“Ich bin einfach katholisch”

“Ich hatte auch überlegt zu sagen: Ich lasse lieber die Finger davon”

Rainer Maria Woelki wehrt sich nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Berlin gegen vorschnelle Einordnungen. Von Regina Einig

Würzburg, Die Tagespost, o4.07.2011  

Der “Neue” freut sich auf die Menschen im Erzbistum Berlin. Ganz leicht gefallen ist dem am Samstag zum Oberhirten von Berlin ernannten Rainer Maria Woelki (54), bisher Weihbischof im Erzbistum Köln, das “Ja” zum Umzug vom Rhein an die Spree jedoch nicht. Mitte Juni hatte er von der Wahl des Berliner Domkapitels erfahren. Einige schlaflose Nächte folgten. “Ich hatte auch überlegt zu sagen: Ich lasse lieber die Finger davon”, gestand Woelki am Samstag im “Domradio”. Doch wenn Gott den Menschen rufe, müsse dieser bereit sein. “Nos sumus testes” – Wir sind Zeugen lautet sein bischöflicher Wahlspruch.

Die Überraschung über die Personalentscheidung war gross: Wochenlang war an der Spree spekuliert worden. Mit dem zurückhaltend auftretenden Rainer Maria Woelki hatte niemand gerechnet – am wenigsten er selbst. “Wir heissen ihn mit offenen Armen willkommen”, sagte Stefan Dybowski, Dompropst des Metropolitankapitels am Samstag, als die Ernennung zeitgleich in Rom und Berlin bekannt gegeben wurde.

Erfahrungen in der Priesterausbildung

Im Erzbistum Köln war der gebürtige Köln-Mülheimer als Beauftragter für den Pastoralbezirk Nord tätig, zu dem die Städte Düsseldorf, Wuppertal, Neuss und Solingen gehören. Von Joseph Kardinal Höffner empfing er 1985 die Priesterweihe. Nach Kaplansjahren in Neuss und Ratingen berief der eben von Berlin nach Köln gekommene Erzbischof Joachim Kardinal Meisner Woelki zu seinem persönlichen Sekretär. Von 1990 bis 1997 lernte Woelki viele Gesichter der weltweiten katholischen Kirche kennen. Zugleich sammelte er seelsorgliche Erfahrungen, denn er kam täglich mit Menschen in Kontakt, die sich hilfesuchend an den Kölner Erzbischof gewandt hatten.

Nach sieben Jahren übertrug Kardinal Meisner seinem Kaplan eine verantwortungsvolle Aufgabe, die zugleich einen Vertrauensbeweis darstellte: Von 1997 bis 2003 leitete Woelki das Bonner Collegium Albertinum, in dem die Priesteramtskandidaten des Erzbistums während ihrer Studienzeit wohnen. Am 30. März 2003 empfing Woelki im Kölner Dom die Bischofsweihe. In der Deutschen Bischofskonferenz ist er derzeit Mitglied der Kommissionen “Geistliche Berufe und kirchliche Dienste” sowie “Wissenschaft und Kultur”.

Der Nachfolger des am Donnerstag nach schwerer Krankheit verstorbenen Alterzbischofs Georg Kardinal Sterzinsky teilt mit seinem Vorgänger ostpreussische Wurzeln: Woelkis Eltern stammten aus dem Ermland und flohen nach dem Zweiten Weltkrieg in den Westen. Gelegenheit, die traditionell guten Beziehungen des Erzbistums Berlin zu den polnischen Katholiken in Polen zu pflegen bekommt der designierte Erzbischof spätestens im September: Zum Papstbesuch in Berlin werden Tausende Gläubige aus der Heimat des seligen Johannes Paul II. erwartet. Dass Woelki vor dem Besuch Benedikts XVI. in der Hauptstadt in sein Amt eingeführt wird, gilt im Erzbistum Berlin als beschlossene Sache. Das Datum der Einführung war bei Redaktionsschluss noch offen.

Schon kurz nach der Ernennung wehte Woelki allerdings auch ein scharfer Luftzug aus der Hauptstadt entgegen. Als bekannt wurde, dass der designierte Erzbischof sein Promotionsstudium in Rom an der vom Opus Dei geleiteten Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz mit einer Arbeit über die Bedeutung der Pfarrei absolviert hatte, kursierten bald Gerüchte über eine besondere Nähe Woelkis zu der Personalprälatur der katholischen Kirche. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters sagte dem “Tagesspiegel” (Sonntag), sie hoffe, dass Gerüchte von Woelkis Nähe zum Opus Dei nicht zuträfen: “Das wäre verheerend.” Doch ist der künftige Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki nach eigenen Angaben nicht Mitglied des Opus Dei. Dies sagte er am Sonntag gegenüber dieser Zeitung. Er sei etwas überrascht gewesen über Stimmen, die ihm unmittelbar nach der Ernennung am Samstag eine besondere Nähe zum Opus Dei nachgesagt hätten, ohne ihm die Chance zu geben, selbst Stellung zu nehmen. Wörtlich erklärte der bisherige Kölner Weihbischof: “Da ist überhaupt nichts dran. Ich bin immer Diözesanpriester gewesen und gehöre weder dem Opus Dei noch einer anderen kirchlichen Gemeinschaft an. Dem Opus Dei stehe ich genauso nahe oder fern wie jeder anderen geistlichen Bewegung in der katholischen Kirche.” So habe er beispielsweise auch regelmässig Exerzitien in der Benediktinerabtei Gerleve im Münsterland gemacht oder in den vergangenen Jahren an den Exerzitien teilgenommen, die die Jesuiten der Deutschen Bischofskonferenz erteilten, so Woelki weiter.

Lob des Weihbischofs für Woelkis “klare Linie”

Auf die Frage, ob er etwas mit der in Teilen der Berichterstattung geäusserten Einschätzung, Rom habe einen konservativen Erzbischof an die Spree geschickt, anfangen könne, sagte Woelki: “Ich halte von den Zuordnungen ,konservativ‘ und ,liberal‘ gar nichts.” Er wolle sich ungern in eine bestimmte Form pressen lassen, so Woelki. “Ich bin einfach katholisch. Und vor allem: Ich bin ich selbst und versuche, ein Mann der Kirche zu sein.”

Zahlreiche positive Reaktionen in der Bundeshauptstadt auf die Ernennung Woelkis zeigen, dass man in Berlin auch mit Blick auf den bevorstehenden Papstbesuch erleichtert über die lange erwartete Wahl des Domkapitels ist. Der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich lobte Woelki vor Journalisten als Seelsorger und Menschen, “der eine klare Linie hat”. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) äusserte sich zufrieden über die zügige Entscheidung und bot dem neuen Berliner Erzbischof eine gute Zusammenarbeit an.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) erklärte dem “Tagesspiegel”, (Sonntag) es gelte das Gebot der Fairness, Woelki sei “willkommen”. Zugleich äusserte Thierse als langjähriges Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) “Erwartungen an einen Hauptstadtbischof”: “Ich wünsche mir, dass er sich auf die Stadt einlässt und dass er bereit ist, mit den Christen beider Konfessionen in diesem Bistum zu kommunizieren”, so Thierse wörtlich. Gefragt sei ausserdem die Bereitschaft zum Dialog mit Politik, Wissenschaft und Kultur. “Kleiner ist das nicht zu haben”, fügte Thierse hinzu.

In Köln lässt man Woelki mit Wehmut ziehen. “Mit einem lachenden und einem weinenden Auge” habe er die Nachricht zur Kenntnis genommen, stellte der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner fest. Zugleich zeigte er sich froh über das Vertrauen, das Benedikt XVI. in den künftigen Erzbischof von Berlin setzt. Woelkis “tiefer Christusglaube, seine vielfachen Begabungen und seine reichen Seelsorgserfahrungen auf vielen Gebieten des kirchlichen Lebens werden ihm helfen, sich schnell und kompetent in Berlin einzuarbeiten”, so Meisner.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch unterstrich, dass Woelki als “Hauptstadtbischof” vor besonderen Herausforderungen stehe, “wenn es gilt den Glauben in einem säkularisierten Umfeld zu vermitteln”. Zollitsch hob dabei den Papstbesuch im September als “eine grosse Chance” hervor.

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