Diakonissen waren keine Diakoninnen

Für den Diakonat der Frau gibt es weder historische noch systematische Grundlagen

Die Tagespost, 09.12.2011, von Professor Manfred Hauke
 
Das “Zentralkomitee der Deutschen Katholiken”, das nach seinen Statuten die Kräfte des Laienapostolates koordinieren soll, hat sich auf seiner Herbstvollversammlung in Bonn mit einer Forderung zu Wort gemeldet, für deren Beurteilung die Theologie und das kirchliche Lehramt zuständig sind: die Kirche möge das Amt des Diakons für Frauen öffnen. Diese Forderung ist nicht neu. Wer sie erhebt, sollte auf jeden Fall die einschlägige Diskussion kennen, die beispielsweise im Jahre 2003 von einer umfangreichen Studie der Internationalen Theologenkommission aufgenommen wurde.

Dabei wird am Ende betont: “Was die Ordination von Frauen zum Diakonat betrifft, sei angemerkt, dass sich aus dem bisher Dargelegten zwei wichtige Hinweise ergeben: 1. Die Diakonissen, die in der Überlieferung der frühen Kirche erwähnt werden, sind – entsprechend dem, was der Ritus der Einsetzung und die ausgeübten Funktionen nahelegen – nicht schlicht und einfach mit den Diakonen gleichzusetzen; 2. die Einheit des Weihesakramentes, in der klaren Unterscheidung zwischen den Dienstämtern des Bischofs und der Presbyter auf der einen und dem diakonalen Dienstamt auf der anderen Seite, wird durch die kirchliche Tradition stark betont, vor allem durch die Lehre des II. Vatikanum und die nachkonziliare Lehre des Lehramts. Im Licht dieser Momente, die in der vorliegenden historisch-theologischen Untersuchung herausgestellt wurden, kommt es dem Amt der Unterscheidung, das der Herr in seiner Kirche eingerichtet hat, zu, sich mit Autorität zu dieser Frage zu äussern”.

In der alten Kirche erscheint seit dem 3. Jahrhundert (syrische Didaskalie) ein kirchliches Amt für Frauen unter dem Titel “Diakonin” beziehungsweise “Diakonissin”. Die neutestamentlichen Hinweise eines weiblichen Dienstes für die kirchliche Gemeinschaft, die mitunter als Beleg für einen weiblichen Diakonat gedeutet werden (Röm 16,1; 1 Tim 3,11), bilden noch keine klar umrissene Institution. Der weibliche Diakonat entspringt im Orient, während er in den ersten vier Jahrhunderten im Westen und in Ägypten noch unbekannt ist. Die Diakonissen in der syrischen Didaskalie salben aus Schicklichkeitsgründen den Leib der Frauen bei der Erwachsenentaufe und üben verschiedene Dienste für Frauen aus, die kennzeichnend waren für die starke Trennung der Geschlechter im Orient. Mit dem Verschwinden der Erwachsenentaufe findet auch das Amt der Diakonissen ein Ende. Es wurde auf jeden Fall unterschieden vom männlichen Diakonat: die Frauen hatten andere Aufgaben (insbesondere durften sie weder predigen noch am Altare dienen), sie wurden mit anderen Gebeten geweiht (solche Weihegebete sind bezeugt seit dem 4. Jahrhundert) und werden typologisch anders eingeordnet (nach der Didaskalie beispielsweise vertritt der Diakon Jesus Christus und die Diakonisse den Heiligen Geist). Diese Unterschiede gründen darin, dass die männlichen Diakone teilnehmen an der apostolischen Nachfolge, nicht aber die Diakoninnen.

In der konziliaren Gesetzgebung werden die Diakonissen erwähnt auf den Konzilien von Nizäa (325) und Chalzedon (451). Der Kanon 19 des Nizänums setzt voraus, dass die Diakonissen des Bischofs von Antiochien (Paul von Samosata) Laien waren und keine Weihe mit Handauflegung empfangen hatten. Deshalb wurden sie im Unterschied zu den Diakonen nicht zur Weihe zugelassen. Die Zugehörigkeit der Diakonissen zum Laienstand ist auch für die Kappadozier im 4. Jahrhundert vorauszusetzen: Unzucht wird mit der gleichen Strafe belegt wie für Laien und nicht wie für Kleriker (Basilius, Ep. 199, 44). Nach Epiphanius (4. Jahrhundert) gehört der Diakon zur priesterlichen Hierarchie, nicht aber die Diakonisse (Exp. fidei 21). Das Konzil von Chalzedon erwähnt hingegen eine Weihe (Kanon 15), aber die dafür gebrauchte Terminologie beschränkt sich nicht auf die Hierarchie von Bischöfen, Presbytern und Diakonen. Die Stellung des Kanons (nach den Vorschriften für Lektoren und Sänger) unterstreicht den Unterschied zu den Ämtern, die wir heute als sakramental einordnen (Bischof, Priester und Diakon).

Im Westen gibt es in den ersten Jahrhunderten keine Diakonissen. Einige gallische Synoden (4.–6. Jh.) wenden sich gegen einen weiblichen Diakonat, der dem “Levitenamt” der Diakone entsprechen würde. In einigen mittelalterlichen Pontifikalien erscheinen Formulare für die Weihe von Diakonissen, aber die Texte unterscheiden sich stets von den Weihegebeten für die Diakone. Die liturgischen Formulare beschränken sich auf ein klösterliches Umfeld; sie bilden nicht einmal eine niedere Weihe als Vorstufe des hierarchischen Priestertums, sondern die Anerkennung einer Aufgabe im Ordensleben.

Der systematische Begriff des “Sakramentes” (im Unterschied zu den “Sakramentalien”) klärt sich im 12. Jahrhundert. Trotz ihrer beschränkten geschichtlichen Kenntnisse waren die mittelalterlichen Kanonisten sich darin einig, einen sakramentalen Charakter der altkirchlichen Diakonissen auszuschliessen. Nach dem “Decretum Gratianum” können Frauen nicht zum Amt des Diakonates zugelassen werden, weil eine solche Weihe ungültig wäre (cap. 15, q. 3).

Die Wiederherstellung des ständigen Diakonates durch das Zweite Vatikanum hat gelegentlich Formulierungen hervorgebracht, die noch nicht ausgereift waren. Die “tatsächliche” Ausübung des diakonalen Amtes als Motiv für die Zulassung von Männern zur Diakonenweihe (Vaticanum II, Ad gentes 16) kann nicht in einer systematischen Sicht erklärt werden, als ob es eine diakonale Wirklichkeit gäbe, die schon vor der Weihe existiert. Die Funktionen des Diakons sind von der seinsmässigen Teilhabe an der sakramentalen Gnade aus zu beleuchten. Das Weihesakrament ist kein notarieller Akt, der eine schon existierende Realität anerkennt, sondern schafft gerade erst die neue Wirklichkeit, indem es den Weihekandidaten auf spezifische Weise Christus dem Haupt der Kirche angleicht.

Begründet wurde in der neueren Diskussion gelegentlich die Möglichkeit einer Diakoninnenweihe mit dem Hinweis auf die Eigenständigkeit des Diakonates, der vom Dienst des Priesters und Bischofs unterschieden sei. Dabei berief man sich auf die Formulierung der dogmatischen Konstitution über die Kirche, wonach der Diakon nicht zum “Priestertum”, sondern zum “Dienst” geweiht sei (Lumen gentium 29). Diese Formulierung geht auf Hippolyt zurück, wonach bei der Weihe des Diakons allein der Bischof die Hände auflegen soll (und nicht die Priester), weil der Diakon “nicht zum Priestertum geweiht wird, sondern zum Dienst für den Bischof, um das zu tun, was dieser ihm aufträgt” (Traditio apostolica 8). Von der Sache her geht es darum, dass der Diakon nicht im Blick auf die Feier des Messopfers geweiht wird (wie bei den Priestern), sondern für den Dienst im Auftrag des Bischofs.

Der zitierte Satz aus der Kirchenkonstitution ist insofern zweideutig, als in den Konzilstexten einerseits der “Dienst” (ministerium) kein Spezifikum des Diakons bildet und dieser andererseits dem “besonderen Priestertum” zuzuordnen ist (vgl. Lumen gentium 10; 41). Zeugnisse in der alten Kirche benennen den Diakon als “Priester dritten Grades”. Der Diakon kann demnach nicht vom besonderen Priestertum und dessen sakramentaler Weihevollmacht getrennt werden. Nach dem Zweiten Vatikanum sind Diakonat und Presbyterat Ausgliederungen aus der bischöflichen Vollmacht. Beide haben Anteil an dem einen Weihesakrament, an der Sendung der Apostel, die in vollem Umfang ausgeübt wird von den Bischöfen als Nachfolgern der Apostel (Lumen gentium 20–21; 28–29). Würden Frauen zum “Amt des Diakons” zugelassen, dann ist die logische Folge (wie in der anglikanischen Gemeinschaft) die Weihe zum Priester und Bischof. Auch der Diakon ist kraft seiner Weihe Vertreter Christi. Kontrovers diskutiert wurde in den letzten Jahren die Frage, ob er auch “in der Person Christi des Hauptes” (der Kirche) handelt. Das Motu proprio “Omnium in mentem” (2009) führte eine Korrektur des kirchlichen Gesetzbuches ein, wonach das Handeln in der Person Christi des Hauptes nicht mehr auf den Diakon bezogen wird (can. 1008; 1009 §3).

Das Motiv war die Angleichung an die oben genannte Formulierung von “Lumen gentium” 29. Dass der Diakon nicht in der Person des Hauptes handele, wird freilich auch nicht gesagt. Eine theologische Deutung der Formel “in persona Christi capitis” muss jedenfalls betonen, dass auch der Diakon gemäss seinem Weihegrad an der Leitungsvollmacht Christi des Hauptes der Kirche teilhat. Angesichts der gegenwärtigen Verwirrung über die Stellung des Diakons im Weihesakrament wäre es freilich empfehlenswert, wenn in der Zukunft die Glaubenskongregation oder der Heilige Vater selbst eine authentische Klärung beitragen könnten. Das gilt erst recht, wie von der Internationalen Theologenkommission erbeten, für den weiblichen Diakonat.

Theoretisch möglich wäre die Einführung eines weiblichen Diakonates als Sakramentalie (als Segnung), nicht aber als Grad des Weihesakramentes. Ein nichtsakramentales Amt der Diakonin wird freilich aus verschiedenen Gründen nicht ernsthaft in Erwägung gezogen: Es würde zur Verwirrung beitragen und als “Diskriminierung” der Frau empfunden. Zu betonen ist gegenüber Bestrebungen die Bedeutung des weiblichen Dienstes im Bereich des Laienapostolates und des Lebens gemäss den evangelischen Räten. Es wäre Zeichen eines seltsamen Klerikalismus, die Würde der Frau von ihrer Weihe zur Diakonin oder Priesterin abhängig zu machen. Nicht die Amtsträger sind die grossen Gestalten der Kirche, sondern die Heiligen.

Omnium.in.mentem: Apostolisches Schreiben mit dem einige Normen des Kodex des Kanonischen Rechts geändert werden

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