Ökumenische Einheit in der Tiefe des Glaubens
Kurt Kardinal Koch anlässlich der Apostolischen Reise des Papstes nach Deutschland:
Der Einsatz Benedikts XVI. für die Ökumene. Der ökumenische Auftrag des Ringens um die sichtbare Einheit der Jünger ist im Christusbekenntnis. Von Armin Schwibach
Rom, kath.net/as, 17.09.2011
Anlässlich der bevorstehenden Apostolischen Reise Papst Benedikts XVI. nach Deutschland veröffentlichte der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kurt Kardinal Koch, in der italienischen Ausgabe der vatikanischen Zeitung “L’Osservatore Romano” vom 17. September einen Beitrag, in dem er sich mit der Anstrengung Joseph Ratzingers und Benedikts XVI. für die Ökumene auseinandersetzt.
Der Kardinal betont, dass mit Benedikt XVI. ein Papst nach Deutschland komme, der dieses wichtige Land der Reformation aufgrund eigener Erfahrung bestens kenne und sich bereits als Theologe wie als Kardinal um den Fortgang des Ökumenischen Dialogs in Deutschland und auf Weltebene sehr bemüht habe.
Weil Papst Benedikt XVI. überzeugt sei, dass wir als Christen auch “als Getrennte eins sein können”, sehe er zudem die Ökumene immer deutlicher im Licht ihrer Vollendung. Ökumene heisse elementar: “Unterwegs zu ihm sind wir unterwegs zur Einheit” und haben in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft die gemeinsame Aufgabe, Gott, der uns in Jesus Christus sein Gesicht gezeigt hat, zu bezeugen.
Kath.net veröffentlicht den Beitrag von Kardinal Koch im Wortlaut und dankt Seiner Eminenz für die Freundlichkeit, diese wichtige Wortmeldung einem grösseren Publikum zugänglich zu machen.
Ökumenische Einheit in der Tiefe des Glaubens
Von Kurt Kardinal Koch
Bereits in seiner ersten Botschaft nach der Papstwahl hat Benedikt XVI. als seine “vorrangige Verpflichtung” die Aufgabe bezeichnet, “mit allen Kräften an der Wiederherstellung der vollen und sichtbaren Einheit aller Jünger Christi zu arbeiten”. Es versteht sich deshalb von selbst, dass schon während seiner beiden ersten Reisen nach Deutschland ökumenische Begegnungen stattgefunden haben, nämlich 2005 in Köln und 2006 in Regensburg. Die jetzt bevorstehende Reise wird einen besonderen ökumenischen Akzent dadurch aufweisen, dass Papst Benedikt XVI. auch Erfurt besuchen wird, wo der Reformator Martin Luther als Augustinermönch gelebt hat und wo der Papst Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland begegnen und einen Ökumenischen Gottesdienst feiern wird. Mit Benedikt XVI. kommt ein Papst nach Deutschland, der dieses wichtige Land der Reformation aufgrund eigener Erfahrung bestens kennt und sich bereits als Theologe wie als Kardinal um den Fortgang des Ökumenischen Dialogs in Deutschland und auf Weltebene sehr bemüht hat.
Es sei exemplarisch an die bedeutende Rolle erinnert, die Kardinal Ratzinger in der Gemeinsamen Ökumenischen Kommission gespielt hat, die nach dem Besuch von Papst Johannes Paul II. in Deutschland im Jahre 1980 ins Leben gerufen und von ihm zusammen mit dem evangelischen Landesbischof Eduard Lohse präsidiert worden ist. Von beiden wurde damals der verheissungsvolle und in den folgenden Jahrzehnten auch eingelöste Vorschlag unterbreitet, man solle in den ökumenischen Dialogen untersuchen, ob die gegenseitigen Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts den heutigen Partner noch treffen und damit die Kirchen immer noch voneinander trennen müssen. Ebenso hat der damalige evangelische Landesbischof Johannes Hanselmann dankbar daran erinnert, dass Kardinal Ratzinger das grosse Verdienst zukommt, dass die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre nach verschiedenen Schwierigkeiten in Augsburg 1999 doch noch unterzeichnet werden konnte
Dieses ökumenische Engagement war stets begleitet von einer intensiven theologischen Auseinandersetzung mit ökumenischen Fragen, denen Joseph Ratzinger bereits als Professor seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Das grosse ökumenische Kapitel in dem der Lehre von der Kirche gewidmeten Band seiner “Gesammelten Schriften” legt davon ebenso ein beredtes Zeugnis ab wie die in diesem Jahr erschienene umfangreiche Dissertation des evangelischen Theologen Thorsten Maasen über das “Ökumeneverständnis Josephs Ratzingers”, der dem Papst attestiert, er sei “vorbildlich in seinem Bemühen, kompromisslos eine ehrliche ökumenische Theologie zu treiben”, und er habe die Notwendigkeit der Ökumene “so eindringlich herausgearbeitet, dass sie unbedingt ihren Platz in der Mitte der Kirche(n) finden sollte”.
In der Tat gehört die Ökumene für Papst Benedikt XVI. in die Mitte der Kirche und der Theologie. Von daher erst kann man verstehen, dass er die Ökumene heute von zwei Seiten her in Gefahr sieht, nämlich auf der einen Seite durch einen “Konfessionalismus der Trennung”, der sich auf das konfessionell Eigene gerade dort fixiert, wo es gegen andere gerichtet ist, und auf der anderen Seite durch eine “glaubensmässige Gleichgültigkeit”, die in der Wahrheitsfrage ein Hindernis für die Einheit sieht. Dass beide Gefahren auch heute bestehen, wird gewiss niemand leugnen wollen. Umso wichtiger ist es, in der Ökumene die Tiefe des Glaubens zu suchen. Denn die Ökumene kann nur in die Breite wachsen, wenn sie sich in der Tiefe verwurzelt.
Wer sich in diese Tiefe begibt, vermag, wie es Papst Benedikt XVI. tut, in den historischen Kirchenspaltungen nicht nur menschliche Sünde am Werk zu sehen, sondern im Sinne des gewiss geheimnisvollen Wortes des Apostels Paulus, dass Spaltungen “sein müssen” (1 Kor 11, 19), auch eine Dimension wahrzunehmen, “die einem göttlichen Verfügen entspricht”. Mit dieser Sicht des Glaubens hat der Papst immer mehr dafür plädiert, Einheit zunächst “durch Verschiedenheit” zu finden, was genauer bedeutet, die Spaltungen zu entgiften, in ihnen auch das Fruchtbare anzunehmen und gerade von der Verschiedenheit Positives zu empfangen, allerdings in der Hoffnung, dass am Ende die Spaltung überhaupt aufhört. Denn die wahre Liebe “löscht legitime Unterschiede nicht aus, sondern bringt sie miteinander in Einklang in einer höheren Einheit, die nicht von aussen auferlegt wird, sondern die von innen heraus dem Ganzen sozusagen Form verleiht”.
Weil Papst Benedikt XVI. überzeugt ist, dass wir als Christen auch “als Getrennte eins sein können”, sieht er zudem die Ökumene immer deutlicher im Licht ihrer Vollendung, so dass wir die Vorläufigkeit unseres eigenen Tuns erkennen und nicht selber machen wollen, was nur der wiederkehrende Christus bewirken kann. Ökumene heisst dann schlicht, aber elementar: “Unterwegs zu ihm sind wir unterwegs zur Einheit” und haben in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft die gemeinsame Aufgabe, Gott, der uns in Jesus Christus sein Gesicht gezeigt hat, zu bezeugen.
Wer in diesem Sinn die Ökumene nicht nur zwischenmenschlich und auch nicht einfach philantropisch, sondern zutiefst christologisch begründet, für den ist sie kirchliche Teilhabe am Hohepriesterlichen Gebet Jesu selbst, “dass alle eins seien” (Joh 17, 31). In dieser Tiefe des Glaubens findet man sich bereits im Lebensraum der Ökumene vor. Denn ökumenisch handelt in erster Linie nicht derjenige, der dieses Wort ständig im Munde führt, sondern der sich, auch ohne das Wort zu verwenden, in die Tiefe des Christusbekenntnisses begibt und in ihm die gemeinsame Quelle für die Einheit der Kirche findet. Papst Benedikt XVI. geht diesen Weg nicht nur konsequent in seiner täglichen Verkündigung, sondern auch mit seinem zweibändigen Buch über Jesus von Nazareth, das man als Christusbekenntnis des Nachfolgers des Petrus verstehen kann. Indem er den ökumenischen Auftrag des Ringens um die sichtbare Einheit der Jünger im Christusbekenntnis verwurzelt, ist er von einer christologischen Vision der Ökumene getragen. Darüber würde sich Martin Luther von Herzen freuen. Dass dessen Nachfahren es ihm heute gleich tun werden, darf man gewiss mit Recht erwarten.
Gemeinsame.Erklärung zur Rechtfertigungslehre
Gesammelte.Werke Joseph Ratzingers
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