Weltbild: Der Skandal bleibt

Hier geht es um gigantische Heuchelei mitten in der Kirche

Die Tagespost, 02.11.2011 von Markus Reder

Nichts wäre den Verantwortlichen von Weltbild wohl lieber, als Kritiker an ihrem Verlagsangebot in die Ecke sexuell verklemmter Konservativer zu stellen, die aufgrund eines allzu engen eigenen Weltbildes Probleme mit ein bisschen Erotik und ein wenig nackter Haut hätten. Wie sonst soll man die Reaktion von Weltbild deuten, in der sich die Verlagsgruppe auf die juristische Definition von Pornografie beruft, um dann mitzuteilen, man vertreibe keine Pornos, sondern lediglich erotische Werke. Auch sei der Umsatz damit längst nicht so gross, wie Kritiker meinten. Jenen Kritikern drohte man auch gleich mit juristischen Schritten (DT vom 29. Oktober).

Die Flucht in formale Differenzierungen zwischen “pornografisch” und “erotisch” helfen den kirchlichen Besitzern von Weltbild ebensowenig aus dem moralischen Dilemma wie die Korrekturen an den Filtern der Internet-Seiten das “Problem Weltbild” grundsätzlich lösen. Die vertriebstechnische Seite ist ja nur ein Teil des Skandals. Es bleibt – man kann es nicht oft genug wiederholen –, das ungeheure Faktum, dass die katholische Kirche in Deutschland über ihre 50-Prozent-Beteiligung an Droemer Knaur an der Produktion(!) von Sex-Büchern beteiligt ist, die in eklatantem Widerspruch zum christlichen Menschenbild und zur katholischen Sexualmoral stehen. Dass es dabei nicht um ein bisschen erotische Literatur und ein wenig nackte Haut geht, sondern um einen handfesten Skandal, davon kann sich jeder mit einem Blick in das Verlagsangebot selbst ein Bild machen. Was nützt es, wenn man die eigene Verlagshomepage bereinigt, die entsprechenden Titel aber nach wie vor über Amazon und im Buchhandel zu haben sind. Nein, hier geht es nicht um verklemmte Pornojäger aus dem katholischen Lager, die einen Grosskonzern in kirchlichem Besitz vor sich hertreiben, sondern um gigantische Heuchelei mitten in der Kirche. Weil man ein Huhn, das goldene Eier legt, nicht rupfen will, darum hat man über Jahre nicht so genau hingeschaut. Das ist die traurige Wahrheit hinter Weltbild.

Nun sind auch die Internetseiten des Borromäusvereins in die Kritik geraten. Auch auf den Online-Seiten der kirchlichen Einrichtung, die mit den katholischen Büchereien zusammenarbeitet, finden sich ekelhafte Sex-Bücher sowie entsprechende Filme und CDs. Schuld seien die Datenbanken, auf die man zurückgreife, heisst es von Seiten des Borromäusvereins. Ein technisches Problem also. Solche Titel würden nicht ausgeliefert, wird betont. Das widerspreche der Orientierung am christlichen Menschenbild. Wie aber kann es sein, dass eine kirchliche Einrichtung, die für sich hohe Medienkompetenz und wertorientiertes Handeln in Anspruch nimmt, nicht darauf achtet, was auf ihren Internetseiten zu finden ist. Als Kritik an den Sex-Titeln, die beim Borromäusverein auftauchen, laut wurde, hat man eilig einige Titel entfernt. Dennoch war da auch gestern noch jede Menge zu finden, was bei einer katholischen Einrichtung absolut nichts zu suchen hat. Für kirchliche Stellen reicht es nicht, sich hinter technischen Schwierigkeiten zu verstecken. Verantwortung beginnt nicht erst beim Ausliefern der Ware, sondern auch bei der Sorgfalt, mit der man das eigene Internetangebot pflegt. Nach entsprechenden Veröffentlichungen wird rasch eingegriffen. Warum erst dann?

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