Boykott der Papstrede im Deutschen Bundestag

Bischöfe: ungehörig und blamabel

Berlin, 15. September 2011, zenit.org

Ungefähr hundert Oppositionsabgeordnete der Linkspartei, der Grünen und der SPD wollen die Rede von Benedikt XVI. am 22. September im Deutschen Bundestag boykottieren. Sie halten den Auftritt Benedikts XVI. für unvereinbar mit der religiösen Neutralität des Staates.

Kritik an diesem Vorhaben äusserte der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck. “Der Papst wird im Bundestag zu aktuellen weltpolitischen Fragen reden und keinen Gottesdienst halten”, sagte der SPD-Politiker gegenüber der “Neuen Osnabrücker Zeitung”. Die religiöse und weltanschauliche Neutralität der Bundesrepublik werde dadurch nicht infrage gestellt.

Bundestagspräsident Lammert äusserte gegenüber dem Internetportal  “katholisch.de”  die Auffassung, ein solches Vorgehen “gehöre zu einer freiheitlichen Gesellschaft und einem frei gewählten Parlament”. Auch bei Regierungserklärungen von Bundeskanzlern seien schon Abgeordnete ferngeblieben, so Lammert. Er habe aber keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass der Deutsche Bundestag bei der Rede des Papstes nicht nur gut gefüllt, sondern überfüllt sein werde.

Der deutsche Kurienkardinal Walter Brandmüller hatte gegenüber der “Bild” Zeitung in der heutigen Ausgabe zu bedenken gegeben: “Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages müssen sich der Wirkung dieser Art von Protest im Ausland bewusst sein: Sie verstärken dadurch das Bild vom ‘hässlichen Deutschen’, das leider immer noch existiert.”

Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, betonte mit Blick auf kritische Themen wie die Rolle der Frau und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften gegenüber der heutigen Ausgabe der “Berliner Morgenpost”, es werde dem Papst “mal ganz gut tun, nach Berlin zu kommen und zu spüren, was Realität ist im Jahr 2011”. Sie habe Verständnis für den Boykott: “Das Recht auf freie Meinungsäusserung darf nicht eingeschränkt werden, wenn ein Staatsoberhaupt nach Deutschland kommt, auch nicht, wenn es der Papst ist”, so Roth. Sie selbst werde sich die Rede von Papst Benedikt XVI. im Bundestag aber anhören.

Zuvor hatten bereits mehrere deutsche Bischöfe den von etwa 100 Oppositionsabgeordneten geplanten Boykott der Papst-Rede am 22. September im Bundestag als ungehörig und blamabel kritisiert.

Der Bischof des Bistums Dresden-Meissen, Joachim Reinelt, hält den geplanten Boykott für beschämend, wie der “Stern” berichtet.

Laut der “Süddeutschen Zeitung” ist der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller der Meinung, “In Deutschland hat jeder das Recht zu Dummheiten.” Die Abgeordneten sollten sich jedoch bewusst sein, dass sie nicht nur Vertreter “einer Ideologie” seien, sondern des gesamten Volkes; 25 Millionen davon seien katholisch. Angesichts der christlichen Prägung des Landes “brauchen wir uns nicht erst das Hausrecht zu erobern.”

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hatte am Mittwoch gegenüber der “Passauer Neuen Presse” betont: “Es gehört sich, einen solchen Gast mit der notwendigen Freundlichkeit, mit Respekt und Noblesse aufzunehmen.” Wer anderer Meinung als der Papst sei, solle selbstverständlich demonstrieren dürfen. Er hoffe aber, “dass nicht Krawalle das öffentliche Bild bestimmen. Dann würde untergehen, was der Papst uns zu sagen hat.”

Der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner nannte den Boykott “so kleinkariert und so engstirnig, dass man nur darüber lachen oder weinen kann.” Dass solche Politiker im Bundestag sitzen, sei “kein Qualitätsmerkmal für diese hehre Vertretung unseres Volkes”. Das Christentum sei die Wurzel der europäischen Kultur und kein Störenfried.

Gelassen auf die Boykott-Ankündigungen habe nach der “Süddeutschen” der Bruder des Papstes, Georg Ratzinger, reagiert. Er sei diesen Politikern “nicht böse”, so der ehemalige Leiter der Regensburger Domspatzen. Sie lebten eben in einer “völlig anderen geistigen Orientierung”. Das Fernbleiben sei sogar Ausdruck einer “gewissen Ehrlichkeit”. Er hoffe jedoch, dass durch den Auftritt seines Bruders wieder mehr Leute in Deutschland zum Glauben fänden.

Eine Niederlage erlitt der Antrag des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg und des Vereins Christopher Street Day auf einstweiligen Rechtsschutz bezüglich einer geplanten Kundgebung mit dem Namen “Der Papst kommt”. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte gestern nach einem Eilverfahren die Entscheidung der Genehmigungsbehörde bestätigt, dass die Demonstration gegen das Kirchenoberhaupt nicht am Brandenburger Tor starten darf. Die Veranstaltung der Papstgegner am 22. September ist deshalb an den Potsdamer Platz verlegt worden.

Papstbesuch.Deutschland

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