie

Schwestern und Brüder, jeder von uns weiss, wie wertvoll unserem Erzbischof die tägliche Feier der heiligen Messe ist. Das jeweilige Tagesprogramm, der Urlaub, alle Aktivitäten werden so geplant, dass er die Messe zelebrieren kann, und sei es morgens in aller Frühe. Das ist mehr als geistliche Disziplin oder die Rettung einer Praxis aus längst vergangenen Tagen. Ich glaube, es ist für den Priester Joachim Meisner Lebenselixier. Für ihn ist die Feier der heiligen Messe der Grundvollzug des priesterlichen Lebens. Wer Eucharistie feiert, vollzieht immer wieder aufs Neue die grenzenlose Liebe Jesu Christi, der nichts für sich zurückbehält oder irgendwie sein Scherflein ins Trockene zu bringen versucht, sondern der sich ganz einsetzt und ohne Netz und doppelten Boden sein ganzes Leben aufs Spiel setzt. Wer das jeden Tag tut, den kann das nicht kalt lassen, der kann davon nicht unberührt bleiben, sondern der wird sich verwandeln lassen, und zwar in genau das hinein, was er feiert und empfängt. Wenn wir die Eucharistie feiern, dann verändert das uns und unser Leben. Jeden Tag können wir unsere Armut und Leere, unsere Bruchstücke und Begrenztheiten in den bescheidenen Gaben von etwas Brot und Wein zu seiner Fülle verwandeln lassen. Er hilft uns zu dieser ekstasierenden Liebe hin.

3. Stellvertretung

Unser Jubilarpriester ist Priester geworden in einer Diasporakirche. In dem kleinen Ort gab es nur ein paar Katholiken. Der katholische Pfarrer hat deswegen schon sehr früh seinen Gemeindemitgliedern vor Augen geführt: Jeder von euch steht Sonntag für Sonntag für viele andere stellvertretend vor dem Herrn.
Stellvertretung lässt sich sicher nicht auf eine mathematische Formel bringen. Aber dass der Priester für seine Gemeinde eintritt, dass der Priester zugunsten seiner Gemeinde vor Gott steht, wenn er etwa das Stundengebet verrichtet, dass er für seine Gemeinde Gottesdienst feiert, selbst dann, wenn er privat zelebrieren mag, und dass der Bischof für seine Priester, ja das ganze Volk seiner Ortskirche vor Gott Sorge trägt, das wird niemand von uns ausklammern dürfen. Könnte dies nicht gerade in Zeiten, wo unsere Gemeinden kleiner werden, unser Auftrag sein: stellvertretend vor Gott treten für die, die nicht mehr kommen, nicht mehr beten können, denen die Worte dazu fehlen, und schliesslich stellvertretend für alle, die es noch nicht können.

Lieber Herr Kardinal, Amor extasim facit – Die Liebe ekstasiert. Gottes Liebe und unsere je länger je mehr. Der Blankoscheck, die Feier der Eucharistie und die Dimension der Stellvertretung sind nur einige kleine Hinweise, aus denen deutlich wird, dass auch unsere Liebe sich nie mit ihrem Status quo zufrieden geben darf.

Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie in den fünfzig Priesterjahren ein Zeugnis der Liebe Gottes gegeben haben und dass Sie dies in aller Klarheit und Treue mit ganzem Herzen und all Ihrer Kraft bis heute hier bei uns in Köln tun. Danke für dieses Zeichen Ihres priesterlichen Dienstes, das auch uns alle stärkt und ermutigt und immer wieder herausfordert, selber aus uns herauszugehen und zu je grösserer Liebe zu gelangen.

Vergelt’s Gott!

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