Fünf Jahre Summorum-Pontificum 7. Juli 2012

Das heilige Messopfer

Der 5. Jahrestag der Veröffentlichung von Summorum-Pontificum am 7. Juli 2007 – in Kraft getreten ist das motu-proprio am 15. September – ist ein Tag dankbarer Freude, aber auch der Ernüchterung. Es wurde viel erreicht in diesen Jahren, auch in Deutschland. In den meisten Gebieten unseres Landes ist die hl. Messe im überlieferten Ritus weitaus besser erreichbar als vor dem Erlass des Papstes, wenn auch oft immer noch nicht als Sonntagsmesse. Wer die “alte Messe” mitfeiern will, hat dazu vielfache Möglichkeiten, und insbesondere in Grossstädten und Ballungsräumen bilden sich Gemeinden, deren ganzes sakramentale Leben von der überlieferten Liturgie und Lehre bestimmt wird.

Auf der anderen Seite ist die Ablehnung gegenüber der traditionellen Liturgie in den meisten Ordinariaten und in vielen Gemeinden kaum geringer geworden. Diese Ablehnung erstreckt sich auf die gesamte Absicht von Papst Benedikt, die Kirche mit ihrer vermeintlich “nach dem Konzil” abgestossenen Tradition wieder zu versöhnen.

Die Ortsbischöfe sehen sich immer noch ausserstande, der juristischen Formel des Papstes von dem “einen römischen Ritus in zwei Formen” dadurch Leben zu verleihen, dass sie auch selbst die überlieferte Form öffentlich zelebrieren und in ihr Sakramente spenden. Die in mehreren autoritativen Dokumenten ergangenen Ermahnung der beiden letzten Päpste, die Liturgie gewissenhaft nach den Vorgaben zu feiern, werden geradezu systematisch überhört. Das sogenannte “benediktinische Arrangement”, also die vom Papst bevorzugte Ausstattung des Altars mit symmetrisch angeordneten Leuchtern und einem sichtbar aufgestellten Altarkreuz in der Mitte, wird demonstrativ gemieden: Nichts soll den freien Augenkontakt zwischen dem “Vorsteher” und seiner “Versammlung” stören – am wenigsten Kreuz und Opfertod.

In den Gemeinden, Dialogrunden und Rätesitzungen des deutschen Katholizismus ist die Liturgie normalerweise kein Thema, ausser vierlleicht, wenn es darum geht, durch Übernahme von immer mehr Elementen der säkularen Alltags-Unkultur “Zeitgemässheit” zu demonstrieren oder Rolle und Funktion des Priestertums durch inflationäre Laienauftriebe im Altarraum zu verdunkeln. Die grossen Diskussionsthemen auf dem Kirchentag, aber auch in den Medien, sind der Zölibat, eine angeblich nur noch durch die Unbeweglichkeit Roms verhinderte Ökumene, die “Gleichberechtigung” von Frauen und weiterer dritter und vierter Geschlechter in der Kirche und am Altar und immer lautstärker die Frage der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion.

Es ist genau dieses Thema, an dessen Behandlung man wie an keinem anderen ablesen kann, wie weit sich insbesondere hierzulande das Verständnis von Liturgie und Gottesdienst in den vergangenen 50 Jahren von der katholischen Tradition, der Wahrheit der Verkündigung, und auch vom Katechismus wegentwickelt hat.

Die erneuerte Liturgie hat insbesondere da, wo sie “ad populum” und unter Einbeziehung sachlich ungerechtfertigt vieler Laienhelfer praktiziert wird, eine starke Tendenz, die horizontale Dimension des Gemeinschaftserlebnisses nahezu ausschliesslich in den Vordergrund zu stellen und die Liturgie als etwas erscheinen zu lassen, das von der Gemeinde “gestaltet” wird und von ihr ausgeht. Die “Eucharistiefeier” im allgemeinen und insbesondere die Teilnahme am Gang zum Empfang der Kommunion werden als Handlung und als zeichenhafte Aktion der versammelten Gemeinde verstanden, deren metaphysische Dimension kaum noch wahrgenommen wird.

Der Empfang der Kommunion wird unter diesen Umständen zum Höhepunkt der Feier, in dem sich die Gemeinde als Einheit konstituiert. Die Begegnung des Einzelnen mit dem geheimnisvoll gegenwärtigen Christus, dem man sich angleichen will und der bereit ist, die Gläubigen sich anzugleichen, tritt demgegenüber weit in den Hintergrund. Für die Vorstellung, dass jeder Einzelne für diese Vereinigung mit Christus besondere persönliche Voraussetzungen mitbringen muss, bleibt praktisch kein Raum, sind doch (vermeintlich) alle eingeladen. Von daher erscheint es verständlicherweise unerträglich, von diesem Höhepunkt des Gemeinschaftserlebnisses ausgeschlossen zu sein.

An der Dauerdiskussion über den “Ausschluss der Wiederverheirateten Geschiedenen” von der Kommunion, in dem viel von Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit und praktisch nie von persönlicher Disposition oder Altmodischkeiten wie Sünde und Stand der Gnade die Rede ist, kann man ablesen, welches reduzierte Verständnis vom Inhalt der “Eucharistiefeier” sich nach 40 Jahren reformierter Liturgie und Lehre in vielen deutschen Gemeinden und bei deren Seelsorgern durchgesetzt hat. Kirchentage, Zentralkomitee, Dauerdialoge und auch die Bischöfe sanktionieren diese Reduktion, wenn sie die “Teilnahme der wiederverheirateten Geschiedenen am Kommuniongang” als eine vorrangige Frage erscheinen lassen, der gegenüber alles anderen Überlegungen verblassen.

Man kann die Bedeutung dieser verhängnisvollen Entwicklung gar nicht überschätzen: Hier werden vom kirchlichen Zeitgeist gleich drei Sakramente in einem Zug relativiert und zur Disposition gestellt: Das der Ehe, deren Unauflöslichkeit uns durch das Wort des Herrn verbürgt ist und deren Bruch immer mit Schuld einhergeht. Das der Busse, dessen Empfang allein uns von Schuld und Sünde losspricht und damit zur Begegnung mit dem Herrn in der Eucharistie befähigt. Schliesslich das der Eucharistie selbst, die zwar auch das Sakrament der Einheit ist – aber doch nur vermittelt durch die Vereinigung mit Christus, an deren Vollzug die Lehre der Kirche stets strenge Bedingungen geknüpft hat, “denn wer unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht, da er den Leib des Herrn nicht unterscheidet.”

Soviel zur Situation des Glaubens, der Verkündigung und des praktizierten Gottesdienstverständnisses in der deutschen katholischen Kirche im 5. Jahr nach dem Erlass von Summorum-Pontificum. Spontanes Interesse an der überlieferten Liturgie ist dort unter diesen Umständen nicht zu erwarten. Andererseits kann die überlieferten Liturgie da, wo sie das Leben von Gemeinden und den Glauben ihrer Angehörigen formt, sehr wohl dazu beitragen, den eingetretenen Notstand zu überwinden.

In mühevoller Arbeit von Jahrzehnten, wie man inzwischen einsehen muss, nicht in Jahren.

Quelle
Vatikan: Begleitbrief, 7. Juli 2007
Vatikan: Instruktion 30.04.2011

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