Auf den Spuren der Gottsucher
Rom, Die Tagespost, 24.06.2011, Blog Römische Warte, von Guido Horst
Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Stadt der Päpste von einsamen Orten umgeben ist, wo grosse Heilige mitten in der Wildnis die Energie fanden, die zur Kraftquelle für die ganze Kirche wurde
Es gibt Tage, da kommt man einfach zu gar nichts. Da war der Tag mit dem Papst im Zwergstaat (nicht Zwergenstaat) San Marino, ein Besuch in Subiaco sowie in Mentorella, dem ältesten Marienheiligtum Europas, eine römische Tagung über eucharistische Anbetung, der Jahresempfang des Malteser-Ordens auf dem Aventin und ein längeres Gespräch mit Kardinal Kurt Koch. Ein Nachwort noch zu Mentorella, weil es im letzten Blogeintrag ja auch um Felsspalten und Höhlen ging:
Sowohl in Subiaco als auch in Mentorella gibt es die Grotten zu sehen, in die sich der heilige Benedikt von Nursia zurückgezogen hat. Und ich muss sagen, dass diese Grotten etwas bequemer und grösser ausfallen als die Felsspalten, in die sich Franz von Assisi im Rieti-Tal zurückgezogen hat. Franziskus liebte es offensichtlich noch etwas karger und einfacher als der Mönchsvater Benedikt. Das Heiligtum von Mentorella (zu dem morgen in der der Tagespost beigelegten Pilger-Zeitung ein Artikel von mir erscheinen wird), das Karol Wojtyla als Student, Bischof, Kardinal und Papst über vierzig Mal aufgesucht hat, liegt 1.200 Meter über dem Meerspiegel auf einer Felsnase, die eine Mondlandschaft krönt, die man 55 Kilometer südöstlich von Rom so gar nicht erwarten würde. Da habe ich mich also kurz hintereinander auf die Spuren von zwei Gottsuchern begeben: Benedikt und Franz (und den seligen Johannes Paul muss man da eigentlich auch nennen). Wenn man von Mentorella über die wunderbare Landschaft schaut, versteht man, dass diese Heiligen Gott in der Natur suchten, wo sie sich mehr Antworten erhofften als in Studierstuben oder Bibliotheken. Im Winter muss es kalt gewesen sein in diesen Grotten und Spalten – und äusserst beschwerlich war es, dort überhaupt hinzukommen. Die Strasse hinauf nach Mentorella wurde erst in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts fertiggestellt.
Aber diese Orte, die die Stadt der Päpste wie eine Zange umgreifen, sind das Gegengewicht zum barocken Rom. Wer die Ewige Stadt besucht, sollte auch einen Abstecher zu den Franziskus-Heiligtümern im Rieti-Tal oder den einfachen Klausen des heiligen Benedikt machen. Erst beides zusammen, die Kunst und die Pracht, die das päpstliche Rom hinterlassen hat, und die karge Einsamkeit, in der die Heiligen die Kraft für ihre Mission fanden, stellt die richtige Mischung dar, die die katholische Kirche so beflügelt hat. Übrigens hat auch Benedikt XVI. wenige Monate nach seiner Wahl still und (nicht ganz) heimlich Mentorella aufgesucht. Die Päpste wissen, wie viel Energie Rom den Gottsuchern da draussen zu verdanken hat.
Subiaco: Der Heilige Benedikt in der Höhle von Subiaco
Schreibe einen Kommentar