Miteinander auf dem Weg bleiben!

Bischof Kapellari warnt vor Gefährdung der Einheit der Kirche

Grazer Bischof kritisiert im Fastenhirtenbrief Versuch der ‘Pfarrerinitiative’, ‘eigenmächtig das Steuerrad des Schiffes Kirche ergreifen zu wollen’: Das führt zur Spaltung oder ist schon Spaltung, hier droht ein Weg in eine Sackgasse

Graz, kath.net/KA, 14. März 2012

Der Grazer Bischof Egon Kapellari hat die “Pfarrerinitiative” und andere Reformgruppierungen gewarnt, die Einheit der Kirche aufs Spiel zu setzen. “Ich will alles mir Mögliche tun, damit Katholiken, die auf Veränderungen drängen, im Boot, im gross Schiff der Diözese und der Weltkirche verbleiben können”, schreibt Kapellari in einem am Mittwoch im steirischen “Sonntagsblatt” veröffentlichten Hirtenbrief zur Fastenzeit.

Es müsse aber auch “ein klares Nein gesagt werden”, wenn Vertreter der “Pfarrerinitiative” oder anderen Initiativen “in der Überzeugung, dafür eine historische Sendung zu haben, eigenmächtig das Steuerrad dieses Schiffes Kirche ergreifen wollen”.

Wörtlich betont der Bischof weiter: “Das führt zur Spaltung oder ist schon Spaltung, auch wenn man es in einer weit verbreiteten öffentlichen Meinung anders sieht. Hier droht ein Weg in eine Sackgasse, auf dem schliesslich alle nur Verlierer wären.”

Er hoffe daher, “dass in der Diskussion darüber allseits auf Polemik verzichtet werden wird”. Die Bischöfe hätten zur Vorgangsweise der Initiativen klar ablehnend Stellung genommen und zugleich das Gespräch mit deren Verantwortlichen begonnen. Er hoffe daher, dass diese “vom Gashebel heruntersteigen” und “im Boot der Kirche bleiben”.

Keine Eucharistiefeier ohne Priester

Wenn das Gegenteil der Fall wäre, “dann bin ich als Bischof entsprechend meinem Gewissen und meiner schwerwiegenden Verantwortung für die Einheit und Wahrheit der Kirche verpflichtet, dazu ein klares Wort zu sagen”, so der Grazer Bischof. Zu Forderungen aus dem Kreis von Laieninitiativen nach einer Eucharistiefeier ohne Priester stellt Kapellari – er ist auch Stellvertretender Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz – in dem Zusammenhang klar, dies laufe auf einen “offenen Bruch mit dem Kern der verbindlichen katholischen Lehre über die Kirche und ihre Sakramente” hinaus.

Zugleich nimmt Bischof Kapellari zu den so genannten “heissen Eisen” – Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene, Abschaffung der Zölibatspflicht und Priesterweihe für Frauen – Stellung. Entsprechende Reformen verlangte auch die “Pfarrerinitiative” in ihrem “Aufruf zum Ungehorsam” und später durch einen “Protest für eine glaubwürdige Kirche” mit einem fünffachen “Nein” zu den jetzigen Regelungen.

“Katholische Identität gefährdet”

Solche Veränderungen der Kirchenstruktur würden “massiv in die Verfassung der Kirche eingreifen und die katholische Identität schwerwiegend gefährden”, hebt der Grazer Bischof hervor. Viele Katholiken würden die Gründe für das Festhalten der Kirche an den bisherigen Regeln “nur zu einem geringen Teil kennen”, sie urteilten darüber “vor allem entsprechend den Kriterien der heutigen Zivilgesellschaft”. “Wir werden uns daher bald noch viel mehr bemühen müssen, die Gründe für die jetzigen Regelungen öffentlich und ausführlich bekannter zu machen”, so Kapellari.

Zum Umgang mit geschiedenen und zivil wiederverheirateten Katholiken unterstreicht der Bischof, sie seien “in der Kirche weder Fremde noch rechtlos”. Dass ihnen der “Empfang der Kommunion nicht generell ermöglicht werden kann” liege daran, dass ihre sakramental geschlossene Ehe weiterhin besteht und dass das Gebot Jesu Christi betreffend die Unauflöslichkeit dieser Ehe von der Kirche “ohne Wenn und Aber angenommen wird”.

Gleichzeitig sei “wohl jeder von uns im Kreis von Verwandten und Freunde von solchen Schicksalen mitfühlend betroffen”. Es sei daher geboten, “dass wir uns diesen Menschen pastoral sehr einfühlsam zuwenden und ihnen helfen, wirklich Heimat in der Kirche zu haben. Dann kann man Wunden heilen, allfällige Schuld erkennen und mit Narben leben”.

Keine Diskriminierung der Frauen

Weiter weist Bischof Kapellari das Argument zurück, dass das Nein zur Priesterweihe für Frauen eine Diskriminierung darstelle. Die katholische Kirche halte so wie die anderen christlichen Kirchen – ausgenommen Protestanten und Anglikaner – daran fest, “dass sie von Christus her nicht die Vollmacht hat, Frauen das Weihesakrament zu spenden”.
In der heutigen öffentlichen Meinung erscheine dies vielen Menschen und vor allem Frauen als Diskriminierung, “zumal Frauen von jeher die Kirche in besonderem Mass getragen haben und besonders auch heute tragen”, so der Bischof. Nicht jede Unterscheidung sei aber schon eine Diskriminierung, und “die vom Christentum selbstverständlich gelehrte Gleichheit der Würde aller Menschen – ob Mann oder Frau – muss nicht immer zu einer Gleichheit der Aufgaben, der Funktionen führen”.

Die katholische Kirche sei davon überzeugt, dass die Priesterweihe einem Mann nicht nur eine neue Funktion zuweist, sondern ihn sakramental prägt, damit er Christus in der Liturgie darstellt. “Dagegen gibt es heute viel Widerstand auch bei vielen Katholiken. Das ist epochal verständlich und es muss auch deutlich gesagt werden, dass Priester und Männer überhaupt in der Kirche nie als bessere Christen gegenüber Frauen gegolten haben. Die grosse Zahl der von der Kirche heilig oder selig gesprochenen Frauen bestätigt dies eindrucksvoll”, stellt Kapellari fest. Zudem seien in den letzten Jahren in der Kirche an Frauen zunehmend mehr Leitungsaufgaben übertragen worden, die nicht an die Priesterweihe gebunden sind, und das werde auch in Zukunft so sein.

Von der heute häufig gestellten Forderung nach einem Ende der Zölibatspflicht für römisch-katholische Priester werde eine Überwindung des Priestermangel erwartet, so der Grazer Bischof. Er rede das “komplexe Problem des Priestermangels gewiss nicht klein”, halte aber die präsentierten Änderungsvorschläge für nicht praktikabel. Die Seelsorge in der Steiermark werde in Zukunft “gewiss noch mehr als bisher nicht nur Priestern aufgetragen sein”, sondern auch den ständigen Diakonen, den Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten sowie vielen anderen Laienchristen und Ehrenamtlichen. Das schon heute “ziemlich dichte Netz der kirchlichen Dienste” könne “nicht noch engmaschiger werden, sondern wir müssen damit beweglicher umgehen”, so der Bischof.

Seelsorgestrukturen: “Starres Besitzdenken überwinden”

Die Leitung der Diözese wolle mit dieser Situation “sehr einfühlsam und in Kooperation mit den Verantwortlichen in den einzelnen Orten und Regionen umgehen. Wir sind dabei allseits noch Lernende und machen auch Fehler. Angesichts der Gesamtsituation brauchen wir aber nicht mutlos werden”, unterstreicht Kapellari. Nicht nur die Kirche müsse heute ihre Ressourcen teilweise neu ordnen.

“Keiner ist eine Insel”, zitiert der Bischof den Mönch und geistlichen Meister Thomas Merton. “Die Wahrheit dieses Wortes wird für unsere Pfarren in Zukunft noch wichtiger werden”, so Kapellari. Er betont gleichzeitig: “Die oft beschworenen Schreckensbilder des so genannten ‘Blaulichtpriesters’ und des unerträglich riesigen Pfarrverbandes werden gewiss nicht Wirklichkeit werden, wenn wir alle beweglicher und kooperationsbereiter werden und ein starres Besitzdenken überwinden.

In vielen Diözesen unserer Weltkirche ist man negativ erstaunt über die hierzulande so weit verbreitete Unzufriedenheit und den Mangel an gläubiger Spontaneität.” Diese Spontaneität sei nicht planbar und könne nicht befohlen werden, sie sei “eine Frucht der Umkehr”.

Kirche hat unzählige Lebenskeime in sich

Bischof Kapellari bedauert, dass sich innerhalb und ausserhalb der katholischen Kirche in Österreich bei vielen Menschen die Meinung verfestigt habe, die Kirche sei “zu starr, als dass sie den Herausforderungen und Chancen in den Umbrüchen der ganzen Gesellschaft wirksam begegnen könnte”. Die Kirche sei immer in Bewegung und seit dem II. Vatikanischen Konzil vor 50 Jahren habe sie sich mehr bewegt als viele andere religiöse Gemeinschaften. “Sie ist im Ganzen sehr bunt und trotz aller Schwächen in vieler Hinsicht auch stark. Sie hat unzählige Lebenskeime in sich und ist eine grosse Kraft zur Barmherzigkeit weit über ihre Grenzen hinaus”, konstatiert Kapellari weiter.

Zur Missbrauchskrise schreibt der Bischof, “dass die Verletzung von Menschen, zumal von jungen Menschen durch sexuellen und anderen Missbrauch seitens einiger kirchlicher Verantwortlicher eine tiefe Wunde und Schande ist. Wir haben uns dieser bitteren Schuld offen gestellt. Ihre Aufarbeitung ist uns bleibend aufgegeben”.

Anker für eine Gesellschaft im Umbruch

Die grossen Umbrüche in Europa sowohl in der Zivilgesellschaft wie in der Kirche verursachten Unsicherheit und manchmal auch Depression oder Aggression. Die christliche Glaube könne hier ein Anker sein. Der Zivilgesellschaft in Europa sei die Bewältigung einer Finanzkrise aufgegeben und darüber hinaus der Abbau riesiger finanzieller Schulden, die sonst zukünftigen Generationen aufgeladen sein werden. Auch bedrohe der geringe Anteil junger Menschen an der Bevölkerung das Gleichgewicht in der Gesellschaft vieler Länder. Und der in Europa zunehmend präsente Islam stelle sich selbst, aber auch der Zivilgesellschaft im Ganzen und auch den christlichen Gemeinschaften “grosse Fragen, mit denen man allseits ehrlich umgehen müsste”, schreibt der Bischof.

Die christlichen Kirchen täten in Europa besonders viel für ein friedliches Miteinander im Verhältnis zum vielgestaltigen Islam, das freilich nur dann tragfähig sei, wenn es auf Gegenseitigkeit beruht. “Laue und des eigenen Glaubens müde gewordene Christen sind dabei aber wenig hilfreich. Sie verstärken eher Tendenzen zur Preisgabe von Vielem, das Europa trotz seiner auch von Christen begangenen Fehler und Sünden gross gemacht hat”, warnt Kapellari.

Gleichzeitig erinnert der Grazer Bischof an den “Kern der Kirche”: Dies seien Menschen, “die Gott und die Menschen wirklich lieben, die inständig beten, die treu den Gottesdienst mitfeiern und die über den christlichen Glauben so Bescheid wissen, dass sie imstande sind, Nichtglaubenden und Andersglaubenden auf einladende Weise Auskunft über diesen Glauben zu geben.” Dabei gelte es alle Getauften im Blick zu haben: Im Auftrag Christi “müssen wir eine einladende, eine rufende und eine nachgehende Kirche sein und bleiben. Darum bemühen sich weltweit täglich unzählige Katholiken.”

Der Brief im Wortlaut

Liebe katholische Christen in der Steiermark!

Inmitten der diesjährigen Fastenzeit und auch schon im Blick auf das Osterfest schreibe ich Ihnen diesen Brief, der vor allem zum Lesen außerhalb des Gottesdienstes bestimmt ist.

Auf Christus schauen

Ich beginne mit der Erinnerung an das Leitwort unserer Diözese für die nächsten Jahre. Es lautet: “Auf Christus schauen”. Dazu helfen uns auch viele Christusbilder aus Vergangenheit und Gegenwart. Eines dieser Bilder befindet sich an der Stirnseite der bischöflichen Hauskapelle in Graz. Es ist eine grosse, meisterlich gestaltete, 300 Jahre alte Skulptur aus Lindenholz. Christus breitet als schon Toter seine durchbohrten Arme aus, sein Haupt ist zur Seite geneigt, die Augen sind geschlossen. “Es ist vollbracht” (Joh 19,30), sagt dieses Karfreitagsbild, von dem trotz aller Dramatik grosser Friede ausgeht. Diese Christusgestalt ist ohne Kreuzbalken an einer grossen vergoldeten Holzplatte befestigt, die von Schülerinnen und Schülern des Grazer Berufsschulzentrums in St. Peter im Jahr 2002 gestaltet worden ist. Das Gold ist ein Symbol für Ostern, Himmel und ewiges Leben. Alle Menschen, die in diese Kapelle kommen, sind tief bewegt durch die Hoffnungsbotschaft an der Stirnwand dieses Raumes. Sie sagt, dass am dritten Tag nach dem Karfreitag Christi Ostern war und dass Christen und ihre Gemeinschaften in allen Karfreitagsstunden, die auch ihnen nicht erspart bleiben, eine Perspektive der Hoffnung haben und durchhalten können. Schon innerhalb der Geschichte gibt es ja immer wieder ein Ostern und ein Pfingsten als Vorwegnahme der ewigen Vollendung, die von den Christen nicht nur für die Christenheit, sondern für die ganze Welt und ihre Geschichte erhofft wird.

Ein solches Christusbild ist ein Anker, an dem wir uns als Christen besonders auch heute anhalten können. Diesen Anker brauchen wir, weil sowohl in unserem Land wie in Europa überhaupt grosse Umbrüche sowohl in der Zivilgesellschaft wie in der Kirche im Gang sind. Diese Umbrüche verursachen Unsicherheit und manchmal auch Depression oder Aggression. Der Zivilgesellschaft in Europa ist die Bewältigung einer Finanzkrise aufgegeben und darüber hinaus der Abbau riesiger finanzieller Schulden, die sonst zukünftigen Generationen aufgeladen sein werden. Auch bedroht der geringe Anteil junger Menschen an der Bevölkerung das Gleichgewicht in der Gesellschaft vieler Länder. Und der in Europa zunehmend präsente Islam stellt sich selbst, aber auch der Zivilgesellschaft im Ganzen und zumal auch den christlichen Gemeinschaften grosse Fragen, mit denen man allseits ehrlich umgehen müsste. Die christlichen Kirchen tun in Europa besonders viel für ein friedliches Miteinander im Verhältnis zum vielgestaltigen Islam, das freilich nur dann tragfähig ist, wenn es auf Gegenseitigkeit beruht. Laue und des eigenen Glaubens müde gewordene Christen sind dabei aber wenig hilfreich. Sie verstärken eher Tendenzen zur Preisgabe von Vielem, das Europa trotz seiner auch von Christen begangenen Fehler und Sünden gross gemacht hat.

Kirche im Umbruch

Die katholische Kirche umfasst in Österreich und in anderen damit vergleichbaren Ländern auch in dieser Zeit des Umbruchs einen grossen Teil der Gesamtbevölkerung. Sie ist im Ganzen sehr bunt und trotz aller Schwächen in vieler Hinsicht auch stark. Sie hat unzählige Lebenskeime in sich und ist eine grosse Kraft zur Barmherzigkeit weit über ihre Grenzen hinaus. Unsere Kirche ist aber zugleich schwach, weil die Zahl jener Katholiken, die wirklich tief im katholischen Glauben eingewurzelt sind, nicht ausreicht, um die in langer Zeit gewachsene Breite der Kirche zu erhalten. Und gerade in diesem Zusammenhang muss auch gesagt werden, dass die Verletzung von Menschen, zumal von jungen Menschen durch sexuellen und anderen Missbrauch seitens einiger kirchlicher Verantwortlicher eine tiefe Wunde und Schande ist. Wir haben uns dieser bitteren Schuld offen gestellt. Ihre Aufarbeitung ist uns bleibend aufgegeben.

Zum Kern der Kirche gehören gewiss jene Frauen, Männer und junge Menschen mit Priestern, Diakonen und Ordensleuten in ihrer Mitte, die Gott und die Menschen wirklich lieben, die inständig beten, die treu den Gottesdienst mitfeiern und die über den christlichen Glauben so Bescheid wissen, dass sie imstande sind, Nichtglaubenden und Andersglaubenden auf einladende Weise Auskunft über diesen Glauben zu geben. Zur Kirche gehören aber über diesen Kern hinaus alle Getauften, die sich nicht entschlossen von ihr abgewendet haben. Auf sie alle hat Christus in der Taufe seine Hand gelegt und er möchte keinen und keine von ihnen verlieren. In seinem Auftrag müssen wir eine einladende, eine rufende und eine nachgehende Kirche sein und bleiben. Darum bemühen sich weltweit täglich unzählige Katholiken im weiten Bogen vom Papst bis zur Karmeliternonne, die in der Verborgenheit ihres Klosters für die ganze Kirche und für die ganze Menschheit betet; von Mitgliedern der Pfarrgemeinderäte, die unverdrossen ein Zeugnis für Christus geben, bis zu Krankenschwestern, die auch Fernstehenden etwas von der Liebe Christi erfahrbar machen; von Jugendseelsorgern bis zu den Christen, die im Milieu der Universitäten, der Kulturzentren und der Massenmedien den christlichen Glauben auch in seiner intellektuellen Dimension bezeugen.

Alles Leben ist Bewegung und auch unsere Kirche muss und wird sich immer bewegen, weil sie lebendig ist. Seit dem II. Vatikanischen Konzil, dessen wir nach 50 Jahren besonders gedenken, hat sich die Kirche mehr bewegt als viele andere religiöse Gemeinschaften. Innerhalb und ausserhalb der katholischen Kirche in Österreich hat sich aber bei vielen Menschen die Meinung verfestigt, die Kirche sei zu starr, als dass sie den Herausforderungen und Chancen in den Umbrüchen der ganzen Gesellschaft wirksam begegnen könnte. Man drängt daher auf Veränderungen der Kirchenstruktur, von denen einige aber massiv in die Verfassung der Kirche eingreifen und die katholische Identität schwerwiegend gefährden würden. Diese Wünsche, ja Forderungen beziehen sich vor allem auf drei so genannte “Heisse Eisen”-Themen. Es geht dabei um die kirchliche Stellung von Katholiken, die nach einer Scheidung eine Zivilehe eingegangen sind. Weiters um die Frage, ob die Kirche von Christus her die Vollmacht hat, auch Frauen das Weihesakrament zu erteilen. Und schliesslich geht es um die Frage, ob der Zölibat für Priester angesichts eines Priestermangels verpflichtend bleiben muss.

Jeder Mensch ist in einer Entscheidungssituation zunächst auf das angewiesen, was er schon weiss und erlebt hat. Viele Katholiken kennen daher die Gründe für das Festhalten der Kirche an den bisherigen Regeln nur zu einem geringen Teil und urteilen darüber vor allem entsprechend den Kriterien der heutigen Zivilgesellschaft. Wir werden uns daher bald noch viel mehr bemühen müssen, die Gründe für die jetzigen Regelungen öffentlich und ausführlich bekannter zu machen.

Hier kann ich freilich nur in Kürze einiges dazu anmerken:

Geschiedene und zivil wiederverheiratete Katholiken sind in der Kirche weder Fremde noch rechtlos. Papst Johannes Paul II. hat dies in seinem Schreiben “Familiaris Consortio” (1981) mit einfühlsamen Worten betont. Dass ihnen der Empfang der Kommunion nicht generell ermöglicht werden kann liegt daran, dass ihre sakramental geschlossene Ehe weiterhin besteht und dass das Gebot Jesu Christi betreffend die Unauflöslichkeit dieser Ehe ohne Wenn und Aber angenommen wird. Dies verlangt aber, dass wir uns diesen Menschen pastoral sehr einfühlsam zuwenden und ihnen helfen, wirklich Heimat in der Kirche zu haben. Dann kann man Wunden heilen, allfällige Schuld erkennen und mit Narben leben. Dies ist ein Dauerauftrag, dem wir freilich noch lange nicht genügen, aber wohl jeder von uns ist im Kreis von Verwandten und Freunden von solchen Schicksalen mitfühlend betroffen.

Die katholische Kirche hält ebenso wie die anderen christlichen Kirchen, die nicht aus der protestantischen Reformation oder der Trennung Englands von Rom unter König Heinrich VIII. hervorgegangen sind, daran fest, dass sie von Christus her nicht die Vollmacht hat, Frauen das Weihesakrament zu spenden. In der heutigen öffentlichen Meinung erscheint dies vielen Menschen und vor allem Frauen als Diskriminierung, zumal Frauen von jeher die Kirche in besonderem Mass getragen haben und besonders auch heute tragen. Man darf und muss aber in der Kirche ebenso wie in der Zivilgesellschaft sagen, dass nicht jede Unterscheidung schon eine Diskriminierung ist und dass die vom Christentum selbstverständlich gelehrte Gleichheit der Würde aller Menschen – ob Mann oder Frau – nicht immer zu einer Gleichheit der Aufgaben, der Funktionen führen muss. Die katholische Kirche ist davon überzeugt, dass die Priesterweihe einem Mann nicht nur eine neue Funktion zuweist, sondern ihn sakramental prägt, damit er Christus in der Liturgie darstellt. Dagegen gibt es heute viel Widerstand auch bei vielen Katholiken. Das ist epochal verständlich und es muss auch deutlich gesagt werden, dass Priester und Männer überhaupt in der Kirche nie als bessere Christen gegenüber Frauen gegolten haben. Die grosse Zahl der von der Kirche heilig oder selig gesprochenen Frauen bestätigt dies eindrucksvoll. An Frauen sind in den letzten Jahren in der Kirche immer mehr Leitungsaufgaben übertragen worden, die nicht an die Priesterweihe gebunden sind, und dies wird auch in Zukunft so sein. Die Erzdiözese Wien hat dafür schon seit Jahren am meisten getan. In der Steiermark bewegen wir uns ebenfalls in diese Richtung.

Der für unsere Priester verpflichtende Zölibat wird heute besonders häufig in Frage gestellt. Meinungsumfragen haben ergeben, dass die Mehrzahl der heutigen Priester ihren zölibatären Status nicht ändern würde, wenn ihnen dies frei gestellt wäre. Viele plädieren aber für eine Änderung der Zulassungsbedingungen, weil sie meinen, dass dann der Priestermangel weitgehend überwindbar wäre. Ich rede das komplexe Problem des Priestermangels gewiss nicht klein, halte aber die präsentierten Änderungsvorschläge für nicht praktikabel.

Die Seelsorge in unserem Land wird in Zukunft gewiss noch mehr als bisher nicht nur Priestern aufgetragen sein. Schon jetzt tragen gemeinsam mit den Priestern allein in der Steiermark ca. 70 ständige Diakone, ca. 140 Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten und dazu weit über 1000 im Religionsunterricht, in Pfarrsekretariaten und anderen Aufgaben tätige Laienchristen das ziemlich dichte Netz der kirchlichen Dienste mit. Hinzu kommen einige Tausend ehrenamtlich Tätige. Dieses Netz kann nicht noch engmaschiger werden, sondern wir müssen damit beweglicher umgehen.

Die oft beschworenen Schreckensbilder des so genannten “Blaulichtpriesters” und des unerträglich riesigen Pfarrverbandes werden gewiss nicht Wirklichkeit werden, wenn wir alle beweglicher und kooperationsbereiter werden und ein starres Besitzdenken überwinden. In vielen Diözesen unserer Weltkirche ist man negativ erstaunt über die hierzulande so weit verbreitete Unzufriedenheit und den Mangel an gläubiger Spontaneität. Diese Spontaneität ist nicht planbar und nicht befehlbar. Sie ist eine Frucht der Umkehr, der Bekehrung zu Christus hin, die uns allen immer wieder nottut und an die uns die Fastenzeit erinnern soll. Das erste Wort, das Jesus am Beginn seines öffentlichen Wirkens gesagt hat, lautet: “Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Aus einer solchen Bekehrung werden wache Christen und auch neue Priester erwachsen, die – wie so viele jetzige Priester – wahrhaft Hirten nach dem Herzen Gottes sind (Jer 3,15).

Spannungen und Spaltungen

In Österreich haben einige Priester im Rahmen einer sogenannten “Pfarrerinitiative” durch einen “Aufruf zum Ungehorsam” und später durch einen “Protest für eine glaubwürdige Kirche” mit einem fünffachen “Nein” zu den jetzigen Regelungen Veränderungen in der Kirche verlangt. Sie stehen auch in Verbindung mit Laieninitiativen, aus deren Kreis sogar Forderungen nach einer Eucharistiefeier ohne Priester laut geworden sind, was einen offenen Bruch mit dem Kern der verbindlichen katholischen Lehre über die Kirche und ihre Sakramente bedeutet.

Die Bischöfe haben dazu klar ablehnend Stellung genommen und sie haben zugleich das Gespräch mit Verantwortlichen solcher Initiativen begonnen oder fortgesetzt. Ich selbst habe in einer Fernsehsendung (ZIB 2 am 29. August 2011) gebeten, “vom Gashebel herunterzusteigen” und habe die Hoffnung ausgesprochen, dass alle hier Tätigen im Boot der Kirche bleiben. Wenn aber das Gegenteil der Fall wäre, dann bin ich als Bischof entsprechend meinem Gewissen und meiner schwerwiegenden Verantwortung für die Einheit und Wahrheit der Kirche verpflichtet, dazu ein klares Wort zu sagen. Ich will alles mir Mögliche tun, damit Katholiken, die auf Veränderungen drängen, im Boot, im grossen Schiff der Diözese und der Weltkirche verbleiben können. Es muss aber auch ein klares Nein gesagt werden, wenn einige oder ein Vertreter der “Pfarrerinitiative” oder einer anderen Initiative in der Überzeugung, dafür eine historische Sendung zu haben, eigenmächtig das Steuerrad dieses Schiffes Kirche ergreifen wollen. Das führt zur Spaltung oder ist schon Spaltung, auch wenn man es in einer weit verbreiteten öffentlichen Meinung anders sieht. Hier droht ein Weg in eine Sackgasse, auf dem schliesslich alle nur Verlierer wären. Ich hoffe, dass in der Diskussion darüber allseits auf Polemik verzichtet werden wird.

Ermutigungen vor der Pfarrgemeindesratswahl

“Es ist gut, dass es die Pfarre gibt”. Mit diesem ebenso wahren wie schönen Wort haben wir die Katholiken eingeladen, sich an der Wahl zu den Pfarrgemeinderäten am kommenden Sonntag zu beteiligen. Ich wiederhole diese Einladung auch in diesem Schreiben einige Tage vor dem Wahltermin. Und ich danke herzlich allen, die bisher in diesem Gremium mitgewirkt haben und allen, die bereit sind, einen ihnen durch die Wahl gegebenen Auftrag auch anzunehmen. Und ich danke auch bei dieser Gelegenheit allen, die durch ihren Kirchenbeitrag das dichte und bunte Netz des kirchlichen Lebens entscheidend ermöglichen.

Gerade jetzt verschärft sich aber bei vielen Katholiken die Frage nach der Zukunft der Seelsorge, wenn es weniger Priester gibt und wenn noch mehr Pfarren als bisher in Gemeinschaft mit anderen Pfarren zusammenwirken müssen. Mit dieser Situation will die Leitung der Diözese sehr einfühlsam und in Kooperation mit den Verantwortlichen in den einzelnen Orten und Regionen umgehen. Wir sind dabei allseits noch Lernende und machen auch Fehler. Angesichts der Gesamtsituation brauchen wir aber nicht mutlos werden. Nicht nur die Kirche muss heute ihre Ressourcen teilweise neu ordnen, sondern ebenso und vielleicht noch mehr die Zivilgesellschaft, z. B. in deren politischen Gemeinden. Ohne mehr Beweglichkeit und ohne eine Relativierung von eigenen Wünschen hin auf das Ganze wird nichts besser. Das II. Vatikanische Konzil ist ein dynamisches Erbe, das uns in die Zukunft begleiten wird und helfen kann, unserem Denken und Tun wirklich eine “Seele” zu geben.

Das kirchliche Leben wird sich auch in Zukunft zu einem sehr grossen Teil in den Pfarren ereignen. Aber unsere Diözese und ihre Pfarren leben immer auch stark durch die Schulen, Krankenhäuser, Bildungshäuser und durch das Gebet der geistlichen Orden; sie leben weiters durch die apostolischen Bewegungen und Gruppen, durch das Priesterseminar, das Augustinum und die Theologische Fakultät, durch die kirchlichen Medien und durch vieles andere. Und wir alle leben im Empfangen und Geben in der Verbindung mit dem Heiligen Vater und der ganzen Weltkirche. “Keiner ist eine Insel”, hat der Mönch und geistliche Meister Thomas Merton gesagt. Die Wahrheit dieses Wortes wird für unsere Pfarren in Zukunft noch wichtiger werden.

Christus, unsere Mitte

Am Schluss dieses ziemlich langen Briefes, der trotzdem viele Themen nur berühren kann, verweise ich nochmals auf das grosse Christusbild in meiner Hauskapelle. Der Christus breitet die durchbohrten Arme aus, um uns alle an sich in die Mitte zu ziehen. Osterlicht scheint von der vergoldeten Tafel her schon in die Karfreitagsszene hinein. Ich bitte Sie alle, liebe Katholiken der Steiermark, Schwestern und Brüder, sich für die Einladung in diese Mitte offen zu halten, und grüsse Sie mit allem Segen

Original Hirtenbrief
Diözesanbischof Egon Kapellari

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