Kirchenbesuch am Sonntag nur Privatsache?

Ein Kommentar von P. Bernhard Sirch zum Sonntagsevangelium

Kirchenbesuch am Sonntag Privatsache? Christen, die dies sagen, stehen in diametralem Gegensatz zu den ersten Christen, die den Besuch des gemeinsamen Gottesdienstes bisweilen sogar mit dem Tod bezahlten.

Illschwang, kath.net, 26. Januar 2012

 B -4. Sonntag i.Jahreskreis. 1. Ls: Dtn 18, 15-20; 2. Lesung: 1 Kor 7, 32-35; Ev. Mk 1, 21-28. Auf das aufmerksame Hören, Horchen auf Gott, folgt das liebevolle Gehorchen.Wir hören heute im Evangelium: “In Kafarnaum ging Jesus am Sabbat in die Synagoge und lehrte” (Mk 1, 21). Bei Lukas lesen wir: “Jesus, ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge” (Lk 4,16). So kann ich Ihnen, liebe Gottesdienstbesucher gratulieren, da sie auch, wie Jesus, “wie gewohnt”, am Sonntag in die Kirche gehen und sich Zeit nehmen für Gott. Obwohl Jesus bisweilen kritische Worte für die offiziellen Vertreter des Judentums hat – wie heute einige Christen gegenüber der Kirche -, geht er doch “wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge” (Lk 4,16).

Durch sein Handeln kritisiert er damit auch das Verhalten mancher Christen von heute, die meinen: zu Gott, zu Jesus Christus sage ich ja, es ist aber meine Privatsache, ob ich am Sonntag in die Kirche gehe oder nicht. Auf die Gemeinschaft der Gläubigen, auf den sonntäglichen Gottesdienst lege ich keinen Wert. Diese Christen stehen in diametralem Gegensatz zu den ersten Christen, die den Besuch des gemeinsamen Gottesdienstes bisweilen sogar mit dem Tod bezahlten. So antworteten die Märtyrer dem Richter: “Ohne Gottesdienst können wir nicht leben”, d. h. ohne Feier des heiligen Opfers und ohne Kommunion. Deswegen nennt der Katechismus der katholischen Kirche von 1993 in Nr. 2042 – 2043 als erstes Kirchengebot: “Du sollst an Sonn- und Feiertagen der heiligen Messe andächtig beiwohnen” (Sonntagspflicht). Jesus sagt ausdrücklich: “Tut dies zu meinem Gedächtnis”.

Christus ging also “am Sabbat in die Synagoge und lehrte” (Mk 1, 21). Die Synagoge ist der regelmässige Versammlungsort der jüdischen Gemeinde, wo man sich am Sabbat trifft. Es ist ein Ort des Betens, der Schriftlesung und auch der Auslegung der hl. Schrift. Nicht nur die Schriftgelehrten und Pharisäer lehrten dort; es konnte sich jeder an der Auslegung beteiligen. Dies tat auch Jesus. Man fragt sich sofort: wie war die Reaktion der Leute. Der Evangelist Markus betont eigens über die Lehre Jesu: “Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten” (Mk 1, 22). Zu der gewöhnlich gängigen Auslegung der Schriftgelehrten kommt mit Jesus ein Moment hinzu: Jesus lehrt “wie einer, der göttliche Vollmacht hat” (Mk 1, 22) und deswegen waren die Leute “sehr betroffen von seiner Lehre”. Ich möchte hier auf das Problem der Übersetzung eingehen. Die Einheitsübersetzung übersetzt das griechische Wort “exeplessonto” schlicht mit “die Menschen waren sehr betroffen” (Mk 1,22). In anderen Übersetzungen ist die Rede, dass die Menschen bestürzt, überwältigt waren, sie waren ausser sich, da die Zuhörer in Jesus, der mit göttlicher Vollmacht spricht, Gott selber begegnen.

Jesus lehrt nicht nur, sondern er heilt “in ihrer Synagoge einen Mann, der von einem unreinen Geist besessen war. Der begann zu schreien: Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiss, wer du bist: der Heilige Gottes. Da befahl ihm Jesus: Schweig und verlass ihn! Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verliess ihn mit lautem Geschrei” (Mk 1, 23-26).

Es ist den Zuhörern in der Synagoge klar: Jesus lehrt nicht nur mit Vollmacht, sondern er handelt auch, wobei der Besessene bekennt: “Ich weiss, wer du bist: der Heilige Gottes” (Mk 1, 25). Der Evangelist Markus schildert dann die weitere Reaktion der Zuhörer: “Da erschraken alle, und einer fragte den andern: Was hat das zu bedeuten? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl. Und sein Ruf verbreitete sich rasch im ganzen Gebiet von Galiläa” (Mk 1, 27.28). Wir erleben also im Evangeli-um Jesus, den Sohn Gottes, wie er mit göttlicher Vollmacht auftritt.

Was Jesus im Evangelium tut, können wir in der 1. Lesung als Verheissung Gottes hören: “Mose sprach zum Volk: Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören. Der Herr wird ihn als Erfüllung von allem erstehen lassen, worum du am Horeb, am Tag der Versammlung, den Herrn, deinen Gott, gebeten hast” (Dt 18, 14-16). Nochmals betont die 1. Lesung: “Ich will ihm meine Worte in den Mund legen, und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm auftrage” (Dtn 18,18). Wir müssen dabei sehen, dass Jesus mehr ist wie ein Prophet, er ist der Sohn Gottes. Jesus ist der Gesandte des Vaters. So sagt Jesus: “Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat” (Jo 14, 24). Gott legt seine Worte und damit auch seine Vollmacht in den Mund seines Gesandten, damit die Menschen auf ihn hören. In der Theologie wird viel zu wenig beachtet: Jesus der Gesandte des Vaters (vgl. dazu den Aufsatz in meiner Homepage). Auf diese Weise wird Gott in der Welt gegenwärtig, hörbar, erfahrbar.

Gott weiss auch um die falschen Propheten, die gern in seinem Namen reden möchten, die aber nicht berufen sind und folglich sein Wort nicht verkünden: “Doch ein Prophet, der sich anmasst, in meinem Namen ein Wort zu verkünden, dessen Verkündigung ich ihm nicht aufgetragen habe, oder der im Namen anderer Götter spricht, ein solcher Prophet soll sterben” (Dt 18, 20).

Gott warnt auch die Menschen, die nicht auf seinen Propheten hören: “Einen Mann aber, der nicht auf meine Wort hört, die der Prophet in meinem Namen verkündet wird, ziehe ich selbst zur Rechenschaft” (Dt 18, 19).

Auch Jesus weist auf die falschen Propheten hin: “Denn es wird mancher falsche Messias und mancher falsche Prophet auftreten und sie werden Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, die Auserwählten irrezuführen. 23 Ihr aber, seht euch vor! Ich habe euch alles vorausgesagt (Mk 13,22; siehe auch: Mt 24, 24)

Noch einen Punkt möchte ich aus der 1. Lesung herausgreifen. Gott sagt ausdrücklich: “Auf ihn sollt ihr hören” (Dt 18, 15). Wir sollen auf Jesus hören. Jesus betont aber klar, von wem er das Wort hat: “Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat” (Jo 14, 24). Wie Jesus vom Vater gesandt ist, so sendet auch Jesus seine Jünger, die ebenfalls in der Sendung des Vaters stehen: “Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat” (Lk 10, 3.16). Jesus geht es nicht so sehr um seine Person, sondern um seinen Vater, der ihn gesandt hat. Jesus ist der Gesandte Gottes, er redet nicht aus sich selbst, sondern wie wir es bereits in der 1. Lesung gehört haben: “Ich will ihm meine Worte in den Mund legen, und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm auftrage” (Dtn 18,18). Wenn wir auf Gott und Jesus hören, dann sind wir hineingenommen in diese göttliche Einheit und erhalten das ewige Leben; so sagt Jesus: “Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben” (Joh 5,24).

Es genügt aber nicht, dass wir die Worte Jesu nur hören, sondern: entscheidend ist das Tun: “Wer meine Worte nur hört und sie nicht befolgt, den richte nicht ich… Denn was ich gesagt habe, habe ich nicht aus mir selbst, sondern der Vater, der mich gesandt hat, hat mir aufgetragen, was ich sagen und reden soll. Und ich weiss, dass sein Auftrag ewiges Leben ist. Was ich also sage, sage ich so, wie es mir der Vater gesagt hat. (Joh 12, 43 – 50). In der Lesung hören wir von “der donnernden Stimme des Herrn, meines Gottes”, die den Tod bringt. Jesu Stimme bringt Leben und ist die “Erfüllung von allem…, worum du … deinen Gott, gebeten hast”: “Der Herr wird ihn als Erfüllung von allem erstehen lassen, worum du am Horeb, am Tag der Versammlung, den Herrn, deinen Gott, gebeten hast, als du sagtest: Ich kann die donnernde Stimme des Herrn, meines Gottes, nicht noch einmal hören und dieses grosse Feuer nicht noch einmal sehen, ohne dass ich sterbe” (Dtn 18,16).

Durch Jesus spricht Gott jeden einzelnen Menschen an

Wir können uns fragen, bringen wir es fertig, auf Gott hinzuhören und sich ihm so zur Verfügung zu stellen, dass er über uns verfügen kann, dass er durch uns sprechen und handeln kann. Können wir unsere Gedanken ganz auf Gott ausrichten und seine Gedanken uns zu eigen machen, so dass auf das Hören, auf das Horchen auf Gott, das liebevolle Gehorchen kommt und seine Worte verkünden?

Auch im zwischenmenschlichen Bereich gilt: wenn wir auf den anderen hören können, wenn wir horchen können, dann ist es ein kleiner Schritt, dass wir auch gehorchen können. In diesem Sinne müssen wir “horchen, gehorchen” sehen, nicht in einem Kadaver-Gehorsam. Wenn nur der Kadaver-Gehorsam gelebt wird, z.B. das Verhalten von den Kindern zu den Eltern und Lehrern oder auch das Verhalten der Ehepaare untereinander, werden wir nie glücklich werden. Dem Gehorchen muss das Horchen vorausgehen. Nur aus einem liebevollen hinhören, horchen kann ein Gehorchen in rechter Gesinnung folgen.

Wir alle aber wissen, wie schwierig das Hinhören ist. Immer wieder müssen wir überdenken, was wir im heutigen Antwortpsalm beten: “Hört auf die Stimme des Herrn; verhärtet nicht euer Herz!” (Ps 95, 7d.8). Dies ruft Gott auch uns zu. Wie oft haben wir ein Herz aus Stein im Umgang mit Gott und in gleicher Weise im Um-gang mit den Mitmenschen! Da Gott und Mensch zusammengehören, wird auch Gott sein Herz nicht verhärten, wenn wir Menschen zu ihm rufen und unser Herz Gott und den Menschen gegenüber nicht verhärten.

Bitten wir Jesus, dass er auch an uns machtvoll wirkt, dass er auch uns reinigt und spricht: “Da befahl Jesus dem unreinen Geist: Schweig und verlass ihn! Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verliess ihn mit lautem Geschrei” (Mk 1,25.26). Wenn wir durch das Wort Jesu – z.B. im Beichtstuhl – rein geworden sind, dürfen wir uns das Rufen des heutigen Kommunionverses aufnehmen: “Lass dein Angesicht leuchten über deinem Knecht, hilf mir in deiner Güte. Herr, lass mich nicht scheitern, denn ich rufe zu dir” (Ps 31, 17-18).

Schmerzvoll müssen wir erleben, dass wir auf dieser Erde nur auf dem Weg zu Gott sind. So beten wir im Schlussgebet: “Barmherziger Gott, das Sakrament der Erlösung, das wir empfangen haben, nähre uns auf dem Weg zu dir und schenke dem wahren Glauben beständiges Wachstum”. Auf unserem Weg zu Gott müssen wir immer um das richtige Verhältnis von Gottes- und Nächstenliebe ringen um das wir im Tagesgebet beten: “Gib, dass wir dich mit ungeteiltem Herzen anbeten und die Menschen lieben, wie du sie liebst”. Weil Gott uns liebt, sandte er sein Sohn, wie Gott in der 1. Lesung verheissen hat. Weil Gott jeden Einzelnen liebt, müssen auch wir jeden einzelnen Menschen so lieben, wie Gott sie liebt.

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