“Berufen, das Wort der Wahrheit leuchten zu lassen”

Vatikan – Botschaft von Papst Benedikt XVI. zum Weltmissionssonntag 2012

Rom, Fides-Dienst, 25.01.2012

Wir veröffentlichen die Botschaft von Papst Benedikt XVI. zum Weltmissionssonntag 2012 mit dem Titel “Berufen, das Wort der Wahrheit leuchten zu lassen ” in eigener Übersetzung:

“Berufen, das Wort der Wahrheit leuchten zu lassen” (Apost. Schr. Porta Fidei, 6)

Liebe Brüder und Schwestern,

Die Feier des Weltmissionssonntags hat dieses Jahr eine ganz besondere Bedeutung.

Das 50jährige Jubiläum des Konzilsdekrets Ad Gentes, die Eröffnung des Jahres, das ich dem Glauben gewidmet habe, und die Bischofssynode zum Thema Neuevangelisierung streben demselben Ziel zu und bekräftigen den Willen der Kirche, sich mit grösserem Mut und Eifer der missio ad Gentes zu widmen, damit das Evangelium bis an die äusserten Grenze der Erde verkündet wird.

Das Zweite Vatikanische Konzil war mit der Teilnahme vieler Bischöfe aus allen Teilen der Welt, ein leuchtendes Beispiel für den universalen Charakter der Kirche, da erstmals auch eine so grosse Anzahl von Konzilsvätern aus Asien, Afrika, Afrika, Lateinamerika und Ozeanien anwesend waren. Missionsbischöfe und einheimische Bischöfe, Hirten von Gemeinden, die verstreut unter nichtchristlichen Völkern leben, trugen mit ihrer Anwesenheit dazu bei, dass bei der Konzilsversammlung das Bild einer bereits auf allen Kontinenten präsenten Kirche entstand, wobei sie gleichsam die komplexe Realität der damals so genannte “Dritten Welt” zum Ausdruck brachten. Reich an Erfahrung als Hirten junger Kirchen, die sich noch im Wachstum befanden, und beseelt von der Leidenschaft für die Verbreitung des Reiches Gottes, trugen sie in beachtlicher Weise dazu bei, dass die Notwendigkeit und die Dringlichkeit der Evangelisierung ad Gentes deutlich wurde und dass das missionarische Wesen der Kirche in dem Mittelpunkt der Ekklesiologie gestellt wurde.

Missionarische Ekklesiologie

Diese Vision ist bis heute gültig und es fand vielmehr in der Zwischenzeit eine fruchtbare theologisch und pastorale Reflexion statt, wobei gleichzeitig eine neue Dringlichkeit in den Vordergrund tritt, da die Zahl derer, die Christus nicht kennen, gestiegen ist: “Die Zahl der Menschen, die auf Christus warten, ist noch immer unendlich gross”, schrieb der selige Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Redemptoris Missio über die bestehende Gültigkeit des Missionsauftrags und fügte hinzu: “Wir können nicht ruhig vor uns hinleben, wenn wir an die Millionen von Brüdern und Schwestern denken, die, wenn auch durch das Blut Christi erlöst, doch leben, ohne von der Liebe Gottes zu wissen” (Nr. 86). Auch ich schreibe anlässlich der Ausrufung des Jahres des Glaubens, dass Christus uns heute wie damals auf die Strassen der Welt entsendet “um sein Evangelium allen Völkern der Erde bekannt zu machen” (Apost. Schr. Porta fidei, 7); eine Verkündigung, die, wie auch der Diener Gottes Papst Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Nuntiandi festhielt, “für die Kirche kein fakultativer Beitrag ist: sie ist die Pflicht die ihr durch den Auftrag Jesu Christi auferlegt wurde, damit die Menschen glauben und erlöst werden können. Ja, diese Botschaft ist notwendig. Sie ist einzigartig. Sie ist unersetzba” (vgl. Nr. 5). Wir müssen also denselben apostolischen Eifer der ersten christlichen Gemeinden wieder erlangen, die zwar klein und wehrlos waren, und doch in der Lage, durch ihre Verkündigung und ihr Zeugnis das Evangelium in der ganzen damals bekannten Welt zu verkünden.

Es ist also nicht verwunderlich, dass das Zweite Vatikanische Konzil und die nachfolgende Kirchenlehre in besonderer Weise den Missionsauftrag hervorheben, den Christus seinen Jüngern anvertraut hat und der Aufgabe des ganzen Gottesvolkes, der Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien ist. Die Sorge um die Verkündigung des Evangeliums in allen Teilen der Welt ist vor allem Aufgabe der Bischöfe, die direkt für die Evangelisierung der Welt verantwortlich sind und zwar sowohl als Mitglieder des Bischofskollegiums als auch als Hirten der Ortskirchen. Da sie “nicht nur für die bestimmte Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen haben” (JOHANNES PAUL II., Enzyklika Remptoris Missio, 63), “sie sind Boten des Glaubens, die neue Jünger zu Christus führen” (Ad Gente, 20) und “lassen den missionarischen Geist und Eifer des Gottesvolkes gegenwärtig und gleichsam sichtbar werden, so dass die ganze Diözese missionarisch wird” (ebd. 38).

Evangelisierung ist Priorität

Der Auftrag der Verkündigung des Evangeliums erschöpft sich jedoch für einen Hirten nicht in der pastoralen Sorge um den Teil des Gottesvolkes, der ihm anvertraut wurde, und auch nicht durch die Entsendung einiger Priester, Ordensleute oder Laien als fidei-donum-Missionare. Er muss alle Aktivitäten der Ortskirche umfassen, alle ihre Bereiche, kurz gesagt ihr ganzes Sein und Handeln. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dies deutlich hervorgehoben und das nachfolgende Lehramt hat es mit Nachdruck bekräftigt. Dies erfordert eine konstante Anpassung der Lebensstile, Pastoralprogramme und Organisation in den Diözesen an diese grundlegende Dimension des Wesens der Kirche, insbesondere in unserer heutigen Welt, die in einem ständigen Wandel begriffen ist. Und dies gilt auch für die Institute des Gottgeweihten Lebens und die Gesellschaften des Apostolischen Lebens sowie für die kirchlichen Bewegungen: alle Komponenten des grossen Mosaiks der Kirche müssen sich vom Auftrag des Herrn zum Predigen angesprochen fühlen, damit Christus überall verkündet wird. Wir müssen uns als Hirten, Ordensleute und Christusgläubige, auf die Spuren des heiligen Paulus begeben, der als “Gefangener Christi Jesu für die Heiden” (vgl. Eph 3,1) gearbeitet und unter vielen Mühen gekämpft hat, um das Evangelium unter den Ungläubigen zu verkünden (vgl. Eph 1,24-29) und dabei weder Kräfte noch Zeit oder Mittel sparen, wenn es darum geht, die Botschaft Christi bekannt zu machen.

Auch heute muss die Mission ad Gentes der konstante Horizont und Paradigma bei jeder kirchlichen Handlung sein, denn die Identität der Kirche ergibt sich aus dem Glauben an das Geheimnis Gottes, das sich in Christus offenbart, damit wir erlöst werden, und aus der Sendung zum Zeugnis und zur Verkündigung bis Er wieder kommen wird. Wie der heilige Paulus müssen wir unser Augenmerk den Fernen widmen, denjenigen, die Christus noch nicht kennen und die göttliche Vaterschaft noch nicht erfahren haben. “Die missionarische Zusammenarbeit wird heute um neue Formen erweitert, die nicht nur die wirtschaftliche Unterstützung, sondern auch die direkte Teilnahme an der Evangelisierung einschliessen”. (JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris Missio, 82). Die Feier des Jahres des Glaubens und der Bischofssynode zum Thema Neuevangelisierung werden die Erneuerung der missionarischen Zusammenarbeit begünstigen, vor allem diese zweite Dimension.

Glaube und Verkündigung

Das Bemühen um die Verkündigung Christi drängt uns auch zur Auseinandersetzung mit der Geschichte, damit wir die Probleme, Sehnsüchten und Hoffnungen der Menschen erkennen, die Christus erträglich machen und läutern soll, indem er sie mit seiner Gegenwart erfüllt. Denn seine Botschaft ist stets aktuell; sie begibt sich in das Herz der Geschichte hinein und ist in der Lage, Antworten auf die tiefsten Fragen des Menschen zu geben. Aus diesem Grund muss sich die Kirche in allen ihren Komponenten bewusst sein, dass die “immensen Horizonte der kirchlichen Sendung und die Komplexität der gegenwärtigen Situation […] heute neue Modalitäten für eine wirkkräftige Mitteilung des Wortes Gottes” verlangen (BENEDIKT XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini, 97). Dies erfordert von an erster Stelle eine erneuerte persönliche und gemeinschaftliche Zustimmung zum Evangelium Jesu Christi “in einem Moment tief greifender Veränderungen, wie ihn die Menschheit gerade erlebt” (Apost. Schr. Porta Fidei, 8).

Zu den Hindernissen, die den Eifer der Evangelisierung bremsen, gehört die Glaubenskrise, nicht nur in der westlichen Welt, sondern in weiten Teilen der Menschheit, die aber trotzdem nach Gott hungert und dürstet, und zum Brot des Lebens und zum lebendigen Wasser hingeführt werden muss, wie die Samariterin, die zum Jakobsbrunnen geht und dort mit Christus spricht. Wie der Evangelist Johannes berichtet, ist das Erlebnis dieser Frau von besondere Bedeutung (vgl. Joh 4,1-30): sie begegnet Jesus, der sie um Wasser bittet, um dann von einem neuen Wasser zu ihr zu sprechen, das den Durst für immer löscht. Die Frau versteht anfangs nicht, da sie auf materieller Ebene denkt, doch langsam wird sie vom Herrn dahin geführt, den Weg des Glaubens zu gehen, der sie erkennen lässt, dass er der Messias ist. Der heilige Augustinus sagt dazu: “was hätte [diese Frau], nachdem sie in ihrem Herzen den Herrn Christus aufgenommen hatte, anderes tun können, als den Wasserkrug stehen lassen, zu den Leuten zu laufen und die frohe Botschaft zu verkünden (vgl. Predigt, 15,30). Die Begegnung mit Christus als lebendiger Person, die den Durst des Herzens stillt, kann nur den Wunsch wecken, die Freude über seine Gegenwart mit anderen zu teilen und ihn bekannt zu machen, damit alle diese Freude erfahren. Die Begeisterung für die Weitergabe des Glaubens muss eneuert werden zur Förderung einer Neuevangelisierung in den Gemeinden und Ländern antiker christlicher Tradition, die den Bezug zu Gott verlieren, damit die Freude am Glauben neu entdeckt wird. Die Sorge um die Evangelisierung darf nie am Rand der kirchlichen Aktivität und des persönlichen Lebens des Christen stehen, sondern sie muss diese entschieden prägen, im Bewusstsein, dass wir Empfänger und gleichzeitig Missionar des Evangeliums sind. Im Mittelpunkt steht dabei stets das Kerygma des für die Erlösung der Welt gestorbenen und auferstandenen Christus. Das Kerygma der absoluten Liebe Gottes zu allen Menschen, die in der Entsendung des ewigen und eingeborenen Sohnes, des Herrn Jesu, gipfelt, der es nicht verschmähte, die Armut der Menschen anzunehmen, die er liebte und durch sein Opfer am Kreuz von Sünde und Tod erlöste.

Der Glaube an Gott ist im Plan der Liebe, der durch Christus verwirklicht wurde, vor allem ein Geschenk und ein Geheimnis, das in das Herz und in das Leben aufgenommen werden muss und für das wir dem Herrn stets danken müssen. Doch der Glaube ist auch ein Geschenk, das wir mit anderen teilen sollen; er ist eine Gabe, die wir empfangen haben, damit sie Früchte trägt; er ist ein Licht, das nicht unter den Scheffel gestellt werden darf, sondern das ganze Haus erleuchten soll. Er ist das wichtigste Geschenk, das wir in unserem Leben erhalten haben und das wir nicht für uns selbst behalten sollen.

Verkündigung wird zu Nächstenliebe

Weh mir, wenn ich nicht das Evangelium nicht verkünde, schreibt der Apostel Paulus (1 Kor 9,16). Diese Worte ertönen laut unter allen Christen und allen christlichen Gemeinden auf allen Kontinenten. Auch in den Kirchen der Missionsländer, meist junge Kirchen, die zum Teil erst vor kurzem gegründet wurden, ist das Missionsbewusstsein zu einer natürlichen Dimension geworden, auch wenn sie selbst noch Missionare brauchen. Viele Priester, Ordensleute aus allen Teilen der Welt, viele Laien und manchmal ganze Familien, verlassen ihre Länder und Heimatgemeinden und bezeugen in anderen Kirchen den Namen Christi, durch den allein die Menschen ihr Heil finden. Es handelt sich um eine Ausdrucksform der tiefen Gemeinschaft, des Teilens und der Liebe unter den Kirchen, damit alle Menschen die heilbringende Botschaft hören und die Sakramente empfangen, die wahre Quelle des Lebens sind.

In Anbetracht dieses höchsten Zeichens des Glaubens in Form des Geschenks der Nächstenliebe, möchte ich abschliessend auch die Päpstlichen Missionswerke erinnern und ihnen danken, die das Instrument der weltkirchlichen Zusammenarbeit der Kirche sind. Durch ihren Tätigkeit geschieht die Verkündigung auch in Form von Hilfe für den Nächsten, Gerechtigkeit für die Ärmsten, die Möglichkeit des Schulbesuchs in entlegenen Dörfern, medizinische Versorgung an entfernten Orten, Bekämpfung der Armut, Rehabilitation von Ausgegrenzten, Entwicklungshilfe für die Völker, Überwindung von ethnischer Spaltung und Achtung des Lebens in allen seinen Phasen.

Liebe Brüder und Schwestern, ich bitte für das Werk der Evangelisierung ad Gentes und insbesondere für dessen Mitarbeiter, um das Herabkommen des Heiligen Geistes, damit es durch die Gnade Gottes in der Geschichte der Welt entschlossener vorankommt. Mit dem seligen John Henry Newman bete ich: “Begleite, oh Herr, deine Missionare in die Länder, in denen das Evangelium verkündet werden soll, leg ihnen die richtigen Worte in den Mund, mache ihre Mühen fruchtbar”. Die Jungfrau Maria, Mutter der Kirche und Stern der Evangelisierung, begleite alle Missionare des Evangeliums.

Aus dem Vatikan, am 6. Januar 2012, Fest der Erscheinung des Herrn

Quelle
Vatikan: Original-Quelle
Weltmissionssonntag 2011
Botschaft zum Weltmissionssonntag 2010

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