O Freunde, nicht diese Töne!

Benedikt XVI. in der Mailänder Skala:

Wir brauchen keine irreale Rede von einem fernen Gott und von einer anspruchslosen Brüderlichkeit. Wir sind auf der Suche nach dem nahen Gott. Von Armin Schwibach

Rom-Mailand, kath.net, 2. Juni 2012

Am Abend des ersten Tages seines Pastoralbesuchs in Mailand anlässlich des 7. Weltfamilientreffens besuchte Benedikt XVI. am gestrigen Freitag das Opernhaus der Skala und wohnte dort der Aufführung der 9. Symphonie Ludwig van Beethovens unter der Leitung von Daniel Barenboim bei.

In seiner Ansprache nach dem Konzert ging der Papst auf das Wesen der berühmten Symphonie mit ihrem “Hymnus an die Freude” ein. Obwohl Beethoven im Wesentlichen den Formen und der traditionellen Sprache der klassischen Symphonie folge, lasse er bereits ausgehend von der noch nicht dagewesenen Breite aller Sätze des Werks etwas Neues wahrnehmen. Dies werde im Schlussteil bestätigt, der von einer “schrecklichen Dissonanz” eingeleitet werde, von der sich das Rezitativ mit den berühmten Worten “O Freunde, nicht diese Töne. Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere” absetze. Mit diesen Worten werde der Hymnus an die Freude eingeleitet.

Es handle sich dabei um die ideale Sicht der Menschheit, die Beethoven mit seiner Musik bezeichne, die aktive Freude in der Brüderlichkeit und in der gegenseitigen Liebe unter dem väterlichen Blick Gottes. Es sei dies keine christliche Freude im eigentlichen Sinn, so Benedikt XVI., sondern die Freude des brüderlichen Zusammenlebens der Völker, “der Sieg über den Egoismus”, sowie das Verlangen, dass der Weg der Menschheit “von der Liebe gezeichnet ist, gleichsam eine Einladung, die Beethoven an alle jenseits aller Schranken und Überzeugungen richtet”.

Das Konzert, das ein freudiges Fest hätte sein sollen, sei nun vom Erbebeben in der Region Emilia Romagna überschattet, das vielen Menschen “unseres Landes” grosses Leid gebracht habe. So klängen die Worte Schillers leer, mehr noch: “sie scheinen nicht wahr zu sein”: “Mitnichten empfinden wir die göttlichen Funken Elysiums. Wir sind nicht feuertrunken, sondern vielmehr gelähmt vom Schmerz ob so vieler und unbegreiflicher Zerstörung, die Menschenleben gefordert hat, die vielen Heim und Obdach genommen hat”. Auch die Annahme, dass über dem Himmel ein guter Vater wohnen müsse, scheine fragwürdig: “Wir suchen einen Gott, der in der Ferne thront, doch er betritt unser Leben und unser Leid”.

“Nicht diese Töne!”, so der Papst zusammen mit Beethoven und Schiller: “Wir brauchen keine irreale Rede von einem fernen Gott und von einer anspruchslosen Brüderlichkeit. Wir sind auf der Suche nach dem nahen Gott. Wir suchen eine Brüderlichkeit, die inmitten des Leids den anderen stützt und so hilft, weiterzugehen”.

“Nach diesem Konzert werden viele zur eucharistischen Anbetung gehen”, so Benedikt XVI. abschliessend, “zum Gott, der sich in unsere Leiden begeben hat und dies weiterhin tut. Zum Gott der mit uns und für uns leidet und so die Männer und Frauen fähig gemacht hat, das Leid des anderen zu teilen und es in Liebe zu verwandeln. Gerade hierzu werden wir von diesem Konzert aufgerufen”.

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