Mit Methoden der Dienste

Ziel ist nicht die Aufklärung

Die Tagespost, 5. September 2012, von Guido Horst

Wenn Gianluigi Nuzzi mit seinem vernarbten Gesicht durch die von ihm moderierte Fernsehsendung “Gli intoccabili” – “Die Unberührbaren”! – führt, gibt er den unbestechlichen Enthüllungsjournalisten. Nuzzi ist der derjenige, der mit den geklauten Papieren des Papstes ein ordentliches Sümmchen Geld verdient. Auch eine deutsche Ausgabe ist bald im Handel. Wie der Mann arbeitet, hat jetzt wieder die italienische Journalistin Angela Ambrogetti in einem Zeitungsartikel dokumentiert.

Sie war am Montagabend zu einer anderen Talkshow – Titel: “L’Infedele”, “Der Untreue” – geladen. Es ging auch um Vatileaks. Neben ihr sass Gianluigi Nuzzi und versuchte, sie gemeinsam mit einigen seiner “Fans” unter den Zuschauern während der Pausen und Werbeeinspielungen zu provozieren und in Rage zu versetzen. Mit dem klaren Ziel, die Kollegin, die zu dem diebischen Kammerdiener des Papstes andere Meinungen als Nuzzi vertritt, vor laufender Kamera dann endgültig aus der Fassung zu bringen. Mit diesen Methoden arbeitet der Mann. Geheimdienstler gehen ähnlich vor.

Lohnt es sich, die deutsche Fassung dieses “Vatileaks”-Buchs, die unter dem Titel “Seine Heiligkeit. Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Benedikt XVI.” erscheint, zu kaufen oder gar zu lesen? Zu dem, was im Vatikan und im Umfeld des Papstes geschieht, enthält das Buch nur bruchstückhafte Schnipsel. Hier ein aus dem Zusammenhang gerissener Brief, dort eine Aktennotiz oder Kurzberichte an den Papst. Sie betreffen die unterschiedlichsten Vorgänge und befriedigen nicht einmal die pure Neugier des Aussenstehenden, weil nichts so richtig zusammenpasst. Man kann sich vorstellen, wie viele Beschwerdebriefe, Petitionen oder vertrauliche Berichte Woche für Woche im Bundespräsidialamt oder in den Büros der Kanzlerin einlaufen.

Da ein paar Dutzend wahllos herauszugreifen und zwischen zwei Buchdeckel zu pressen, um dann mit marktschreierischer Reklame den schnellen Euro zu machen, ergibt keinen Sinn. Warum soll dasselbe im Falle des Papstes sinnvoll sein?

Auch die bei der Buchpräsentation in Berlin angekündigte Ergänzung der deutschen Fassung durch Papiere, die den “Fall Weltbild” betreffen, ist keinen Cent wert. Man erfährt nur, dass ein Prälat im Staatssekretariat zu den Erotikgeschäften des bischöflichen Verlagshauses einen Bericht für den Papst angefertigt hat, Benedikt XVI. daraufhin entschied, dass man handeln müsse, und der päpstliche Privatsekretär dies in einer knappen Notiz festgehalten hat. Ja sollte denn der Papst entscheiden, dass man in Augsburg ruhig weitermachen darf?

Bei dem Buch Nuzzis wird so getan, als würden Geheimnisse enthüllt. Pustekuchen. Die Botschaft ist eine andere und sie richtet sich direkt an das päpstliche Büro: Seht her, wir haben eure Dokumente – und können damit machen, was wir wollen. Ziel ist nicht die Aufklärung – viele Dokumente in dem Buch sind einseitig und daher irreführend –, sondern die Destabilisierung und Verunsicherung der Kernkammer des Vatikans, die im Dienste der ganzen Weltkirche steht.

Geheimdienste arbeiten mit solchen Methoden, nicht aber Journalisten, die sauber und sachlich aufklären wollen.

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