Priester-Jubilaren-Treffen vom 30. Mai 2012
Homilie Bischof Vitus Huonder, Bistum Chur
der Beginn des heutigen Evangeliums (Mk 10,32-45) gibt in mehrfacher Hinsicht Fragen auf: Jesus geht mit seinen Jüngern hinauf nach Jerusalem. Die Leute wundern sich. “Die ihm folgen” – demnach die Jünger – haben Angst. Das sind drei Hinweise, welche einen inneren Zusammenhang haben. Dass Jesus nach Jerusalem hinaufgeht, lässt bereits seinen Leidensweg erkennen. Wir stehen denn auch vor der dritten Leidensankündigung. Zweimal bereits hatte der Herr über sein Leiden gesprochen (8,31-33; 9,31-32) Für die Leute und für die Jünger ist es inzwischen klar, dass Jesus in Jerusalem den Tod erfahren wird. Denn es sind, wie er deutlich sagte, die Ältesten und die Hohenpriester sowie die Schriftgelehrten, welche ihn verwerfen und ihn damit dem Tod ausliefern. Das kann nur in Jerusalem geschehen. Deshalb wundern sich die Leute, sie wundern sich, dass er sich wirklich ausliefert, wie er es bereits zweimal dargelegt hatte, und dass er dem Leiden nun bewusst und frei entgegengeht.
Ja, sie “wundern sich”, sagt Markus. Der griechische Ausdruck meint eher ein Erschrecken als ein Verwundern. Die Menschen erschrecken über diese Haltung des Herrn. Diese Niederlage soll also doch Wirklichkeit werden. Wir erinnern uns dabei an die erschrockene Äusserung des heiligen Petrus, der Angesichts des Leidens dem Herrn Vorhaltungen macht: Das darf doch nicht geschehen (vgl. Mk 8,32). Petrus erschrickt, die Menscchen erschrecken. Vom Messias hatte man im Volk, in der Menge eine andere Vorstellung, obwohl auch die Auffassung des leidenden Messias bekannt war. Doch war einem der triumphierende Messias lieber.
Das war die Reaktion des Volkes. Und nun noch die Reaktion derer, die ihm nachfolgen, der Jünger. Von ihnen sagt Markus sogar: Sie haben Angst oder sie fürchten sich. Es muss die Angst, die Furcht vor dem Leiden sein, die Furcht vor einer Katastrophe, welche über den Herrn und damit auch über sie hereinbrechen könnte. Deshalb unterweist sie der Herr nochmals in dem, was ihm bevorsteht. Sie müssen wissen, wem sie nachfolgen. Sie müssen sich entscheiden. Mit ihm, dem sie nachfolgen, gehen sie nicht von Triumph zu Triumph, sie gehen dem Leiden und dem Todesurteil entgegen.
Wir sind dem Herrn auch nachgefolgt. Doch sind wir in einer ganz anderen Lage als die Jünger. Denn unsere Nachfolge bezieht sich tatsächlich auf den siegreichen, den auferstandenen Herrn. Wohl unterwies der Herr die Jünger auch über die Auferstehung. Doch konnten sie sich nicht recht vorstellen, was der Herr damit meinte. Die Auferstehung war für sie kein klarer Begriff. Was für sie klar war, das war das Leiden, das war der Tod. Wir aber durften schon immer dem Auferstandenen nachfolgen. Wohl nehmen und nahmen wir auch Anteil an seinem Leiden und Sterben. Dieses bleibt in dieser Weltzeit immer noch eine Wirklichkeit, eine Wirklichkeit, in der sich die Kirche aller Zeiten bewegt. Doch ist das Leiden des Kreuzes ein für allemal geschehen. Wir blicken darauf zurück und nehmen daran Anteil, jeder mit seinem Leiden und auf seinem Leidensweg. Aber wir gehen diesen Weg doch immer im Licht der Auferstehung. Wir wissen: Der Herr ist auferstanden. In allen Leiden, die wir im Dienste des Herrn durchstehen müssen und durchgestanden haben, durften und dürfen wir den Trost und die Hilfe des Auferstandenen erfahren, vor allem den Trost und die Hilfe des Beistandes, dessen Gegenwart unter uns die Frucht des Sühnesterbens unseres Herrn ist. Wir erschrecken nicht mehr, wir leben nicht mehr in Angst – jedenfalls sollte es nicht so sein – sondern wir leben immer mit der Gewissheit, dass der Herr Leiden und Tod überwunden hat, und wir nun der Vollendung entgegen gehen. Das ist eben der Unterschied zum Aufstieg zum irdischen und zum Aufstieg zum himmlischen Jersualem. Jesus ist zum irdischen Jerusalem hinaufgegangen, um Leiden und Tod auf sich zu nehmen. Nachdem er auferstanden ist, gehen wir auch hinauf, aber hinauf zum himmlischen Jerusalem, nicht mehr zum Jerusalem des Todes, sondern zum Jerusalem des ewigen Lebens.
Dankbar sind wir heute dem Herrn, dass wir im Dienste dieses Weges stehen durften und immer noch stehen dürfen; dass wir den Weg des Priestertums mit dem Herrn gehen und Spender der Gnade sein durften und immer noch dürfen – der Gnade, die vom Kreuz herkommt und ins Leben der Auferstehung hineinführt.
Ja, danken wir dem Herrn.
Amen
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