Zwanzig Meter lange Pferde
Anmerkung zu einer Strömung innerhalb des Vatikans
Die Tagespost, 04.07.2011: Blog Römische Warte, von Guido Horst
Die Konservativen und ihr Spiel. Anmerkung zu einer Strömung innerhalb des Vatikans, die den Schein liebt, aber nicht mehr weiss, was Kardinal Ottaviani noch wusste
Nach einer Woche “Kurzurlaub” in Deutschland (der Kalender war voller Termine…) bin ich wieder in Rom und denke noch über ein Gespräch mit einem Vatikankenner nördlich der Alpen nach, dessen Namen ich hier mal besser nicht nenne, dem ich aber eine fast erlösende Einschätzung verdanke. Ich hatte es schon geschrieben: Bei meiner Schilderung der innervatikanischen Strömungen oder Seilschaften oder Schulen liegen mit einige im Magen und das gilt besonders für die Fraktion der “Konservativen”, um sie mal so zu nennen – ist aber eher ein Arbeitsbegriff.
Gemeint sind also die Rechtgläubigen, die treu zu Papst und Lehramt stehen, die letzten Mohikaner, die das Schiff Petri noch so einigermassen davon abhalten, mit seinem Kurs in die Arme der “Welt” endgültig unterzugehen. Irgendwie stimmt etwas nicht mit den “Konservativen”, und da hatte mein Gesprächspartner nördlich der Alpen eine etwas zugespitzte, aber durchaus originelle Idee, die mir – wie gesagt: Ausnahmen bestätigen die Regel – doch sehr einleuchtend schien. Nämlich die, dass mit Kardinal Alfredo Ottaviani, dem ehemaligen Chef des Heiligen Offiziums, die “Konservativen” im Vatikan ausgestorben sind und die “Konservativen” von heute das Konservativ-Sein nur noch spielen.
Da ist was dran. Was ist von einem Kurienkardinal zu halten, einem gebürtigen Amerikaner, der hin wieder die Gelegenheit nutzt, die “alte” Messe zu zelebrieren und sich bei dieser Gelegenheit nicht scheut, mit einer so an die dreissig Meter langen roten Cappa magna (in der Fastenzeit) am Kalten Buffet vorbeizudefilieren? Die Cappa magna ist eine Art Schleppe, die aus der Zeit stammt, als die Kardinäle noch zu Pferde ritten und der lange Umhang den unappetitlichen Teil dieser Vierbeiner verdecken sollte. Wenn man die Cappa magna von manchen Kardinälen der heutigen Zeit betrachtet, könnte man meinen, Pferde seien mittlerweise ? über zwanzig Meter lang. Auf jeden Fall: Dieser amerikanische Purpurträger hat keine Ahnung und spielt nur mit den Akzessoirs einer goldenen Vergangenheit.
Oder was ist von den jungen Vatikanprälaten zu halten, die tadellos als Priester gekleidet daher kommen und in jeden zweiten Satz lateinische Brocken einfliessen lassen? Oder mit den Zeremonienmeistern, die es für eine konservative Heldentat halten, den Papst mit altem Klimbim zu behängen und ihn aussehen zu lassen wie die Wiedergeburt eines Pius XII.?
Also der gute alte Ottaviani, der wusste noch, was konservativ ist, was es heisst, in einer Jahrhunderte alten Tradition zu stehen. Wissen das die Neo-Konservativen von heute auch noch? Das Thema fängt an, mir Spass zu machen. A domani!
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