Die Beichte ist auch ein Gericht

Im Handeln des Priesters wird das Wirken Gottes, welches dieser durch die Kirche vollzieht, sichtbar

Was im Kreuz ein für allemal gewirkt wurde, wird in der Heiligen Beichte am einzelnen Sünder immer wieder aktualisiert und erneuert, wenn es verwirkt wurde. Ein Kommentar von Michael Gurtner

Salzburg, kath.net, 14. November 2012

Wenn sich das Kirchenjahr dem Ende zuneigt, stellt uns die Kirche in ihrer Liturgie, speziell in ihren Schriftlesungen, immer eindringlicher jenes vor Augen, was uns auch selbst an unserem Lebensende dereinst erwarten wird: Das Gericht Gottes. Es ist gut, dass zu verschiedenen liturgischen Zeiten verschiedene Momente besonders ins Licht gehoben werden, so dass sich im Laufe eines Kirchenjahres ein mehr oder minder komplettes Gesamt (manche Aspekte bleiben freilich unterbelichtet) ergibt. Zu diesem Gesamt gehört selbstverständlich auch die Lehre der letzten Dinge: Gericht, Himmel, Hölle, Verdammnis, Auferstehung des Leibes.
Diese Aspekte sind freilich keine punktuellen Einzelmomente, sondern in das grosse, komplexe Gefüge der Kirche eingewoben, worin sie ihre permanente Bedeutung haben.

Das Kirchenjahr ist somit wie ein Scheinwerfer, der in seinem Lauf nacheinander mikroskopisch den einen oder anderen Punkt dieses grossen makroskopischen Gefüges beleuchtet, auch wenn diese einzelnen Punkte freilich immer präsent bleiben.

Und so scheint es angezeigt, auch einmal einen leider oftmals vergessenen Punkt etwas näher zu beleuchten und ins Licht zu heben, nämlich den Gerichtscharakter der Heiligen Beichte.

Das Heilige Konzil von Trient, welchem sich auch das Zweite Vaticanum explizit verpflichtet hat, sagt im fünften Kapitel der 14. Sitzung vom 25. November 1551 über das Busssakrament folgendes:

“Zufolge der schon erklärten Einsetzung des Sakraments der Busse, verstand die ganze Kirche immer, dass damit auch das vollständige (Lk 5,13 und 17,14 und Jak 5,16 und 1 Joh 1,8 und unten, Kanon 6 von der Busse) Bekenntnis der Sünden von dem Herrn eingesetzt und nach göttlichem Gesetze allen nach der Taufe Gefallenen notwendig sei, weil unser Herr Jesus Christus, als er von der Erde in den Himmel aufsteigen wollte, seine Priester als Stellvertreter seiner selbst zurückliess, gleichsam als Vorstände und Richter, vor welche alle tödlichen Vergehungen, in die die Gläubigen fallen würden, vorgebracht werden sollen, damit sie, vermöge der (Mt 18,18; Joh 20,23) Schlüsselgewalt, darüber das Urteil des Nachlasses und Behaltens der Sünden aussprechen: denn es ist offenbar, dass, ohne Erkenntnis der Sache, die Priester diese Beurteilung nicht ausüben könnten, und auch, dass sie in Auferlegung der Strafen die Billigkeit nicht beobachten könnten, wenn jene ihre Sünden nur im allgemeinen und nicht vielmehr im Besonderen und einzeln anzeigten.”

Kanon 9 derselben Sitzung sagt: “Wenn jemand sagt, die sakramentale Lossprechung des Priesters sei nicht eine richterliche Handlung, sondern ein nackter Dienst der Verkündigung und Erklärung, dass die Sünden dem Beichtenden nachgelassen seien, wofern er nur, dass er losgesprochen sei, glaubt oder der Priester brauche nicht ernsthaft, sondern könne Scherzweise losgesprochen oder sagt, die Beicht des Büssenden werde nicht dazu erfordert, dass der Priester ihn lossprechen könne, der sei im Banne. ”

Es ist also fester Glaube der Kirche, dass der Priester in der Spendung des Heiligen Beichtsakramentes einen richterlichen, hoheitlichen und autoritativen Akt setzt. In der Beichte wird Gericht gehalten. Das Kirchengesetzbuch der katholischen Kirche sagt in Can. 978 § 1: “Der Priester soll beim Beichthören dessen eingedenk sein, dass er in gleicher Weise die Stelle eines Richters wie die eines Arztes einnimmt und von Gott zugleich zum Diener der göttlichen Gerechtigkeit wie auch Barmherzigkeit bestellt ist, der der Ehre Gottes und dem Heil der Seelen dient.”

Dabei bleibt natürlich auch klar, dass es sich nicht um einen Gerichtsakt im Sinne eines kanonischen Strafprozesses handelt. Die Art des Gerichtes, welches gehalten wird, ist sui generis, was aber der Tatsache keinen Abbruch tut, dass es sich dennoch um ein wahres und wirkliches Gericht handelt, welches in der Beichte vollzogen wird. Während wir das kanonische Gericht als “äusseres Gericht” bezeichnen könnten, so ist die Beichte Gericht im Sinne eines “inneren Gerichtes”. Denn während ein ordentliches Gerichtsverfahren im strafrechtlichen Sinne auf die Findung der Wahrheit bzw. der objektiven Schuldhaftigkeit sowie die Verhängung einer angemessenen Strafe abzielt, so zielt das Beichtgericht auf genau das Gegenteil ab: die Auflösung der subjektiven Schuld. Ist der Priester in der Beichte Richter an Christi statt, so gilt dies nicht für die weltlichen oder kirchlichen Richter.

Der Gerichtscharakter des Beichtsakramentes ergibt sich jedoch genau aus diesem Faktum, dass der Priester an Stelle Christi handelt bzw. dieser als Ersthandelnder durch den Priester: denn alle heiligen Sakramente werden hoheitlich vom Vater durch den Sohn im Heiligen Geist mittels der heiligen Kirche Gottes gespendet. Im Handeln des Priesters wird das Wirken Gottes, welches dieser durch die Kirche vollzieht, sichtbar. Um den Gerichtscharakter des Busssakramentes besser verstehen zu können, müssen wir also beim Erstspender, also Christus dem Hohenpriester ansetzen.

Am Kreuz hat Christus der Menschheit das Heil gewirkt, welches in seiner objektiven Dimension unverlierbar wurde, in seiner subjektiven Dimension jedoch verlierbar bleibt: die prinzipielle Möglichkeit zur Heiligkeit kann nicht mehr hinweg genommen werden, so wie es nach dem Sündenfall der Stammeltern verschlossen blieb, sondern steht an sich nun alles und für alle Zeiten offen. Der Einzelne jedoch kann sehr wohl des Heiles verlustig gehen, indem er durch entsprechende Mängel in Glaube oder Sitte sich selbiges verwirkt. Man könnte dies, so man es mit einem Bilde ausdrücken möchte, ein wenig mit der Türe zum Paradiesesgarten vergleichen: diese wurde durch Christus aufgesperrt und zwar so, dass sie nicht mehr verschlossen werden kann. Dieses Geöffnetsein und Geöffnetbleiben ist das “unverlierbare Heil”. Das Auftun des himmlischen Paradieses wurde also am Kreuz durch den Kreuzestod gewirkt, und somit steht es der Menschheit prinzipiell offen. Ob der einzelne jedoch auch dieses Tor durchschreiten darf, darüber wird Christus Gericht halten. In diesem Gericht wird die Schuld des Einzelnen bewertet. Auf die einzelnen Personen selbst bezogen ist das Heil also sehr wohl ein verlierbares.

Dass das Tor zum Paradies bleibend geöffnet ist bedeutet nicht, dass auch alle automatisch dieses Tor “benutzen”: wer nicht in den geöffneten Paradiesesgarten eintreten darf, weil er durch Glaube oder Werke gefehlt hat, hat das Heil sehr wohl an sich selbst verwirkt, jedoch nicht auch an den anderen.

Das persönliche Gericht, welches Christus auf jeden Fall halten wird nach dem Ableben eines jeden Menschen und welches über Heil und Verderb entscheidet, kann in gewisser Weise – freilich mit einigen signifikanten Unterschieden – bereits auf Erden “partiell vorgezogen” werden, nämlich in der Heiligen Beichte. Christus hält durch seine Kirche Gericht an demjenigen, der sich diesem Gericht freiwillig unterstellt (später wird sich die Seele nicht mehr freiwillig diesem Gerichtsspruch unterstellen, sondern es wird an ihr geschehen). Dieses Gericht, ist, wenn es in der Beichte vorgezogen wird, jedoch nicht unparteiisch, sondern parteiisch, denn es zielt aktiv auf einen Freispruch von der begangenen Schuld ab, was zur Folge hat, dass demjenigen, welcher sich den Weg durch die Paradiesespforte selbst durch sein Fehlverhalten oder seinen Glaubensmangel verschlossen hat, wieder neu zugänglich gemacht wird.

In der Beichte wird im richterlichen, sakramentalen Freispruch also letztlich das erneut an einem persönlich wirksam gemacht, was im Kreuzesopfer allgemein erwirkt wurde und was allgemein und ewiggültig gewirkt ist und bleibt, persönlich (und nur auf sich selbst bezogen) jedoch wieder verwirkt werden kann. Somit entfaltet in der Heiligen Beichte im vorgezogenen Gericht in gewisser Weise das Kreuzesopfer und der Opfertod Jesu Christi seine konkrete Wirkung, nachdem sie allgemein bereits Wirklichkeit wurde. In der Beichte wird von daher konkret an einer Seele wirksam was bereits in allgemeiner Weise gewirkt ist.

Im Beichtsakrament wird der Sünder somit tief in das Mysterium von Kreuz und Tod hineingetaucht, er wird in dieses Mysterium insofern selbst mit hineingenommen als dieses an ihm persönlich wirksam wird. Dieses Mysterium von Kreuz und Opfertod ist aber nichts anderes als selbst auch wieder ein Gerichtsspruch Gottes, wird doch im Sühnetod des Sohnes die Schuldenfolge Adams aufgehoben.

Somit kann auch von diesem Gesichtspunkt her das heilige Beichtsakrament nichts anderes sein als ebenso ein Gericht, weil dieses Sakrament aus dem Gerichtsspruch Gottes, welches die Erlösung letztlich auch ist, entwächst, diesen auf eine konkrete Seele anwendet und – ganz parteiisch pro reo – auf deren Bestehen beim jüngsten Gericht hin abzielt. Die Beichte kommt also aus einem Gericht, zielt auf ein Gericht hin und vollzieht dieses partiell vor.

Dieses Gericht ist also, wie wir feststellten, zwar parteiisch im Sinne des Angeklagten der sich selbst anklagt, jedoch auch gerecht. Aber gerade somit ist es auch notwendig an bestimmte Voraussetzungen gebunden (die allgemeinen Bedingungen zur gültigen Beichte), was einen rein psychologisch-pastoralen oder katechetischen Charakter ausschliesst: die Beichte ist ein hoheitlicher, richterlicher Akt, in welchem Christus in seiner Kirche durch seinen Priester das Gerichtsurteil partiell (d.h. in manchen seiner Teile und bis hin zum Tag der Beichte) vorwegnimmt und auf das persönliche bzw. das Jüngste Gericht abzielt und auf dieses vorbereitet: Der kirchliche Schuldspruch, der eine Begnadigung ist, ist im letzten identisch mit dem göttlichen Urteil, weil im Weihesakrament Christus seinen Priester die Vollmacht dazu verliehen hat, das Urteil zu sprechen.

Dieses Urteil, welches der Priester fällt wenn er spricht “ego te absolvo”, ist also ein himmlisches Urteil und bleibt unverbrüchlich gültig auch wenn es zum grossen Gericht kommt, welches Christus selbst halten wird, weil es ihm vom Vater übertragen wurde. Was losgesprochen ist, gilt in diesem letzten Gericht auch als getilgt und nichtig, da für diese gebeichteten Bereiche das Urteil bereits ergangen ist. Die Beichte ist somit sowohl ein Hinweis auf das Endgericht, als auch eine teilweise Vorwegnahme desselben, bei allen Unterschieden welche noch bestehenbleiben.

Voraussetzung für diesen gültigbleibenden Freispruch ist freilich (neben anderen Dingen wie die Bussfertigkeit, die zumindest unvollkommene Reue etc.) die Selbstanklage seiner Sünden vor der göttlichen Autorität, indem man selbige Christus vor dessen Priester, welcher die entsprechende sakramentale sowie auch kirchlich-iuridische Vollmacht innehaben muss, bekennt.

Auch der äussere Vollzug des Busssakramentes erinnert uns mitunter an dessen Gerichtscharakter: manche Priester halten die rechte Hand während der Lossprechung regungslos, und gleichsam wie zum beginnenden Segen erhoben. Aus dieser Stellung heraus erteilen sie selbigen dann tatsächlich zu den Worten “Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes”. Diese Handstellung ist ein alter Gestus aus dem Gerichtswesen und dem Richter eigen.

Zum Schluss haben wir noch auf einen Punkt einzugehen, welcher vorhin bereits etwas angeklungen ist, aber den wir noch nicht entfalten konnten da diese Andeutung in einem etwas anderen Kontext erfolgte welchen wir nicht unterbrechen wollten: Dem Kreuzestod Christi selbst haftet ein Gerichtscharakter an! Seine Gerichtlichkeit besteht allerdings nicht darin, dass der Gottessohn unter Pontius Pilatus zum Tod am Kreuze verurteilt wurde: dieser historische Umstand mag zwar auf den Gerichtscharakter des Kreuzestodes hindeuten, jedoch besteht dieser nicht darin. Der Gerichtscharakter ist vielmehr dadurch gegeben, dass Gott Vater seinen Sohn in den Tod gab. Der Tod als solcher ist jedoch bereits Schuldspruch bzw. die daraus resultierende Strafe nach dem Sündenfall der Stammeltern. Der Gottessohn, welcher selbst frei von jeglicher Schuld war, nahm diesen Strafspruch auch auf sich, nachdem er Menschennatur angenommen hatte und uns in allem gleich geworden war, ausser der Sünde. Er, der ohne Sünde war, nahm die Sündenfolge, nämlich den Tod, auf sich und liess somit das Urteil des Vaters über die gesamte Menschheit auch auf sich anwenden.

Dies geschah aus Sühne, wodurch aus dem alten Gerichtsurteil gleichsam ein neues werden konnte: nach dem Sündenfall kam Tod und Leid als Zeichen der Gottesferne in die Welt, das Paradies und somit die volle Gottesgemeinschaft bleib verschlossen. Indem jedoch nun er, der selbst Gott ist und eines Wesens mit dem Vater, die Folge der Sünde, nämlich die Strafe des Todes, welcher über die Schöpfung verhängt wurde, sühnend auf sich genommen hat, wurde aus dem alten Gerichtsspruch ein neuer, indem das Paradies wieder zugänglich gemacht wurde.

Was im Kreuz ein für allemal gewirkt wurde, wird in der Heiligen Beichte am einzelnen Sünder immer wieder aktualisiert und erneuert, wenn es verwirkt wurde. Auch von daher ist die Beichte ein Gerichtsspruch, insofern auch der Kreuzestod ein (neuer) Gerichtsspruch ist der an die Stelle des alten tritt. Begeben wir uns nun zur Heiligen Beichte, so lassen wir den neuen Gerichtsspruch an uns anwenden und wirksam werden, indem wir die verbotene Frucht des Baumes gegen die gebotene Frucht des Kreuzesstammes eintauschen.

Wenn wir nun, da wir dem Ende des liturgischen Jahres entgegengehen und die Gerichtsworte in der heiligen Liturgie der Kirche an unserem Gewissen rütteln, so sollten wir dies auch einmal auf das Sakrament der Busse hin betrachten, in welchem wir das endgültige Urteil, welches dereinst über uns ergehen wird, wesentlich beeinflussen können indem wir uns selbst bereits jetzt dem Gericht Gottes unterstellen, welches er durch seine Kirche an uns hält.

Mag. theol. Michael Gurtner ist katholischer Theologe aus der Erzdiözese Salzburg

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