Weiheakt Papst Johannes Paul II. an die Gottesmutter Maria
Fatima am 13. Mai 1982
Der Apostolische Stuhl 1982, 404-407
“Unter deinem Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter!”
Mit den Worten dieses Gebetes auf den Lippen, mit denen sich die Kirche Christi seit Jahrhunderten an Dich wendet, knie ich heute an diesem Ort, den Du, Mutter erwählt hast und in besonderer Weise liebst.
Dabei weiss ich mich mit allen Oberhirten der Kirche durch jenes besondere Band geeint, durch das wir eine Körperschaft und ein Kollegium bilden, so wie Christus die Apostel mit Petrus geeint sehen wollte.
In solcher Einheit verbunden, spreche ich die Worte dieses Weiheaktes, in den ich noch einmal die Hoffnungen und Ängste der Kirche in der Welt von heute einschliessen möchte.
Vor vierzig Jahren und zehn Jahre danach hat Dein Diener, Papst Pius XII., angesichts der schmerzlichen Erfahrungen der Menschheitsfamilie die ganze Welt und vor allem jene Völker, denen Deine besondere Liebe und Sorge galt, Deinem unbefleckten Herzen anvertraut und geweiht.
Diese Welt der Menschen und Völker habe auch ich heute vor Augen, da ich die Überantwortung und Weihe, die von meinem Vorgänger auf dem Stuhl Petri vollzogen wurde, erneuern möchte: die Welt des zweiten Jahrtausends, das sich seinem Ende zuneigt, die Welt unserer Zeit, unsere heutige Welt! Der Worte des Herrn eingedenk: “Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern … Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” (Mt 28,19-20), ist sich die Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihrer Sendung in dieser Welt neu bewusst geworden.
Darum, o Mutter der Menschen und Völker, die du “alle ihre Leiden und Hoffnungen kennst” und mit mütterlichem Herzen an allen Kämpfen zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis Anteil nimmst, die unsere heutige Welt erschüttern, höre unser Rufen, das wir unter dem Antrieb des Heiligen Geistes direkt an dein Herz richten, und umfange mit deiner mütterlichen und dienenden Liebe diese unsere Welt, die wir dir anvertrauen und weihen, erfüllt von Sorge um das irdische Heil der Menschen und Völker. Vor allem überantworten und weihen wir dir jene Menschen und Völker, die dieser Überantwortung und Weihe besonders bedürfen.
“Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter! Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten!” Verschmähe es nicht! Nimm an den Akt unseres demütigen Vertrauens und unserer Überantwortung!
2. Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat (Joh 3,16). Diese Liebe hat bewirkt, dass der Gottessohn sich selbst geweiht hat. “Für sie heilige ich mich, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind” (Joh 17,19). Kraft dieser Weihe sind die Jünger aller Zeiten dazu berufen, sich für die Rettung der Welt einzusetzen und für den Leib Christi, die Kirche, zu ergänzen, was an seinen Leiden noch fehlt (vgl. 2 Kor 12,15; Kol 1,24).
Vor dir, Mutter Christi, vor deinem Unbefleckten Herzen, möchte ich mich heute zusammen mit der ganzen Kirche unserem Erlöser in dieser seiner Heiligung für die Welt und die Menschen verbinden; nur in seinem göttlichen Herzen findet ja solche Heiligung die Kraft, Verzeihung zu erlangen und Sühne zu leisten.
Die Kraft dieser Weihe dauert durch alle Zeiten und erreicht alle Menschen, Völker, Nationen; sie überwindet alles Böse, welches der Fürst der Finsternis im Herzen des Menschen und in seiner Geschichte wecken kann und in unseren Zeiten auch tatsächlich weckt.
Mit dieser Weihe unseres Erlösers verbindet sich durch den Dienst des Nachfolgers Petri die Kirche, der mystische Leib Christi. Wie notwendig ist doch diese in Einheit mit Christus vollzogene Weihe für die Menschheit und für die Welt, für unsere heutige Welt! Die Erlösungstat Christi muss ja von der Welt mitvollzogen werden durch die Kirche.
Wie weh tut uns alles, was sich in der Kirche und in jedem von uns der Heiligkeit und der Weihe entgegenstellt! Wie weh tut es uns, dass die Einladung zu Busse, Umkehr und Gebet nicht jene Aufnahme fand, die ihr zukam! Wie weh tut es uns, dass viele so halbherzig die Erlösungstat Christi mitvollziehen! Dass unser irdisches Leben so ungenügend ergänzt, ,”was an den Leiden Christi noch fehlt” (1 Kol 1,24)!
Selig all jene, die dem Ruf der ewigen Liebe Folge leisten! Selig jene, die in nimmermüder Hochherzigkeit sich Tag für Tag von Dir, o Mutter, bewegen lassen, zu tun, was Dein Jesus sagt (vgl. Joh 2,5) und Kirche und Welt das zuversichtliche Zeugnis eines Lebens geben, das sich am Evangelium ausrichtet.
Selig über alles Du, Magd des Herrn, die dem göttlichen Anruf in vollkommenster Weise folgt! Sei gegrüsst, die Du der erlösenden Weihe Deines Sohnes Dich ganz verbindest!
Mutter der Kirche! Erleuchte das Volk Gottes auf den Wegen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe! Hilf uns, die Wahrheit der Weihe Christi für die gesamte Menschheitsfamilie und die heutige Welt in ihrer ganzen Fülle zu leben!
3. Wenn wir Dir, o Mutter, die Welt, alle Menschen und alle Völker, anvertrauen, so vertrauen wir Dir dabei auch diese unsere Weihe für die Welt an und legen sie in Dein mütterliches Herz.
O unbeflecktes Herz, hilf uns, die Gefahr des Bösen zu überwinden, das sich so leicht in den Herzen der heutigen Menschen einnistet und dessen unvorstellbare Auswirkungen über unserer Gegenwart lasten und den Weg in die Zukunft zu versperren scheinen.
Von Hunger und Krieg: befreie uns!
Von Atomkrieg, unkontrollierbarer Selbstzerstörung und jeder Art des Krieges: befreie uns!
Von den Sünden gegen das Leben des Menschen von seinen Anfängen an: befreie uns!
Vom Hass und von der Missachtung der Würde der Söhne und Töchter Gottes: befreie uns!
Von jeder Ungerechtigkeit im sozialen, nationalen und internationalen Leben: befreie uns!
Von leichtfertiger Übertretung der Gebote Gottes: befreie uns!
Vom Versuch, in den Herzen der Menschen die Wahrheit Gottes zu ersticken: befreie uns!
Von den Sünden gegen den Heiligen Geist: befreie uns, befreie uns!
Höre, Mutter Christi, diesen Hilfeschrei, in welchem die Not aller Menschen zu Dir ruft, die Not ganzer Völker
Noch einmal zeige sich in der Geschichte der Welt die unendliche Macht der erbarmenden Liebe. Dass sie dem Bösen Einhalt gebiete! Dass sie die Gewissen wandle! In Deinem unbefleckten Herzen offenbare sich allen das Licht der Hoffnung!
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