Heimspiel für den Papst?

Überhebliche, wenig selbstkritische Töne aus der Schweiz

Vom 22. bis 25. September besucht Benedikt XVI. Deutschland. Und gewiss wird ihm zugejubelt werden. Dennoch ist sein Besuch nicht einfach ein Heimspiel, denn die katholische Kirche geht durch eine schwierige Zeit. Nebst lebendigen Kirchentagen (hier mit dem Bundespräsidenten) gibt es eine wachsende Distanzierung. Ein Vergleich der Situation in Deutschland und in der Schweiz.

Was in Deutschland anders ist. Der Papstbesuch macht aufmerksam auf die Kirche im Nachbarland.

“Die Situation der Kirche ist in Deutschland nicht viel anders als in der Schweiz”, sagt Arnd Bünker. Der deutsche Pastoralsoziologe ist gewohnt, genau hinzuschauen: “Auf den ersten Blick scheint die Lage der Kirche in den beiden Ländern zwar verschieden zu sein; doch in Wirklichkeit steht sie vor der gleichen Herausforderung.”

Entkirchlichung und Eigengoals 

Arnd Bünker leitet das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut in St. Gallen, das die Aufgabe hat, der Gesellschaft den Puls zu fühlen. Und wie steht es mit dem religiösen Puls in Deutschland? Der sei zwar zu spüren, sagt Bünker, allerdings sei die Entkirchlichung der Gesellschaft weit fortgeschritten. Den Bezug zum religiösen Erleben suchen viele Menschen nicht mehr über ihre Kirche, sondern auf eigenen, individuellen Wegen. Und dann kommen die Eigengoals hinzu, die die Kirche geschossen hat. Das eine ist die Milde gegenüber den Piusbrüdern, in deren Mitte selbst ein Holocaustleugner sein Unwesen treiben konnte. Ein weiteres ist die nicht enden wollende Serie von Missbrauchsfällen. Ein drittes ist die kirchliche Sexualmoral, die eher auf körperlose Engel als auf Menschen aus Fleisch und Blut ausgerichtet ist. Entsprechend erwartet man von der Kirche wenig Lebenshilfe, erlebt sie als Einrichtung, die dem Individuum die eigene Freiheit beschneiden will.

Ferner:

Vor dem Papstbesuch

Der Papst trifft in seiner Heimat eine komplexe Situation an. Er wird, wie Arnd Bünker sagt, nicht als ein “Papst der Herzen” empfunden, sondern eher als professoraler Intellektueller. Man ist hier schon froh, wenn ihm kein Lapsus passiert wie in der “Regensburger Rede”, als er sich im Ton gegenüber den Muslimen vergriffen hatte.

So hält sich der “Ansturm” auf Billette für die Papst-Veranstaltungen (zumindest bis zum Redaktionsschluss dieses Pfarreiforums) eher in Grenzen. Und auch die Bischöfe hatten zunächst eher auf Veranstaltungen in kleinerem Rahmen gesetzt. Erstaunlicherweise war es gerade der regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, der hier anders disponierte. Der Papst gehöre nicht auf irgend einen bescheidenen Platz, sondern ins Olympiastadion. Als sozialdemokratischer und homosexueller Katholik steht Wowereit zwar nicht gerade auf päpstlicher Linie, dennoch will er, dass die Kirche ihre öffentliche Rolle auch klar und erkennbar spiele.

Arnd Bünker weist in diesem Zusammenhang auf die Feier hin, mit der der neue Erzbischof in Berlin begrüsst und vereidigt wurde. Damals hatte Wowereit erklärt, was er von der Kirche erwarte: einen aktiven, wirksamen Beitrag zum friedlichen Miteinander der Religionen in der Stadt. Trotz der Distanzierung vieler Katholiken von ihrer Kirche – die Erwartungen an sie sind und bleiben gross.

Ob der Papst diese Erwartungen erfüllen kann? Ob die Kirche in Deutschland neue Impulse erfahren wird? Eine Erwartung besteht darin, dass der Dialogprozess gefördert wird. Augenblicklich scheint der Papstbesuch zwar eher noch zu polarisieren. Doch bei einem Heimspiel kann ja alles noch anders werden.

Quelle

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